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Positive Kehrseite bei Bush als "schlechtester US-Präsident"

Von Andrej Fedjaschin *

Über 70 Prozent der Amerikaner bewerten heute die Politik des scheidenden US-Präsidenten George W. Bush negativ.

Lange würde man auch in Afrika, Asien und Lateinamerika nach Sympathisanten suchen.

Selbst die Schweizer und Schweizerinnen, denen persönlich Bush bei Gott nichts Böses angetan hat, mögen ihn zu 86 Prozent nicht. Das ist schon symptomatisch.

In der Tat: Im Unterschied zu den meisten anderen US-Präsidenten würde man im Fall Bush junior lange grübeln müssen, wenn man etwas Positives in seiner achtjährigen Amtszeit finden möchte. Seine Vorgänger dagegen boten im Endeffekt einen Mix von Erfolgen und Misserfolgen, Errungenschaften und Skandalen an. So gilt etwa Ronald Reagan als der sympathische Alte, der zwar mit Iran-Gate, Star-Wars-Plänen und Reaganomics recht viel Mist gebaut hat, zugleich aber den Kalten Krieg beendet und die Berliner Mauer zum Fall gebracht hat. Der eher blasse George Bush senior befreite immerhin Kuwait und unternahm seinen erfolgreichen „Sturm in der Wüste“. Mit Bill Clinton verbindet man einen beachtlichen Wachstum in der Wirtschaft, vor allem aber den Sex-Skandal mit Monica Lewinsky.

Bei George W. Bush würde aber jeder Mix seiner (Un-)Taten bitter ausfallen. Angefangen bei seinem äußerst zweifelhaften Wahlsieg 2000, die er nur mit den Stimmen der Wahlmänner gewann, während sein Gegner Al Gore 300 000 Wählerstimmen mehr bekam. Auf Bushs Amtszeit fallen der 11. September, der Krieg in Afghanistan, der Krieg im Irak, der Wirbelsturm Katrina, der dramatische Ölpreisanstieg und schließlich die kolossale Finanz- und Bankenkrise.

Noch kein US-Präsident hat bisher einen derartigen Popularitätsverlust erlebt wie Bush junior. Immerhin genoss er nach der Tragödie vom 11. September 2001 eine rund 90-prozentige Unterstützung der US-Bevölkerung. Gegen Ende seiner Amtszeit schneidet Bush jedoch bei 70 Prozent der US-Wählerinnen und Wähler negativ ab. 415 führende US-Historiker stuften ihn als „den schlechtesten Präsidenten der US-Geschichte“ ein.

Bushs Weg von 2000 bis 2008 wimmelt von Fehlern und Missgriffen in der Innen- und der Außenpolitik, von Kriegen, in denen die USA nicht siegen können, und Vertrauenskrisen. Seine Ideologie war selbst im Vergleich zu der von Reagan zu eindimensional. Als er das langsam zu begreifen begann, war es schon zu spät: Die Welt hat den Weg zur Multipolarität eingeschlagen. Russland ist in jeder Hinsicht „gewachsen“. Europa stimmt seinen Kurs immer weniger mit Washington ab. Asien schaut immer mehr auf China als auf die USA. Und mit seinem Antiterrorkampf hat Bush praktisch die gesamte islamische Welt zu seinem Feind gemacht.

Nicht gerade glücklich wirken die bisherigen Schritte der US-Administration zur Bekämpfung der Finanzkrise. Um es kurz zu fassen, handelt es sich dabei praktisch um eine „Verstaatlichung der Schulden“, der sicherlich eine „Privatisierung der Gewinne“ folgen wird.

Bei den Kriegen in Afghanistan und im Irak hat Amerika eindeutig über seine Verhältnisse gelebt. Diese Abenteuer sind wesentlich teurer als der Korea- und der Vietnam-Krieg oder der „Sturm in der Wüste“. Nach dem Stand vom Ende des Finanzjahres 2007 kosteten der Irak und Afghanistan den Steuerzahlern 605 Milliarden US-Dollar.

Nicht verwunderlich auch, dass die Staatsschulden Amerikas gegen Ende von Bushs Amtszeit voraussichtlich bei 9,5 Billionen US-Dollar liegen werden gegenüber 5,7 Billionen im Jahr 2001. Während das BIP in den USA zu Beginn seiner Präsidentschaft um 4,09 Prozent im Jahr wuchs, so ging dieses Wachstum im vergangenen Jahr auf 2,65 Prozent zurück. Den USA droht heute eine Rezession. Die US-Bürger werden noch lange auslöffeln müssen, was Präsident George W. Bush ihnen eingebrockt hat.

Nicht zuletzt wegen dieser Schuldenlast musste US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama versprechen, dass die USA im Falle seiner Wahl mit dem Truppenabzug aus dem Irak beginnen und diesen innerhalb von 16 Monaten abschließen werden, während im Irak selbst nur „ein gewisses Truppenkontingent“ zurückgelassen wird. Nach Afghanistan sollen gleichzeitig mehrere US-Brigaden verlegt werden, die den Krieg gegen Al Kaida energischer führen und umso rascher beenden sollen.

Indes verweisen seriöse Experten darauf, dass eine Verringerung des US-Kontingents im Irak zwangsläufig zu einem Bürgerkrieg in diesem Land führen würde, der mehrere Nachbarländer erfassen könnte. In Afghanistan sieht alles noch finsterer aus. Von dem, was Bush stets behauptet hat - Afghanistan und der Irak haben den Weg zu Demokratie, Freiheit und Stabilität eingeschlagen - sind diese Länder nach wie vor unendlich weit entfernt.

In einem geheimen Brief an das britische Außenministerium, den der britische Botschafter in Afghanistan, Sir Sherard Cowper-Coles geschrieben hat und der Anfang Oktober in eine französische Zeitung gelangte, hieß es: Die Situation in Afghanistan verschlechtert sich, das dortige Regime ist von oben bis unten in Korruption versunken, die Situation könnte nur ein „akzeptabler Diktator“ retten.

Zugleich sollten die Behauptungen so mancher Hitzköpfe, Amerika werde nun seine Rolle als die globale Finanz- und Wirtschaftssupermacht einbüßen, mit großer Skepsis aufgenommen werden. Das wird nicht geschehen. Und außerdem ist die Kehrseite des insgesamt negativen Fazits von Bushs Amtszeit durchaus positiv: In der Welt entsteht eine neue Multipolarität, und der „Markt-Fundamentalismus“ ist zusammengebrochen. Allerdings wird dafür ein zu hoher Preis gezahlt.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Aus: Russische Nachrichtenagnetur RIA Novosti, 31. Oktober 2008; http://de.rian.ru



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