Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Heimkehr ausgeschlossen

Seit 13 Jahren sitzen fünf Kubaner in US-Gefängnissen ein, weil sie Terrorgruppen unterwandert haben. Internationale Solidarität mit den "Miami 5" zeigt Wirkung

Von André Scheer *

Am heutigen Montag (12. Sept.) sitzen die weltweit als »Miami 5« bekannt gewordenen fünf Kubaner, die rechtsextreme Terrororganisationen in den USA unterwandert hatten, seit 13 Jahren im Gefängnis. Für einen von ihnen könnte diese lange Zeit in wenigen Wochen zu Ende gehen. Aufgrund »guter Führung« soll der zu 15 Jahren Haft verurteilte René González am 7. Oktober aus dem Gefängnis entlassen werden. In seine Heimat zurückkehren darf er dann jedoch noch immer nicht. In dem 2001 ergangenen Urteil wird festgelegt, daß auf die Haft drei Jahre »überwachte Freiheit« folgen müssen. In dieser Zeit dürfte González die USA nicht verlassen, sofern ihm die nordamerikanischen Behörden dazu nicht eine Ausnahmegenehmigung gewähren. Das jedoch sei wenig wahrscheinlich, signalisierte die Staatsanwaltschaft in Florida bereits.

Für die Angehörigen bedeutet das vor dem Hintergrund der von exilkubanischen Gruppen aufgeheizten Atmosphäre in Miami neue Sorgen. Das sei gefährlicher, als im Gefängnis zu bleiben, sagte González’ Mutter, Irma Sehwerert, der in Havanna erscheinenden Tageszeitung Tribuna de La Habana. »Stellen Sie sich René drei Jahre lang in Miami vor – wir hätten keine ruhige Minute!« Sie hoffe darauf, daß die Rechtsanwälte doch noch eine Ausreise ihres Sohnes durchsetzen können.

Für die anderen vier Gefangenen, die noch längere Strafen bis hin zu lebenslänglich verbüßen, sind nahezu alle juristischen Mittel ausgeschöpft. Als praktisch letzte Option haben Gerardo Hernández und Antonio Guerrero Anträge auf eine Neuverhandlung ihrer Fälle nach dem »Habeas Corpus Act« gestellt. Diese Besonderheit des angelsächsischen Rechtssystems sieht eine Neuverhandlung von Fällen vor, wenn etwa der ursprüngliche Prozeß manipuliert wurde. Dies sehen die Verteidiger der beiden als gegeben an. Lawrence Wilkerson, von 2001 bis 2005 Mitarbeiter des damaligen US-Außenministers Colin Powell, räumte ein, daß ein fairer Prozeß für die fünf in Miami unmöglich gewesen sei. Eine von der Verteidigung beantragte Verlegung des Prozesses wurde damals von den zuständigen Richtern abgelehnt. Trotzdem ist die Hoffnung auf eine positive Entscheidung in diesem Habeas-Corpus-Verfahren gering. In erster Instanz ist die Beschwerde bereits abgeschmettert worden.

Unterdessen sind führende US-Diplomaten in aller Welt beunruhigt darüber, daß sie sich immer wieder für die Inhaftierung der fünf Kubaner rechtfertigen müssen. Das geht aus Geheimdokumenten hervor, die die Internetplattform Wikileaks Ende August und Anfang September veröffentlicht hat. So berichtete die US-Botschaft in Brüssel im Januar 2010 über eine Unterredung mit Sadi Brancart, einem weitgereisten Karrierediplomaten, der zu diesem Zeitpunkt der für Kuba zuständige Beamte im belgischen Außenministerium war. Dieser forderte von den Nordamerikanern »eine engere Koordinierung« in der Frage der US-Blockade und der fünf Kubaner, da die kubanische Regierung die Bedeutung dieser beiden Themen für ihre Außenpolitik erkannt habe.

Wenige Tage später meldete die US-Botschaft in London, der britische Premierminister Gordon Brown habe US-Außenministerin Hillary Clinton auf die Frage der Einreisevisa für zwei Ehefrauen der Kubaner angesprochen, die diesen von den Einwanderungsbehörden seit Jahren verweigert werden. Er habe damit eine Forderung der britischen Gewerkschaften erfüllt, die Teil seiner Labour-Partei seien, notierten die US-Diplomaten.

