Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Das ist langsamer Tod durch Isolationshaft"

Gespräch mit Robert R. Bryan. Über den Schußwechsel am 26. Juni 1975 in der Pine-Ridge-Reservation, die Anklage gegen Leonard Peltier und den Kampf um seine Befreiung *


Robert R. Bryan ist Rechtsanwalt in San Francisco. Anfang April übernahm er das Mandat als neuer Hauptverteidiger des seit 35 Jahren in den USA inhaftierten indigenen Aktivisten Leonard Peltier.

Am 26. Juni jähren sich die Ereignisse von 1975, für die Leonard Peltier, Angehöriger des Stammes der Lakota und Aktivist des American Indian Movement, zu zweimal lebenslanger Haft verurteilt wurde. Er verbüßt die Strafe in US-Hochsicherheitsgefängnissen. Im Vorgespräch zu diesem Interview erklärte Robert R. Bryan: »Leonards Bitte, seine Verteidigung zu übernehmen, erreichte mich über mein Büro per E-Mail, als ich gerade in Berlin auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz 2011 über Menschenrechtsfragen sprach. Sofort nach meiner Rückkehr in die USA folgte ich seiner Einladung, besuchte ihn im Gefängnis und übernahm das Mandat.«

Rechtsanwalt Bryan will dafür sorgen, daß der heute 66jährige Aktivist, den die Haft sehr krank gemacht hat, seine Freiheit zurückerlangt.


Leonard Peltier ist seit 35 Jahren in Haft. Wie erklären Sie jungen Menschen, wer Ihr Mandant ist?

Leonard Peltier ist der bekannteste Anführer des 1968 gegründeten American Indian Movement/AIM. Er gehört zum Stamm der Lakota und wuchs in der Tur­tle-Mountain-Reservation in North Dakota auf. Geboren wurde er am 12. September 1944. Schon als Jugendlicher nahm er Ende der 1950er Jahre an Aktivitäten der traditionalistischen nordamerikanischen Indianer teil. In den 1970er Jahren beteiligte er sich an Aktionen und Besetzungen, mit denen AIM auf die bedrückende Lage der amerikanischen Ureinwohner aufmerksam machen wollte.

Was geschah im entscheidenden Jahr 1975?

Seit in den 1950er Jahren Uranvorkommen in der Pine-Ridge-Reservation in South Dakota entdeckt worden waren, versuchten die US-Behörden, die dort lebenden Lakota von ihrem Land zu vertreiben. Obwohl es einen 1868 geschlossenen Vertrag gibt, daß den Lakota das Land gehört. Aufgrund dieser Auseinandersetzungen herrschten dort in den 1970er Jahren bürgerkriegsähnliche Zustände.

Mein Mandant gehörte zu Aktivisten des AIM, die einem Ruf der Stammes­ältesten der Pine-Ridge-Reservation gefolgt waren. Die Elders der Oglala, eines Stamms der Lakota, hatten AIM aufgefordert, ihnen gegen den Terror beizustehen, dem die Traditionalisten des Stammes ausgesetzt waren. Zu diesem Zeitpunkt waren schon 60 Stammesmitglieder ermordet worden. Auch wenn das FBI mit seinem Aufstandsbekämpfungsprogramm Counter Intelligence Program hinter der gegen AIM gerichteten Politik stand, war vor allem eine paramilitärische Gruppe vor Ort für zahlreiche Terrorakte verantwortlich, die Guardians of the Oglala Nation (deutsch: Wächter der Oglala-Nation – d.Red.), abgekürzt GOON. Der von 1972 bis 1976 amtierende korrupte Reservatsvorstand Richard A. »Dick« Wilson hatte in dieser Truppe, die als »Goons« (Slang für Schlägertypen – d.Red.) beschimpft wurde, nicht traditionelle Oglala und Weiße zusammengeschlossen. Er hatte damit eine Hausmacht gegen die Traditionalisten aufgebaut, die sich nicht dem US-System mit seinen euro-amerikanischen Werten anpassen wollten. Sie wollten einen eigenen Weg gehen, ihren Jahrhunderte zurückreichenden kulturellen Wurzeln entsprechend.

Dann kam der 26. Juni 1975 ...

