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Bushs letzte Lüge an die Nation

Von Dr. Galina Seweljowa, Moskau *

Die letzte Rede zur Lage der Nation von George W. Bush im US-Kongress war die am wenigsten anspruchsvolle, versöhnlichste und bescheidenste aller bisherigen sieben.

Danach wurde klar: Der Chef des Weißen Hauses hat sich den Glauben an die US-Wirtschaft bewahrt, aber die Hoffnung auf die Fähigkeit der USA, die Welt umzubauen, verloren.

Es ist kaum wahrscheinlich, dass es der heutige Präsident in der Zeit bis zu den Wahlen noch schafft, die Wirtschaftsprobleme, die sich im Zusammenhang mit der US-Hypothekenkrise und den Turbulenzen auf dem Börsenmarkt verschärft haben, oder den von ihm selbst verursachten Irak-Konflikt zu lösen. Bush hinterlässt seinem Nachfolger nach Meinung der meisten Amerikaner schwächere außenpolitische Positionen, eine kranke Wirtschaft und die Diskreditierung der messianischen Idee, die Welt nach US-Rezepten zu demokratisieren. Nicht von ungefähr sind die wichtigsten Präsidentschaftskandidaten von der Republikanischen Partei so sehr bemüht, sich vom äußerst unpopulären Bush mit seinem heutigen Rating von nur 30 Prozent zu distanzieren.

In der Ansprache Bushs war die Wirtschaft wieder das Hauptthema, ebenso wie auch in seinem ersten Bericht 2001, gleich nach der Inauguration (technisch gesehen galt es nicht als Rede an den Kongress). Als Medizin für die Rettung der Wirtschaft schlug der Präsident altbewährte Rezepte vor: Senkung von Steuern und Zinssätzen. Kritiker werfen Bush vor, dieses Rezept heile nicht, vielmehr verschlimmere es die Krankheit. Die Steuererleichterungen und die Stimulierung der Konjunktur durch Senkung des Zinssatzes können die Wirtschaft kurzfristig beleben, aber auf längere Zeit verstärken sie nur ihr Ungleichgewicht, führen sie doch zu billigeren Krediten, die noch größere Schulden zur Folge haben.

Im Unterschied zur ökonomischen hat sich Bushs außenpolitische Doktrin merklich verändert, sie weist jetzt weniger Ideologie, dafür aber mehr Realismus auf. Die Rede des Präsidenten hat bestätigt: Die Parteizugehörigkeit, die in vieler Hinsicht den Unterschied im Angehen der sozialen und ökonomischen Probleme bestimmt, ist für die Außenpolitik im Grunde nicht von Belang. Hier verläuft die Wasserscheide nicht zwischen Republikanern und Demokraten, sondern zwischen Realisten und Ideologen.

Als Bush jun. an die Macht kam, sprach man von ihm als von einem Isolationisten und Pragmatiker. Alles veränderte sich nach den Terrorakten vom 11. September 2001, die ihn zu der Erkenntnis zwangen, wie eng Amerika mit der Außenwelt verbunden ist. In seiner nächsten Rede (Anfang 2002) erklärte Bush, dass "sich das Land im Kriegszustand befindet", und begründete die militärische Operation in Afghanistan als Kampf gegen den Terrorismus. Die Ausrichtung der einseitigen Gewaltanwendung fand in den nächsten Botschaften, 2003 und 2004, ihre Fortsetzung. Darin suchte Bush zuerst von der Notwendigkeit einer Kriegskampagne in Irak zu überzeugen und später den von ihm entfesselten Krieg zu rechtfertigen. Die USA bewegten sich zielbewusst auf die Zerstörung des bestehenden internationalen Sicherheitssystems zu, weil es sie, wie sie dachten, nur an Händen und Füßen fessele.

Nach dem zweiten Sieg bei der Präsidentschaftswahl 2005 formulierte Bush in seiner Rede an den Kongress ein neues Programm der "Freiheit" und "Demokratisierung der Welt". Die US-Administration benötigte es als Antwort auf die zunehmende Kritik am irakischen Krieg. Inzwischen war klar, dass Saddam Hussein keine Massenvernichtungswaffen hatte, und der US-Präsident dachte sich eine neue Rechtfertigung für die Kriegskampagne aus: den Kampf gegen die Tyrannei und für die Errichtung der Demokratie in Irak, die für die anderen "unfreien" Staaten des Nahen Ostens als Modell hätte dienen sollen.

Bush verkündete, dass das Vorankommen der Freiheit die Hauptwaffe im Kampf gegen den Terrorismus sei. In Worten beharrt er auch heute auf dieser Idee, immer wieder sagt er: Nur die Demokratisierung der "unfreien Länder" könne einen wahren Frieden sichern, weil "Demokratien keinen Krieg gegeneinander führen". Solche Gedanken äußerte er in seinen Reden an den Kongress in den Jahren 2006 und 2007. In diesem Ton ist auch seine jüngste Rede gehalten, worin er die Unterstützung der Freiheit "von Kuba und Simbabwe bis Weißrussland und Mjanmar" deklariert sowie Georgien und die Ukraine dafür lobt, "freie und ehrliche Wahlen" durchgeführt zu haben. Doch während Bush früher Amerika die Aufgabe stellte, der "Tyrannei" in der ganzen Welt "ein Ende zu setzen", hat er in seinem letzten Bericht nur bescheiden zur "Förderung der Hoffnung auf Freiheit" aufgefordert.

Die Meinung der Verfasserin muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 31. Januar 2008



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