"Entschuldige dich nicht, voll einzusteigen"
Colin Powell, ein hart gesottener Militär wird US-Außenminister
Am 16. Dezember gab der gerichtlich bestätigte künftige US-Präsident George Bush jr. bekannt, dass er den früheren Generalstabschef Colin Powell zum neuen Außenminister ernennen möchte. Der angehende Außenminister kündigte sogleich an, Amerika werde sich auch in Zukunft weltweit sicherheitspolitisch engagieren.
Die Ernennung war allgemein
erwartet worden. Der
63-jährige Powell wird damit
der erste Farbige an der Spitze
des Außenministeriums. Aber was soll, das schon besagen? Uns ist Colin Powell noch in Erinnerung als Stabschef der US-Streitkräfte im Golfkrieg 1991.
Für die Agenturen war Colin Powell das Topthema am Wochenende (16./17. Dezember 2000). George Bush sagte bei der Vorstellung seines Kandidaten, die USA würden sich für eine
demokratisch organisierte westliche Welt einsetzen, die vom
freien Handel zusammengehalten werde.
Powell selbst sprach von einem „einzigartigen amerikanischen
Internationalismus“. Amerika werde sich nicht verstecken,
sondern sich in der Welt engagieren. Dies gilt als Reaktion auf
die mögliche neue Nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza
Rice. Sie hatte während des Wahlkampfs bei den europäischen
NATO-Staaten für Irritationen gesorgt, als sie ankündigte:
Bush wolle regionale Konflikte künftig Regionalmächten
überlassen. Colin Powell sagte ausserdem, er strebe eine Zusammenarbeit
mit China und Russland an. Beide seien für die USA weder
Gegner noch strategische Partner, sondern Länder, die auf der
Suche nach ihrem Weg seien.
Das umstrittene weltraumgestützte Raketenabwehrprogramm
NMD nannte Powell nötig. Andernfall könnten die USA
erpressbar werden. Eine harte Haltung kündigte Powell gegenüber dem Irak an.
Die Presseagenturen verbreiteten ein Porträt von Colin Powell, das in etwa folgende - zum Teil schmeichelhaften - Eigenschaften des neuen Außenministers enthält:
"Colin Powell - vom obersten
Soldaten zum Chefdiplomaten"
George Bush Senior machte ihn zum ersten schwarzen
Generalstabschef, unter dem jüngeren George Bush wird er
nun der erste schwarze Außenminister der Vereinigten
Staaten. Der designierte US-Außenminister Colin Powell "gilt als
zurückhaltend, umsichtig und diskret". Mit seinem in der Militärwelt als Powell-Doktrin bekannten
Motto, zunächst genau abzuwägen und dann konsequent
vorzugehen, hat der 63-Jährige Colin Powell nach dem
Golfkrieg in den USA eine riesige Popularität erlangt. Powell fungierte bereits unter dem ehemaligen
Präsidenten Ronald Reagan als nationaler Sicherheitsberater
und von 1989 bis 1993 als Generalstabschef. Auf den Posten des Generalstabschefs hatte ihn Bushs Vater
berufen. Ob Powell, der 35 Jahre leitende Stellungen innerhalb
der Streitkräfte inne hatte und das Etikett „widerwilliger
Krieger“ akzeptiert, auch als Diplomat taugt, müsse sich für die Agenturen erst zeigen.
Von Powell wird eine Abkehr von der als harsch und
unverblümt geltenden derzeitigen Amtsinhaberin Madeleine
Albright erwartet. Powell weicht von seinen Vorgängern ab. Er
stand der Dämonisierung von US-Gegenspielern wie dem
ehemaligen panamaischen Machthaber General Manuel
Noriega, dem irakischen Staatschef Saddam Hussein oder dem
früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic
kritisch gegenüber. Trotz seiner Kritik war Powell vor dem Golfkrieg maßgeblich am Aufbau der internationaler Streitmacht gegen Irak beteiligt. Aber Powell war nicht für die US-Intervention in Panama, er soll auch das Engagement in Bosnien und dem Einsatz in Somalia mit großer Skepsis gesehen haben, wobei seine Kritik aber weniger politisch, sondern militärisch begründet war.
In seiner Autobiografie wiederholt Powell immer wieder seine
Maxime (auch als "Powell-Doktrin" gehandelt): „Habe ein klares politisches Ziel und bleibe dabei.“ „Wende alle erforderliche Gewalt auf und
entschuldige dich nicht, voll einzusteigen, wenn es nötig ist.“ Angesichts dieser Haltung hoffen manche Politiker, dass Powell
sich diplomatischer verhält, als sein militärischer Hintergrund
vermuten lässt. „Wenn die so genannte Powell-Doktrin
buchstäblich bedeutet, irgendwo in der Welt nur mit einer
überwältigenden Übermacht einzugreifen, ist das ein Rezept
für Katastrophen“, sagt der demokratische Senator Joseph
Biden.
