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Gefährdet ein Journalist die USA?

Kritischer Reporter im Flugzeug: US-Behörden erteilten Überflugverbot / Hernando Calvo Ospina ist Buchautor und Journalist, u.a. für die Wochenzeitung "Le Monde diplomatique" *


ND (Neues Deutschland): Vor wenigen Tagen waren Sie an Bord einer Air-France-Maschine von Paris nach Mexiko-Stadt, als es zu einem Zwischenfall kam.

Ospina: Es war am 19. April, einem Samstag. Etwa fünf Stunden vor unserer Ankunft in Mexiko-Stadt kam eine Durchsage aus dem Cockpit: Die US-Behörden hätten uns untersagt, den US-Luftraum zu benutzen. An Bord befinde sich eine Person, von der nach Ansicht der US-Behörden eine Gefahr für die nationale Sicherheit der USA ausgehe.

Diese Person waren Sie.

Das wussten wir zunächst aber nicht. Einige Minuten später wurden wir über eine Zwischenlandung in Fort de France auf Martinique, also auf französischem Territorium, informiert. Wir mussten dort auftanken. Wir waren müde und deswegen ungehalten. Aber natürlich gingen auch die Mutmaßungen los. Es müsse ein »Terrorist« an Bord sein, hieß es. Ich saß im hinteren Teil der Kabine. Zwei Mitreisende waren der Meinung, dass der Verursacher der Sicherheitsbedenken nicht unter uns sein könne. Schließlich sah niemand von uns arabisch aus.

Wer sorgte für Aufklärung?

Als wir weiterflogen, kam der Kopilot zu mir. Er fragte mich diskret nach meinem Namen. Der Kapitän wolle sich ausruhen, sagte er, deswegen sei er gekommen. Wir gingen in den hinteren Teil des Fliegers. Als er mir offenbarte, dass ich »verantwortlich« sei, war ich verblüfft. Ich fragte ihn sofort, ob er mich für einen Terroristen halte. Er schüttelte den Kopf und die Sache schien ihm ehrlich Leid zu tun. Nach dem kurzen Gespräch bat er mich, wieder Platz zu nehmen und mit niemandem zu sprechen. Dazu hatte ich auch nicht die geringste Lust.

Wussten Sie, dass Ihr Name auf einer schwarzen Liste der US-Behörden steht?

Nein. Und wenn eine solche Liste existiert, dann sollte sie auch nur die Namen anerkannter Krimineller enthalten.

Wie kann die Flugreise eines Journalisten die nationale Sicherheit der USA gefährden?

Was für ein Unsinn, nicht wahr? Allein der Gedanke ist so lächerlich, dass es dem Kopiloten sichtbar unangenehm war, mir die Situation zu erklären. Eine Stewardess sagte mir später, ihr sei so etwas in elf Jahren in ihrem Beruf nicht widerfahren.

Hatten Sie in der Vergangenheit Probleme mit den US-Behörden?

Ich habe viel über die Geheimdienste dieses Landes geschrieben, ebenso über gewaltbereite Gruppen des kubanischen Exils und die antikubanische Leitung des Bacardí-Konzerns. Ich konnte mir denken, dass diese Arbeit eines Tages Probleme verursachen könnte.

Nach dem jüngsten Zwischenfall prüft Air France rechtliche Schritte gegen die US-Behörden. Sie auch?

Ich weiß nicht, ob ich diese Möglichkeit habe, denn so eine Klage kostet viel Geld. Aber ich sollte es tun, weil mein Name in Verruf gebracht wurde. Ich bin doch kein Terrorist!

Der Zwischenfall ereignete sich wenige Tage vor dem 100. Amtstag des neuen US-Präsidenten Barack Obama. Denken sie trotzdem, dass sich die USA unter seiner Führung ändern?

Das hoffe ich, aber ich bin wenig zuversichtlich. Denn die US-Geheimdienste haben seit dem 11. September 2001 als Teil der US-Militärmaschinerie eine ungeheure Macht bekommen.

Fragen: Harald Neuber

* Aus: Neues Deutschland, 2. Mai 2009


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