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CIA-Killerplan: Niemand ahnte was?

Washington tut betroffen und schiebt Schuld auf Ex-Vizepräsident Cheney

Von René Heilig *

Nach aktuellen »Enthüllungen« über ein angeblich verheimlichtes Anti-Terror-Programm des Geheimdienstes CIA ist in den USA eine Debatte über Anti-Terror-Aktionen der Bush-Regierung entbrannt. Aus Furcht, der Schuss könnte auch die eigenen Reihen treffen, will Präsident Obama angeblich nichts unternehmen.

Kern des CIA-Geheimprogramms sei es gewesen, Al-Qaida-Führer gefangen zu nehmen oder gezielt zu töten. Der Geheimdienst habe sich auf eine nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 erlassene Anordnung des damaligen Präsidenten George W. Bush gestützt. Der US-Geheimdienst hat angeblich Geld in die Ausarbeitung des Plans gesteckt und möglicherweise Mitarbeiter dafür geschult, doch das Vorhaben »nicht vollständig« umgesetzt.

Laut »New York Times« erfuhr der seit Februar 2009 amtierende CIA-Chef Panetta am 23. Juni von dem Programm und stellte es umgehend ein. Senatoren und Abgeordnete beteuern ihre Ahnungslosigkeit. Ex-Vizepräsident Dick Cheney habe dem US-Kongress acht Jahre lang Informationen über das Geheimprogramm vorenthalten. Das sei ein klarer Gesetzesbruch.

Die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des Senats, Dianne Feinstein, empörte sich heftig. Die Demokratin Anna Eshoo, die dem Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses angehört, forderte eine unabhängige Untersuchung der Vorgänge. Aus gutem Grund vorsichtiger agierte der republikanische Senator Judd Gregg. Er sagte auf CNN, die CIA von der angemessenen Unterrichtung des Kongresses abzubringen, sei zwar »falsch«, doch »kein Grund, die CIA zu demontieren«. Die Kritik untergrabe »die Moral und die Fähigkeiten« der Geheimdienste.

Solche Ahnungslosigkeit und Empörung muten seltsam an. Nicht erst nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 erteilten oder decken US-Geheimdienste Mordaufträge gegen missliebige Persönlichkeiten - zuvor hatten sie beispielsweise Fidel Castro oder Patrice Lumumba im Visier. Nach Bekanntwerden solcher Pläne empfahl der für Geheimdienste zuständige Senatsausschuss Mitte der 70er Jahre, dass Verschwörungen von Regierungsangestellten mit dem Ziel, ausländische Staatsführer zu töten, verboten werden. Präsident Gerald Ford erließ 1975 eine »Executive Order«, in der es jedem, der für die US-Regierung arbeitet, verboten wurde, sich an Mordanschlägen - gegen wen auch immer - zu beteiligen. Bestätigt wurde dieser Befehl durch weitere »Executive Orders« der Präsidenten Carter und Reagan.

Doch am 3. Januar 2001 - also acht Monate vor den 9/11-Attentaten - brachte der republikanische Kongressabgeordnete Bob Barr den »Terrorist Elimination Act« in die Debatte ein. Diese Lizenz zum Töten wurde zwar nicht offiziell Gesetz, doch sechs Tage nach den Flugzeugattacken auf New York und Washington erklärte Präsident Bush öffentlich. »Ich will Gerechtigkeit. Da gibt es aus dem Westen ein altes Plakat, darauf steht: Gesucht - tot oder lebendig!«

Schon Im Jahr 2002 berichteten US-Medien, der Präsidentenerlass zum gezielten Töten mutmaßlicher Terroristen sei mit führenden Kongressabgeordneten besprochen worden. Vermutlich konnte der, der wissen wollte, auch wissen. Oder mit den Befugnissen des Kongresses nachfragen.

Dutzendfach wurde im sogenannten Anti-Terror-Krieg nach dem Bush-Erlass gehandelt. Nicht nur von der CIA. Auch die DIA des Pentagon operierte nach dem Killer-Prinzip. Zumeist in Afghanistan, doch ebenso im benachbarten Pakistan oder in Jemen. Oft setzte man ferngesteuerte Killer als Mordwerkzeug ein.

Zündstoff bietet auch die vom US-Justizminister Eric Holder erwogene Einsetzung eines Sonderermittlers zur Überprüfung von Foltervorwürfen gegen die CIA. Dies könnte zu einem Konflikt mit dem Präsidenten führen. Obama hatte mehrfach signalisiert, dass er eine juristische Untersuchung brutaler Verhörmethoden unter Bush ablehne. Hochrangige Regierungsmitarbeiter, so die »Washington Post«, äußerten die Befürchtung, eine Untersuchung könne die US-Regierung im Kongress wichtige Stimmen für ihre Gesetzesvorhaben kosten.