* Aus: junge Welt, 12. September 2011


Die "Cuban Five" werden nicht vergessen

Weltweiter Start der Aktionswochen für die Freilassung **

Ramón Labañino, Antonio Guerrero, René González, Gerardo Hernández und Fernando González sind die so genannten Cuban Five oder Miami Five. Die »Fünf« wurden am 12. September 1998 in den USA unter Spionagevorwurf verhaftet. Tatsächlich beobachteten sie gewaltbereite Gruppen des kubanischen Exils und gaben Informationen über deren Aktivitäten nach Havanna weiter. Raúl Becerra Egaña vertritt die Republik Kuba seit Anfang September 2009 als Botschafter in Berlin. Über den Fall der »fünf« sprach mit ihm für das Neue Deutschland (ND) Harald Neuber.

ND: Herr Botschafter, am 12. September beginnen die jährlichen internationalen Aktionswochen für die Cuban Five – fünf Aktivisten, die in den USA inhaftiert sind, weil sie gewaltbereite Exilgruppen beobachtet haben. Warum diese Aktionswochen?

Egaña: Diese Kampagne ist ein Ausdruck des politisches Einsatzes, den zahlreiche Personen überall auf der Welt erbringen, um die Freilassung von Gerardo, Antonio, Ramón, Fernando und René zu erreichen. Von fünf Männern, deren »Delikt« darin besteht, dass sie ihr Volk vor terroristischen Aktionen extrem rechter Gruppen schützen wollen, die aus Kuba stammen und die von Florida aus operieren.

Solidaritätsgruppen weltweit tragen derzeit eine Million Unterschriften zusammen. Was soll damit erreicht werden?

Hinter dieser Aktion an den US-Präsidenten, für die wir alle sehr dankbar sind, stehen Freunde der Solidaritätsbewegung, Journalisten und Parlamentarier. Wir hoffen, dass der US-Präsident der Forderung der Unterzeichner nachkommt und von seinen Befugnissen Gebrauch macht, um die Haftstrafen aufzuheben. Sie sind schließlich Opfer einer ebenso grausamen wie ungerechten Haft, was von der US-Regierung und der internationalen Presse in skandalöser Weise verschwiegen wird.

Vor zwei Jahren hat sich Kubas Staats- und Regierungschef Raúl Castro öffentlich bereit erklärt, »alle Themen« mit den USA zu diskutieren. Wie weit ist dieser Dialog gediehen?

Es gibt keinen Dialog, weil die US-Regierung auf das Angebot nie geantwortet hat. Dabei hat Kuba Abkommen vorgeschlagen, die im gemeinsamen Interesse liegen, etwa über den Kampf gegen Terrorismus und Drogenhandel. Diese Haltung betrifft aber auch den Fall der fünf Kubaner, den man in den USA totzuschweigen versucht. Das geht so weit, dass Olga Salanueva, die Ehefrau von René, und Adriana Pérez, die Ehefrau von Gerardo, noch nicht einmal Visa bekommen, um ihre Männer in den US-Gefängnissen besuchen zu können.

Dabei war von der Regierung von Barack Obama ein Kurswechsel gegenüber Kuba erwartet worden. Wie ist die aktuelle Lage?

Die Politik von Obama gegenüber Kuba lässt nicht im Geringsten einen Wandel erkennen. Das liegt auch an dem anhaltenden Einfluss der antikubanischen Mafia in Miami. Die angebliche Flexibilisierung der Politik des Präsidenten ist eine Farce. Die besten Beispiele dafür sind die Verschärfung der Blockade gegen Kuba – und der Umgang mit dem Fall der fünf Kubaner, die seit 1998 ungerechtfertigt in Gefängnissen der USA sitzen.

Wie viel Gestaltungsspielraum, denken Sie, hat der US-Präsident in der Kuba-Politik?

Er könnte die Grundlinie der Politik gegenüber unserem Land durchaus verändern. Aber der Regierung und den Menschen Kubas wird immer klarer, dass sich seine Politik der seines unsäglichen Vorgängers annähert. Obama repräsentiert die Interessen des nordamerikanischen Imperiums. Deswegen hat er keine Intention, die Politik gegenüber Kuba zu verändern. Damit in Zusammenhang steht auch der Fall der fünf Kubaner, die sich dieser Frontstellung zum Trotz in die USA begeben haben und später in politischen Prozessen verurteilt wurden. Wegen dieses Hintergrundes ist in Deutschland der Einsatz des Netzwerks Kuba und des Komitees Basta Ya sehr wichtig. Die Arbeit dieser Gruppen hilft dabei, die Medienblockade zu durchbrechen.

** Aus: Neues Deutschland, 12. September 2011


Zurück zur USA-Seite

Zur Kuba-Seite

Zurück zur Homepage