An diesem Tag wurde der AIM-Aktivist Joe Stuntz erschossen, nachdem die beiden FBI-Agenten Jack R. Coler und Ronald A. Williams mit zwei Einsatzwagen in das Farmgelände einer Familie der Reservation eingedrungen waren. Bei dieser Oglala-Familie waren Leonard Peltier und andere AIM-Aktivisten als Gäste untergebracht. Angeblich hatten die FBI-Agenten den Auftrag, den Haftbefehl gegen einen Bewohner wegen eines gestohlenen Paars Stiefel zu vollstrecken. Es kam zu einem stundenlangen Schußwechsel. Später wurden die Leichen der beiden Agenten gefunden.

War Ihr Mandant in diese Auseinandersetzung verwickelt?

Er war dort, aber er hat die beiden Agenten nicht erschossen. Am späten Nachmittag dieses 26. Juni gelang den jungen AIM-Aktivisten die Flucht aus der Reservation, obwohl das Gelände von lokaler Polizei, FBI und Nationalgarde umstellt war.

Wurde Anklage gegen Verdächtige erhoben?

Die Staatsanwaltschaft klagte vier Aktivisten wegen Mordes an den FBI-Agenten an: Jimmy Eagle, Darelle »Dino« Butler, Bob Robideau und Leonard Peltier. Der 19jährige Jimmy Eagle wurde als erster angeklagt. Ich habe ihn damals anwaltlich vertreten und erreicht, daß die Anklage niedergeschlagen und er freigelassen wurde. Etwas später fand auch der Prozeß gegen Dino Butler und Bob Robideau vor dem US-Bezirksgericht in Cedar Rapids, Iowa, statt. Ihre Verteidigungslinie war, das FBI führe Krieg gegen die nordamerikanischen Indianer. Die Jury befand sie für »nicht schuldig« und sprach sie von allen Anklagepunkten frei, obwohl beide während der Schießerei vor Ort waren.

Und die Anklage gegen Ihren Mandanten?

Leonard Peltier wurde im Frühjahr 1976 in Westkanada von der kanadischen Bundespolizei Royal Canadian Mounted Police verhaftet. Er wehrte sich juristisch gegen seine Auslieferung, wurde aber am 16. Dezember 1976 an die USA überstellt, nachdem das FBI die gefälschte Aussage einer angeblichen Tatzeugin vorgelegt hatte. Es hatte nichts geholfen, daß Leonards Verteidigung das FBI vor dem kanadischen Gericht beschuldigte, Krieg gegen die Traditionalisten geführt zu haben und für den Tod von 60 Reservationsbewohnern verantwortlich zu sein.

Wie lief das Gerichtsverfahren gegen Ihren Mandanten?

Der Prozeß begann in Fargo, North Dakota, am 15. März 1977, und schon einen Monat später, am 18. April, wurde Leonard schuldig gesprochen. Am 2. Juni 1977 wurde er nach Bundesgesetz zu zweimal lebenslanger Haft – nacheinander zu vollstrecken – verurteilt. 1985, als er bereits fast zehn Jahre saß, gab einer der Staatsanwälte zu: »Wir wußten tatsächlich nicht, wer die beiden Agenten erschoß.«

Hätte er auch zum Tode verurteilt werden können?

Die Todesstrafe war von 1972 bis 1976 vom Obersten Gerichtshof der USA ausgesetzt worden, weil ihre Durchführung einen Verstoß gegen die Verfassung darstellte. Erst nach 1976 änderten die einzelnen US-Bundesstaaten ihre Gesetzgebung gemäß den Vorgaben des höchsten US-Gerichts, so daß die Todesstrafe in den meisten Bundesstaaten nach und nach wieder eingeführt wurde. Leonards Glück war also, daß die Todesstrafe rechtlich auf die ihm vorgeworfene Tat nicht anwendbar war. Er wurde deshalb zu einer Zeitstrafe verurteilt, die sicherstellen sollte, daß er niemals wieder freikäme. Rechnet man seine Haft in Kanada ein, ist er jetzt schon 35 Jahre eingesperrt. Das ist der langsame Tod durch Isolationshaft. Er ist krank, und sein körperlicher Verfall schreitet unter diesen Haftbedingungen rasch voran.

In welchem Gefängnis ist er jetzt?

Er war immer in Bundesgefängnissen mit hoher Sicherheitsstufe eingesperrt. Zunächst im Marion Prison nahe dem Ort Marion in Illinois, einem Isolationsmodellgefängnis für politische Gefangene, dann in Leavenworth, Kansas und jetzt im US-Hochsicherheitsgefängnis von Lewisburg im Nordosten Pennsylvanias.

Am 28. Juli 2009 hatte Leonard Peltier zum ersten Mal seit 1993 wieder die Chance, von der Bewährungskommission angehört zu werden. Was kam dabei heraus?