* Aus: Neues Deutschland, 14. Juli 2009


Die Gesellen der CIA

Von René Heilig **

Einer zeigt auf den anderen. Die Obama-Generation (Demokraten oder Republikaner, allesamt wie neu geboren) zeigt auf - nein ... nicht auf Bush. Noch ist das Amt des US-Präsidenten zu wichtig, als dass jeder Straßenköter sein Bein heben könnte. Doch: Wozu vereidigt man eigentlich einen Vize? Nun ist Cheneys große Stunde gekommen. Als Sündenbock. Und kein Vorwurf trifft ihn unverdient. Doch allzu viele von denen, die ihn jetzt mit Dreck bewerfen, wollen damit nur vergessen machen, wie tief sie sich selbst in den Morast des politischen Verbrechens begeben haben.

Auch aus der sogenannten alten Welt recken sich Finger gegen Lehrmeister in den USA. Allzu gern übernahmen britische Folterkollegen Waterboarding und andere scheußliche Methoden. Und nur zu gern teilten sie den Kollegen von der CIA mit, wann welcher Verdächtige ein Flugzeug ins rechtsunsichere Ausland besteigt. Wo er prompt erwartet wurde, um dann in einem Folterknast zu verschwinden. Die Methode hat wohl auch in Deutschland Nachahmer gefunden. Doch ausgerechnet jetzt, wo in den USA das Schuldzuteilen und damit so etwas wie eine kleine Aufklärung beginnt, hat der BND-Untersuchungsausschuss seine Arbeit beendet. Manch CIA-Spießgeselle kann aufatmen.

** Aus: Neues Deutschland, 14. Juli 2009 Kommentar


Massenmord an 2000 Taliban-Gefangenen

Afghanistan: Fast acht Jahre lang vertuschte Washington mutmaßliches Kriegsverbrechen von US-Verbündeten ***

Gut sechs Monate nach dem Regierungswechsel in Washington kommen immer mehr Details über Kriegsverbrechen der USA in Afghanistan ans Tageslicht. Der US-Geheimdienst CIA arbeitete nach Medienberichten jahrelang an einem Plan zur Ermordung von mutmaßlichen Al-Qaida-Mitgliedern, ohne den Kongreß zu informieren. Und: Offensichtlich hat die Bush-Administration alles unternommen, um einen vor fast acht Jahren begangenen Massenmord an etwa 2000 Taliban-Kriegsgefangenen zu vertuschen, den afghanische US-Verbündete der Nordallianz Ende 2001 begangen haben.

Präsident Barack Obama ordnete inzwischen eine Prüfung an. Es gebe Hinweise, daß der Fall »nicht korrekt« untersucht worden sei, sagte er dem TV-Sender CNN am Sonntag (12. Juli). Die New York Times hatte zuvor berichtet, hohe Regierungsbeamte hätten versucht, Ermittlungen mehrerer US-Behörden gegen den afghanischen Milizenführer Abdul Raschid Dostum zu blockieren. Dostum soll im November 2001 den Massenmord an den Taliban befohlen haben. Die Gefangenen wurden vermutlich in Container gesperrt, wo sie erstickten oder von Dostums Kämpfern erschossen wurden. Zu dieser Zeit wurde der afghanische Kriegsherr vom US-Geheimdienst CIA unterstützt.

Ebenfalls am Sonntag berichtete das Wall Street Journal, die CIA habe auf Grundlage einer Anweisung von Obama-Vorgäner George W. Bush an einem geheimen Programm gearbeitet, das nicht nur die Gefangennahme, sondern auch die »gezielte Tötung« von Al-Qaida-Mitgliedern in Betracht gezogen habe. Das Vorhaben sei aber nicht vollständig umgesetzt worden, schrieb die Zeitung unter Berufung auf anonyme Exgeheimdienstmitarbeiter. Der neue CIA-Chef Leon Panetta habe das Programm beendet, nachdem er am 23. Juni davon erfahren habe. Demnach enthielt der ehemalige US-Vizepräsident Richard Cheney während seiner Amtszeit dem US-Kongreß acht Jahre lang Informationen über das Geheimprogramm vor und verstieß damit gegen das Gesetz.

*** Aus: junge Welt, 14. Juli 2009


CIA-Tötungspläne setzten auf kleine Teams aus Agenten und Elitesoldaten

Programm scheiterte an logistischen, rechtlichen und diplomatischen Hindernissen ****

In der Affäre um geplatzte CIA-Geheimpläne zur Tötung von Führern der Al-Qaida-Organisation kommen immer mehr Details ans Licht.

