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Revision abgelehnt

USA: Supreme Court verwirft Antrag der Verteidigung der "Cuban 5". Rechtsmittel damit ausgeschöpft. Prozesse gegen drei der Verurteilten werden dennoch wiederholt

Von André Scheer *

Der Supreme Court, der oberste Gerichtshof der USA, hat am Montag einen Antrag der Verteidigung abgelehnt, den Fall der seit bald elf Jahren in US-amerikanischen Gefängnissen inhaftierten fünf Kubaner Fernando González, René González, Gerardo Hernández, Ramón Labañino und Antonio Guerrero zur Revision anzunehmen. Damit sind die Rechtsmittel der in Kuba als Helden verehrten Männer zunächst ausgeschöpft.

Die fünf hatten in den 90er Jahren exilkubanische Terrorgruppen in Florida unterwandert und geplante Anschläge gegen die Insel den kubanischen Behörden gemeldet. Durch ihre Tätigkeit konnten so offiziellen Angaben zufolge mehr als 170 Attentate verhindert werden. 1998 übergaben die kubanischen Behörden dann auf Vermittlung des Literaturnobelpreisträgers Gabriel García Márquez einer FBI-Delegation umfangreiches Material über das Treiben dieser Organisationen in Südflorida. Die US-Bundespolizei nutzte diese Dossiers jedoch nicht, um dem Terrorismus einen Riegel vorzuschieben, sondern machte sich auf die Suche nach den undichten Stellen. Am 12. September 1998 wurden zehn Mitglieder des kubanischen Agentennetzwerkes verhaftet. Während fünf von ihnen mit den Behörden »kooperierten« und im Gegenzug nur zu geringen Strafen wegen illegaler Agententätigkeit verurteilt wurden, steckten die Behörden die anderen fünf für 17 Monate in Isolationshaft und bastelten eine Anklage, die bis zur »Verschwörung zum Mord« reichte. Der Prozeß fand in einer von antikubanischen Organisationen Miamis aufgeheizten Stimmung statt, die eingeschüchterten Geschworenen sprachen die fünf Männer trotz fehlender Beweise schuldig. Die im Dezember 2001 verkündeten Urteile reichten von mehreren Jahrzehnten Haft bis zu mehr als zweimal lebenslänglich.

Am 4. Juni 2008 erklärte das Berufungsgericht in Atlanta die Urteile gegen Ramón Labañino, Antonio Guerrero und Fernando González für fehlerhaft und wies sie an das Gericht in Miami zurück. Die Verurteilung von Gerardo Hernández zu zweimal lebenslänglich plus 15 Jahren Haft sowie von René Gonzáles zu 15 Jahren Haft wurden jedoch bestätigt.

Deshalb kündigte der kubanische Parlamentspräsident Ricardo Alarcón nach Bekanntwerden der Entscheidung des Supreme Court am Montag gegenüber dem lateinamerikanischen Fernsehsender TeleSur an, daß die juristischen Auseinandersetzungen sich nun auf den bevorstehenden neuen Prozeß gegen drei der fünf Männer in Miami konzentrieren werden. Um die Verfahren gegen Gerardo Hernández und René Gonzáles neu aufzurollen, müßte die Verteidigung neue Beweise präsentieren, die eine Neubewertung notwendig machen.

Beobachter wie der Rechtsanwalt José Pertierra, der einst zu dem Anwaltsteam gehörte, das die Rückkehr des kleinen Jungen Elián zu seinem Vater nach Kuba durchsetzte, wiesen darauf hin, daß nun die Politik am Zuge sei. Gegenüber der britischen BBC sagte er, die Entscheidung des obersten Gerichtshofes mache die Notwendigkeit eines »Gefangenenaustauschs« zwischen Kuba und den USA deutlich. Dafür gäbe es bereits ein historisches Beispiel, sagte Pertierra. Im September 1979 hätten die USA vier Angehörige der Unabhängigkeitsbewegung Puerto Ricos freigelassen, und zehn Tage später kamen in Kuba vier US-Bürger auf freien Fuß, die auf der Insel inhaftiert waren.