Die Kommission lehnte seine Freilassung zur Bewährung ab, weil er keine Reue gezeigt habe. Er hatte aber erklärt, er könne keine Reue für etwas zeigen, das er nicht begangen habe. Die gute Nachricht ist, daß es ein Entlassungsdatum für ihn gibt. Die schlechte: Es ist 2041! Dann wird er 97 Jahre alt sein.

Vorher soll es keine Anhörung mehr vor der Bewährungskommission geben?

Doch, im Jahr 2024. Aber das berührt genau die Fragen, an denen ich als sein neuer Hauptverteidiger jetzt arbeite. Es geht um Aspekte des Falles, um die sich 35 Jahre lang niemand gekümmert hat. Leonard hat mich gebeten, sein Hauptverteidiger zu werden, weil ich schon einige AIM-Angeklagte vertreten habe und weil er weiß, daß ich in über 200 Mordfällen erfolgreich verteidigt und die Todesstrafe verhindert habe. Bei Leonard geht es zwar aus den genannten Gründen nicht um die Todesstrafe, aber sein Fall ist trotzdem eine Ausnahme, genauso wie er typisch ist für Todesstrafenverfahren. Wir werden uns vor allem auf die Untersuchung der unglaublichen Menschenrechtsverletzungen konzentrieren.

Was heißt das konkret?

Unsere Arbeit gliedert sich in drei große Bereiche: Erstens werden wir vor dem zuständigen US-Bezirksgericht und vor den Bundesgerichten klagen. Wir werden Berufung gegen die 2009 abgelehnte Freilassung auf Bewährung einlegen. Das wird sehr schwierig, aber wir werden es versuchen. In Leonards Fall wurde gegen die Mindestgarantien der Erklärung der Menschenrechte verstoßen, unter anderem durch die lange Isolationshaft. Grundsätzlich geht es darum, Leonard freizubekommen. Er will nicht im Gefängnis sterben wie ein Tier im Käfig. Er will die ihm verbleibenden Jahre in Freiheit verbringen. Am 12. September wird er 67 Jahre alt.

Was ist der zweite Bereich, an dem Sie arbeiten?

Hier geht es darum, den Staat per Klage zumindest dazu zu bringen, daß mein Mandant seine Reststrafe im Hausarrest auf der Reservation seines Stammes in North Dakota verbringen kann. Es wäre rechtlich möglich, ihn dort im Haus seiner Familie unter Hausarrest zu stellen. Dann würde er auch endlich die notwendige medizinische Versorgung und Pflege erhalten, die ihm im US-Gefängnissystem vorenthalten wird.

Und der dritte Bereich?

Was diesen Bereich betrifft, kann ich jetzt aus nachvollziehbaren Gründen nicht ins Detail gehen. Bestimmte staatliche Stellen sollen nicht zu früh Einblick in unsere Strategie bekommen. Es geht hierbei um eine gründliche Neuuntersuchung. Das ist im US-Rechtssystem sehr kostspielig und wurde deshalb bislang nicht in Angriff genommen. Ich werde den Fall jedenfalls aus einer Perspektive beleuchten, wie es in den letzten 35 Jahren längst hätte geschehen müssen. Mein Ausgangspunkt ist folgender: Seit ich Jimmy Eagle damals gegen den Vorwurf verteidigt habe, die beiden FBI-Agenten getötet zu haben, weiß ich durch gesicherte Aussagen mehrerer unmittelbar Beteiligter der Schießerei, daß Leonard Peltier unschuldig ist. Der Staat hat damals weder die Verurteilung gegen Eagle noch Butler oder Robideau durchsetzen können, also mußte Leonard als Sündenbock für den Tod der beiden Agenten herhalten. Da ich eindeutig weiß, daß er es nicht getan hat, werden wir den Fall jetzt entsprechend neu aufrollen.

Kommt die öffentliche Unterstützung für Ihre Arbeit in Gang?

Wenn ich heute mit Leuten spreche, fällt vielen sofort wieder ein, wer Leonard Peltier ist, sie erinnern sich aber auch an mich und meine früheren Fälle bis in die 1970er Jahre zurück. Indem wir jetzt mit neuem Elan und neuen Initiativen an die Öffentlichkeit gehen, gibt es für viele wieder einen aktuellen Anknüpfungspunkt. Dadurch wächst uns im Moment tagtäglich neue Unterstützung zu.

Vor Jahren umfaßte diese weltweite Solidaritätsbewegung Millionen von Menschen in vielen Ländern. Auch viele Prominente gehörten dazu, darunter Nelson Mandela, Marlon Brando und Harry Belafonte. Ist davon heute noch etwas zu spüren?

