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Obama droht

Nach Schönwettergesten gegenüber dem Iran kehrt der US-Präsident zu seiner alten Kriegsrhetorik zurück

Von Knut Mellenthin *

US-Präsident Barack Obama hat daran erinnert, daß seine Kriegsdrohungen gegen Iran – er spricht vernebelnd von der »militärischen Option« – nach wie vor aktuell sei. Das war im allgemeinen Optimismus der vergangenen Woche, die unter anderem das erste direkte Gespräch zwischen den Staatsoberhäuptern der USA und Irans seit 36 Jahren gebracht hatte, etwas untergegangen. Obama erneuerte seine Kampfansage an das iranische Volk, als er am Montag (30. Sept.) nach einem Treffen mit dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu vor die Presse trat. Netanjahu, der am Dienstag nachmittag (Ortszeit) zur Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York sprechen wollte, »um der Welt die Wahrheit zu sagen«, wirkte im Vergleich zum US-Präsidenten fast zurückhaltend. Sein Kommentar auf der Pressekonferenz im Weißen Haus beschränkte sich auf Danksagungen an Obama und den Appell, Iran noch stärker unter Druck zu setzen.

Viele iranische Medien hatten in der vorigen Woche demonstrativ hoffnungsvoll auf Obamas Worte reagiert, daß seine Regierung Irans Recht auf friedliche Nutzung der Atomenergie anerkenne. Ihnen erschien es offenbar so, als wäre damit der härteste Streitpunkt schon aus dem Weg geräumt und als stünde die Aufhebung aller Sanktionen kurz bevor. Die Sicherheitsberaterin des Präsidenten, Susan Rice, stellte jedoch schon am Sonntag in einem CNN-Interview klar, daß diese »Anerkennung« rein theoretischer und somit praktisch folgenloser Natur ist und sich keinesfalls auf die Anreicherung von Uran bezieht.

Die iranische Regierung bekräftigte demgegenüber ihren Standpunkt, daß die Anreicherung unter allen Umständen fortgesetzt wird und nicht verhandelbar sei. Über alles andere – »die Rahmenumstände, den Grad, die Menge, die Form und die Orte der Anreicherung« – könne gesprochen werden, formulierte es Sejed Abbas Araqchi, einer der stellvertretenden Außenminister, am Sonnabend gegenüber einem staatlichen iranischen Fernsehsender. Die US-Regierung fordert, daß Iran seine gesamte Urananreicherung, auch die schwache auf lediglich 3,5 Prozent zur Produktion von Reaktorbrennstoff, einstellen soll. Sie kann sich dabei auf mehrere von Rußland und China mitgetragene Resolutionen des UN-Sicherheitsrats stützen.

In Teheran hat das Telefongespräch, das Präsident Hassan Rohani am Freitag mit Obama führte, neben teilweise euphorischen Kommentaren auch Kritik hervorgerufen. Der Chef der Revolutionsgarden, General Mohammad Ali Jafari, erklärte gegenüber der konservativen Webseite Tasnimnews.com, Rohani hätte die Annahme des Anrufs ablehnen und zunächst »konkrete Handlungen« der USA abwarten sollen. Die Regierung habe einen »taktischen Fehler« begangen, der aber »reparierbar« sei. Die Revolutionsgarden würden auch künftig »die notwendigen Warnungen« abgeben, wenn sie solche »Fehler« bemerken. Vor einigen Tagen hatten sowohl Rohani als auch der Oberste Revolutionsführer Ali Khamenei die Garden aufgefordert, sich aus der Politik herauszuhalten.

Außenminister Jawad Sarif unternahm indessen am Sonntag einen Versuch, den Kritikern entgegenzukommen. In einem Interview mit dem US-Sender ABC sprach er vom tiefen Mißtrauen vieler Iraner gegen die Politik der USA. Er erwähnte in diesem Zusammenhang die irakischen Giftgaseinsätze während des von Saddam Hussein begonnenen Angriffskriegs in den 1980er Jahren. Die US-Regierung, die zu jener Zeit enge Beziehungen zum irakischen Regime unterhielt, hatte damals versucht, die Einsätze dem Iran anzulasten. »Das sind Tatsachen, die frisch in den Köpfen der Iraner sind«, sagte Sarif. »Wir haben den Willen, Flexibilität zu zeigen, aber nicht, zu vergessen. Vielleicht können wir vergeben, wie Präsident Mandela einmal sagte.«

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 2. Oktober 2013


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