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Gefangen, ausgeflogen, gefoltert

Kontinuität der Gesetzlosigkeit: US-Regierung verteidigt auch unter Präsident Obama Mißhandlungen

Von Alexander Bahar *

Versprochen hatte Barack Obama im Wahlkampf, die ungesetzliche und menschenverachtende »Antiterrorpolitik« der Bush-Aministration zu beenden. Nun stand seine Glaubwürdigkeit diesbezüglich erstmals auf dem Prüfstand: Ein vom neuen Justizminister Eric Holder entsandter Bundesanwalt legte Anfang der Woche vor dem mit drei Richtern besetzten 9. US-Berufungsgericht in San Francisco den Rechtsstandpunkt der Regierung des neuen Präsidenten dar. In dem Fall ging es um schwerwiegende Anschuldigungen von Folter, die fünf Opfer des sogenannten Rendition-Programms der Bush-Regierung (Überstellung ins Ausland und Folter von Gefangenen, d. Red.) vorgebracht hatten. Die fünf waren nach ihrer Gefangennahme außer Landes in Einrichtungen verbracht worden, die dafür bekannt sind, daß dort Inhaftierte gefoltert werden. Sie waren dann unter Folter verhört und ohne Anklage zum Teil jahrelang festgehalten worden.

Unglaublich, aber wahr: Obamas Bundesanwalt verkündete, die neue Regierung werde in diesen Fällen dieselbe Position wie George W. Bush und dessen Juristen im Justizministerium einnehmen. »Es war, als habe die Inauguration vom vergangenen Monat nie stattgefunden«, kommentierte die New York Times (11.2.). »Die Wähler haben guten Grund, sich von Mr. Obamas Wahlkampagne betrogen zu fühlen«, folgerte die Zeitung. Selbst die Richter im Gerichtssaal hätten sich erstaunt gezeigt über die Entscheidung der neuen Regierung, unbeirrt im Stil der Vorgängerregierung fortzufahren.

Der Prozeß vor dem Berufungsgericht in San Francisco war nicht gegen die CIA und die Regierung, sondern gegen einen sogenannten civil contractor, ein privates Militärunternehmen, angestrengt worden. Jeppesen DataPlan, eine Tochterfirma von Boeing, hatte geheime Überstellungsflüge für die CIA organisiert – und davon profitiert. Die Gesellschaft transportierte die Entführten in angeblich privaten Flugzeugen zu den black sites, geheimen Gefängnissen und Folterkammern rund um den Globus. Den Gefangenen wurden beim Transport Kapuzen über den Kopf gezogen, sie wurden gefesselt und oft unter Drogen gesetzt.

Beim Versuch in der Vergangenheit, einen Prozeß gegen Jeppesen DataPlan anzustrengen, hatte – obwohl nicht angeklagt – Bushs Justizministerium interveniert und sich auf den Schutz von Staatsgeheimnissen berufen. Jede weitere Verhandlung des Falls gefährde die nationale Sicherheit, lautete die Behauptung, der sich eine untere Gerichtsinstanz im vergangenen Jahr anschloß. Nunmehr versuchten die Anwälte der fünf entführten Männer in der Anhörung vor dem 9. US-Berufungsgericht, die Wiederaufnahme des Falls zu erreichen. Diesmal allerdings intervenierte der Vertreter der Obama-Regierung und verlangte aus den gleichen Gründen wie zuvor die Bush-Administration die Niederschlagung des Falles.

Ben Wizner, ein Anwalt der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU), der die Kläger vertritt, verurteilte dieses Vorgehen: »Dies war eine Gelegenheit für die neue Regierung, ihre Verurteilung von Folter und Überstellungen glaubhaft zu machen, aber statt dessen hat sie sich entschieden, den alten Kurs beizubehalten.« Dabei ist die Behauptung, der Fortgang des Prozesses gefährde die nationale Sicherheit, offenkundig absurd. Die Praxis der »außerordentlichen Überstellungen« ist seit langem bekannt und wurde sogar ganz offiziell von Vertretern der US-Regierung eingeräumt und verteidigt. Dennoch unterdrückt auch die neue Regierung alle Versuche, diese Verbrechen juristisch aufzuarbeiten. Offensichtlich sollen die dafür Verantwortlichen geschützt und zugleich soll verhindert werden, daß neue Beweise für das kriminelle Verhalten staatlicher Stellen bekannt werden.

* Aus: junge Welt, 14. Februar 2009


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