Wir machen positive und negative Erfahrungen. Es gibt »Leonard Peltier Defense/Offense Committees« nicht nur in den USA, sondern auch in Australien und in Europa, in Frankreich, Deutschland und vor allem in Skandinavien. Während meines Berlinbesuches habe ich zum Beispiel mit Leuten in Oslo, Norwegen, telefoniert, die gerade ein Solidaritätskonzert für Leonard veranstalteten. Es gibt nach wie vor ein internationales Netzwerk von Solidaritätskomitees, außerdem zahlreiche AIM-Gruppen in den USA. Das ist sehr ermutigend. Negativ ist, daß Leonard Peltier außerhalb dieser Zusammenhänge bei vielen Leuten vom Radarschirm verschwunden ist. Es ist eben verdammt viel Zeit vergangen seit 1975.

Welche konkrete Unterstützung erhalten Sie aus Europa?

Ich bin nach Paris und Berlin gekommen, um diese Solidaritätsarbeit wieder anzukurbeln. In Paris traf ich mit einem Senatsmitglied und dem stellvertretenden Bürgermeister zusammen. Diese Politiker waren nach den zwölf oder 14 Jahren, die sie nichts von Leonard gehört hatten, in dem Glauben, er sei tot. Natürlich waren sie positiv überrascht zu hören, daß er noch lebt, und sie wollen sich wieder für ihn einsetzen. Ich habe auch mit dem Vertreter eines Komitees gesprochen, der bereits früher in den USA für Leonard aktiv war. Es ist der prominente Schauspieler George Aguilar, der selbst indigener Herkunft ist und heute in Paris lebt. Am 12. Juni haben wir zusammen auf dem Kongreß der französischen Menschenrechtsliga in Reims gesprochen. George Aguilar geißelte dort den Völkermord an den amerikanischen Ureinwohnern. Zu unserer Delegation gehörten außerdem Nicole Gibier, Sprecherin des internationalen Verbindungsbüros der Verteidigung, und die Soziologin Elsa da Silva, die gerade von einem Besuch der Pine-Ridge-­Reservation zurückgekehrt war.

Und in Deutschland?

In Berlin bin ich außer mit Aktivisten der Solidaritätsbewegung mit Mitgliedern des Menschenrechtsausschusses des Deutschen Bundestages zusammengetroffen, die verschiedenen Parteien angehören. Also nicht mit den Menschenrechtlern der Partei Die Linke, mit denen wir sowieso zusammenarbeiten, sondern Vertretern der Parteien der »Mitte«. Sie reagierten zunächst erstaunt, weil sie von Leonard lange nichts oder noch nie von ihm gehört hatten. Sie waren aber ehrlich interessiert und wollen uns unterstützen. Ebenso die Menschenrechtsanwälte, mit denen wir in Berlin sprachen, und Organisationen, die sich gezielt für indigene Völker einsetzen.

Nach vorsichtigen Schätzungen leben in 70 Staaten etwa 5000 indigene Völker mit etwa 400 Millionen Menschen. Sie begreifen sich als Hüter der kulturellen Vielfalt unseres Planeten und melden sich immer wieder vor den Vereinten Nationen gegen ihre Unterdrückung und Vernichtung zu Wort. Aus dem Kreis dieser Völker gab es auch Unterstützung für Leonard Peltier. Im Jahr 2000 besuchte ihn die guatemaltekische Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú in ihrer Eigenschaft als UNESCO-Sonderbotschafterin für die Rechte der indigenen Völker. Wie sieht es heute mit Unterstützung aus diesem Bereich aus?

Das bringt mich zu dem Punkt, der meinem Mandanten vor allem wichtig ist. Er sagt, es gehe nicht nur um ihn, sein Fall sei exemplarisch für die Lage der indigenen Völker weltweit. Der Kampf um seine Freiheit sei Teil des Kampfes um die Rechte aller indigenen Völker, egal ob in Nord- und Südamerika, in Afrika oder Asien. Die US-Regierung will Leonard lebendig in seiner Gefängniszelle begraben, in der Hoffnung, daß er völlig aus dem öffentlichen Bewußtsein verschwindet und damit auch die Menschenrechtsverletzungen, denen die Ureinwohner der USA immer noch ausgesetzt sind. Indigene Völker sollen nur noch als etwas der Vergangenheit Angehörendes angesehen werden. Leonard Peltier hingegen will, daß er die letzten 35 Jahre nicht vergebens im Gefängnis verbracht hat, sondern daß die Menschen rund um den Globus an seiner Situation begreifen, wie ernst die Lage der indigenen Völker heute ist. Die vielen E-Mails, die wir jetzt über die sozialen Netzwerke von überall auf der Welt erhalten, zeigen uns, daß seine Hoffnung berechtigt ist. Wir wollen diese neue Kampagne anstoßen, um ihn endlich freizubekommen!