Washington (dpa/AFP/ND). Es sei vorgesehen gewesen, kleine Teams aus CIA-Agenten und Elitesoldaten zu entsenden, um führende Terroristen bei gezielten Kommandoaktionen umzubringen, berichtete das »Wall Street Journal« am Dienstag. Die Pläne, die nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 entwickelt wurden, seien jedoch an einer Vielzahl von logistischen, rechtlichen und diplomatischen Hindernissen gescheitert, meldete die »New York Times«. Sie seien vage geblieben und nie ausgeführt worden. CIA-Chef Leon Panetta hatte das Projekt Ende Juni dieses Jahres endgültig gekippt, sobald er davon erfahren habe, hieß es. Die Umsetzung der Pläne scheiterte nach Informationen des Blattes unter anderem an der Frage, wie die Rolle der Vereinigten Staaten verschleiert werden könnte. Auch sei nicht klar gewesen, ob die Verbündeten informiert werden sollen und was zu tun wäre, wenn US-Agenten oder ihre ausländischen Helfer bei einer Operation gefasst würden. Die Antwort auf die Frage, ob die Operation mit internationalem Recht zu vereinbaren sei, war ebenfalls unklar.

Nach Angaben von Beamten, die das Programm kannten, wurden die Pläne jedoch nie ganz zurückgestellt. Die Regierung des damaligen Präsidenten George W. Bush habe Alternativen zur Tötung von Terrorverdächtigen mit Raketen oder zur Ergreifung und Inhaftierung von Verdächtigen in geheimen CIA-Gefängnissen gesucht. Das Programm sei in den hektischen Wochen nach den Anschlägen vom 11. September entworfen worden. Damals hatte Bush einen geheimen Befehl unterzeichnet, der es der CIA erlaubte, Al-Qaida-Terroristen in aller Welt gefangen zu nehmen oder zu töten.

US-Präsident Barack Obama kritisierte unterdessen das CIA-Geheimprogramm. »Der Präsident ist der Auffassung, dass der Kongress stets vollständig und rechtzeitig informiert werden soll, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist«, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs. Dies gelte für jede Art von Regierungsprogramm, fügte Gibbs ausdrücklich hinzu. Nähere Einzelheiten nannte der Sprecher jedoch nicht. Er bestätigte lediglich, dass der neue CIA-Chef das Programm Ende Juni gestoppt habe. Unmittelbar danach unterrichtete Panetta den Kongress, dem die Pläne vorenthalten wurden.

Als Verantwortlicher für die Geheimhaltung des Programms wird in US-Medien Ex-Vizepräsident Richard Cheney genannt. Er habe dafür gesorgt, dass das Projekt den zuständigen Parlamentsausschüssen über acht Jahre lang verschwiegen wurde. Die Demokraten im Kongress fordern eine Untersuchung der Rolle Cheneys.

Zugleich äußerte sich das Weiße Haus zu Erwägungen von Justizminister Eric Holder, strafrechtliche Ermittlungen gegen die CIA wegen möglicher Folterungen zu eröffnen. »Wenn Gesetze gebrochen werden, fällt das in den Bereich des Justizministers«, sagte Gibbs. Zugleich habe Obama aber bereits deutlich gemacht, dass CIA-Agenten, die »in gutem Glauben« und nach damaligen Anweisungen gehandelt hatten, nicht juristisch verfolgt werden sollen. Holder überprüft derzeit die Berufung eines Sonderermittlers, um zu untersuchen, ob CIA-Agenten Terrorverdächtige gefoltert haben.

Präsident Barack Obama lässt auch Vorwürfe gegen die Regierung seines Vorgängers prüfen, die Ermittlungen gegen einen mutmaßlichen afghanischen Kriegsverbrecher wegen einer Massentötung von Taliban behindert haben soll. Obama sagte in einem CNN-Interview, er habe eine entsprechende Untersuchung angeordnet. Die »New York Times« hatte berichtet, hohe Regierungsbeamte hätten versucht, Ermittlungen mehrerer US-Behörden gegen den afghanischen Milizenführer Abdul Raschid Dostum zu blockieren.

Dostum soll im November 2001 die Ermordung von bis zu 2000 gefangenen Taliban angeordnet haben. Die Gefangenen wurden vermutlich in Container gesperrt, wo sie erstickten oder von Dostums Kämpfern erschossen wurden. Zu dieser Zeit wurde der Kriegsherr von der CIA unterstützt.

**** Aus: Neues Deutschland, 15. Juli 2009


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