Der kubanische Präsident Raúl Castro hatte die Möglichkeit eines Gefangenenaustausch bereits im vergangenen Dezember ins Gespräch gebracht, als er in Brasilien sichtlich ungehalten auf die Frage eines Journalisten nach der Situation der politischen Gefangenen in Kuba reagierte und sagte: »Schritt für Schritt. Wenn ihr diese Gefangenen, von denen du sprichst, haben wollt, dann könnt ihr sie haben. Wir schicken sie euch morgen mit ihren Familien und allem. Aber dann gebt uns unsere fünf Helden zurück, das wäre eine beiderseitige Geste.«

* Aus: junge Welt, 17. Juni 2009

> Weiterkämpfen für Gerechtigkeit

Stimmen zur Ablehnung der Revision der Urteile gegen die »Cuban 5«

Von Deisy Francis Mexidor, Havanna **

Bereits wenige Stunden nach der Ablehnung der Revision durch den Supreme Court verurteilte das kubanische Parlament in einer offiziellen Stellungnahme die »Willkür eines korrupten und verlogenen Systems«, das seine »schreckliche, verbissene Wut an unseren fünf Brüdern ausläßt«.

»Die Richter machten das, was ihnen die Obama-Administration vorgab«, so der Text der Deklaration weiter. Es sei unverständlich, daß angesichts der soliden Beweise, die von den Anwälten beim obersten Gericht eingereicht wurden, der Fall abgeleht wurde.

»Der Kampf muß sich vervielfachen, bis die nordamerikanische Regierung gezwungen ist, dieser monströsen Ungerechtigkeit ein Ende zu machen und Gerardo, Ramón, Antonio, Fernando und René die Freiheit wiederzugeben.«

Einer der »Cuban 5«, Gerardo Hernández, erklärte: »Vor dem Hintergrund der Erfahrung, die wir gemacht haben, überrascht mich die Entscheidungs des obersten Gerichtshofs nicht. Ich habe kein Vertrauen in das Justizsystem der Vereinigten Staaten. Es besteht nun kein Zweifel mehr, daß unser Fall von Anfang an ein politischer Fall war. Wir hatten nicht nur alle notwendigen Beweise, damit der Gerichtshof den Prozeß wiederaufnimmt. Wir zählten auch auf wachsende internationale Unterstützung, wie es die Briefe der ›Freunde des Gerichts‹ belegen. Ich wiederhole das, was ich vor einem Jahr, am 4. Juni 2008, schon gesagt habe: Solange es nur eine Person da draußen gibt, die weiter für uns kämpft, so lange werden auch wir hier drinnen weiterkämpfen – bis es Gerechtigkeit geben wird.«

Gegenüber junge Welt kommentierte Alicia Jrapko vom »Internationalen Komitee für die Freiheit der Fünf«, die Entscheidung wie folgt: »Wir haben zu keinem Zeitpunkt Hoffnungen ins US-amerikanische Justizsystem gelegt«, aber diese Entscheidung »wird sich für immer als einer der beschämendsten Tage der US-amerikanischen Rechtsprechung einprägen«.

Auch in anderen Ländern der Region sorgte die Entscheidung des Supreme Courts für Empörung. In Caracas rief Venezuelas Frauenministerin Maria León bei einer Kundgebung auf der Plaza José Martí dazu auf, die Solidarität mit den fünf Kubanern weiter zu verstärken: »All das, was in Venezuela und in aller Welt unternommen wurde, hat noch nicht gereicht«, stellte León fest und schlug als eine Aktionsform vor, den Strom von Briefen und Postkarten an die Gefangenen weiter zu verstärken, »bis er die Post der Vereinigten Staaten sprengt«.

** Aus: junge Welt, 17. Juni 2009




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