Im Internet findet man den Slogan »Nobody is free until Leonard Peltier is free – Niemand ist frei, solange Leonard Peltier nicht frei ist!« Was ist denn die beste Unterstützung für Ihren Mandanten?

Wer etwas tun will, sollte sich im Internet unter dem Suchbegriff »Leonard-Peltier-Legal-Defense« bei den sozialen Netzwerken umsehen, was gerade im Gange ist. Dort ist auch ein gutes Video über indigene Völker zu finden und der »American Indian Movement Song«.

Zu den konkreten Schritten ist zu sagen: Indem Leonard schon vor Jahren vom Radarschirm des öffentlichen Interesses verschwunden ist, flossen kaum noch Spenden. Die Verteidigung braucht jetzt dringend finanzielle Unterstützung, um die anvisierten Ziele zu erreichen. Die indianischen Gemeinden in den USA verfügen über keinerlei Ressourcen, dort herrscht große Armut. Der Staat hat hingegen alle Mittel zur Verfügung, um Menschen wie Leonard Peltier den Stiefel ins Genick zu setzen.

Politisch ist das Herstellen von Öffentlichkeit und internationalem Druck ganz entscheidend für diese Kampagne. Egal, was wir vom Verteidigungsteam auch in Angriff nehmen, es braucht einen internationalen Aufschrei, daß Leonard sofort freigelassen werden muß.

Spielt Barack Obama eine Rolle in Ihren Überlegungen?

Anders als in den acht finsteren Jahren unter George W. Bush, in denen sich nichts bewegte, nimmt die Obama-Regierung internationale Kritik und Befindlichkeiten wahr. US-Präsident Barack Obama könnte Leonard Peltier jederzeit begnadigen, weil er nach Bundesgesetz verurteilt wurde und nicht nach dem Landesrecht eines US-Bundesstaates. Als Bill Clinton 2001 seine Amtszeit beendete, hatten viele gehofft, er würde Leonard Peltier begnadigen, aber Clinton hielt dem Druck der FBI-Lobby nicht stand, weil er selbst mit der Lewinsky-Affäre belastet war. Eigentlich hatte das Weiße Haus damals klare Signale ausgesandt, daß Leonard freikäme. Leider war dem nicht so. Deswegen müssen wir den Druck neu erzeugen und verschärfen. Es muß der Regierung peinlich werden, immer wieder mit der Nase darauf gestoßen zu werden, daß da jemand im Gefängnis sitzt, der ein Symbol für die Unterdrückung der Ureinwohner ist. Aus diesem Grund werden wir bald weltweit eine Petition verbreiten, die Obama auffordert, Leonard Peltier umgehend zu begnadigen.

Glauben Sie, daß eine ähnlich breite Kampagne wie für Nelson Mandela, den das südafrikanische Apartheidsregime auch Jahrzehnte nicht freilassen wollte, Ihrem Mandanten die Freiheit bringen könnte?

Ja, die bisherige Resonanz in den USA und in Europa ist ein guter Anfang. Ein Mitglied des Menschenrechtsausschusses des deutschen Bundestages will meinen Mandanten in Lewisburg besuchen. Der Präsident der französischen Menschenrechtsliga will etwas tun. In den Vereinten Nationen ist einiges in Bewegung, weil Leonard Peltier den Kampf um die Rechte der indigenen Völker symbolisiert. Unser Minimalkonsens ist: Nach 35 Jahren muß Leonard Peltier endlich frei sein und angemessen medizinisch versorgt werden! Es passiert jetzt so atemberaubend viel, daß wir Hoffnung hegen.

Interview: Jürgen Heiser

Informationen zu ­Leonard Peltier im Internet:
Offizielle US-Website: www.­whoisleonardpeltier.info
In deutscher Sprache: Tokata-LPSG Rhein-Main; www.leonardpeltier.de/
Aktuelle Infos und Spendenaufruf der Verteidigung: www.freedom-now.de


* Aus: junge Welt, 25. Juni 2011


Zurück zur USA-Seite

Zur Menschenrechts-Seite

Zurück zur Homepage