Im Folgenden dokumentieren wir ein Porträt der Süddeutschen Zeitung und einen Kommentar aus der Frankfurter Rundschau zum neuen designierten US-Außenminister.
Colin Powell: Kriegsstratege und künftiger Außenminister der USA
George W. Bush kündigte die Ernennung seines künftigen
Außenministers mit den Worten an: „General Powell ist ein
amerikanischer Held, ein amerikanisches Beispiel, eine große
amerikanische Geschichte.“ Er wusste, dass er mit dieser
ersten offiziellen Berufung eines Ministers in sein Kabinett
einen politischen Coup gelandet hat. Denn nach den Zweifeln
an Bushs Fähigkeiten, nach den Wahlwirren und den
Anschuldigungen von allen Seiten braucht George W. Bush
nichts so sehr, wie einen Mann an seiner Seite, der in den
Augen aller Amerikaner für die Tugenden des Landes steht.
Niemand verkörpert das Ideal von Amerika als Land der
unbegrenzten Möglichkeiten so perfekt wie Colin Powell.
Sein Vater Luther war mit einem Bananenboot aus Jamaika
nach New York gekommen, wo er sich als Lagerarbeiter bei
einer Textilfirma verdingte. Colin Powells Mutter Arie, die
ebenfalls aus Jamaika eingewandert war, arbeitete im selben
Betrieb als Näherin. Powell, am 5. April 1937 geboren, wuchs in
der South Bronx auf, besuchte öffentliche Schulen und das City
College of New York, bevor er sich für das Reserve Officer
Training Corps ROTC meldete. Ein bescheidener Anfang für
einen Mann, der in den Jahren 1996 und 2000 von der
Republikanischen Partei ernsthaft als erster schwarzer
Kandidat für das Präsidentenamt in Erwägung gezogen wurde.
Während der ersten Hälfte seiner Karriere kämpfte sich Powell
systematisch in der Hierarchie der Armee nach oben. Nach
kurzer Zeit in Deutschland diente er gleich zweimal in Vietnam,
kommandierte ein Bataillon in Korea und übernahm, wieder
zurück in den USA, eine Fallschirmspringerbrigade. Gleichzeitig
arbeitete er an seiner politischen Karriere. 1972 bekam er eine
White House Fellowship zugesprochen, ein Stipendium, das als
Sprungbrett für eine Laufbahn in Washington gilt. Er fungierte
als militärischer Berater des Verteidigungsministeriums, bis ihn
Ronald Reagan 1987 in den Sicherheitsrat des Präsidenten
bestellte. George Bush Senior ernannte ihn schließlich 1989
zum Vier-Sterne-General und Chairman of the Joint Chiefs of
Staff, zum ersten schwarzen und auch jüngsten Chef der
Streitkräfte in der Geschichte Amerikas. Seine umsichtige
Planung während des Golfkrieges machte Powell endgültig zum
Star der amerikanischen Politik. Denn mit der Rückeroberung
Kuwaits überwanden die USA nicht nur das Vietnam-Trauma,
sondern zementierten auch ihren globalen Führungsanspruch.
Seit Jahren gilt Colin Powell schon als Superwaffe der
Republikaner gegen die Demokraten. Er steht für das, was die
Liberalen in ihren Programmen einfordern, für gleiche Chancen,
und dient gleichzeitig dem konservativen Amerika als Beweis
dafür, dass sich die Minderheiten Amerikas durch harte Arbeit
und eisernen Willen aus dem Elend der Ghettos selbst nach
oben arbeiten können. Und nicht zuletzt soll auch der Rest der
Welt mit der Ernennung Powells zum Außenminister beruhigt
werden. Denn in dessen Person hat Bush einen starken Mann
an seiner Seite, der sein Können, seine Umsicht und seine
reiche Erfahrung schon mehr als einmal auf der Weltbühne
bewiesen hat.
Andrian Kreye
Aus: Süddeutsche Zeitung, 18. Dezember 2000
Ein Ex-General verkörpert den amerikanischen Traum
Die Ernennung Colin Powells zum Außenminister der USA war
das schlechtest gehütete Geheimnis in Washington
Von Dietmar Ostermann (Washington)
Mit Colin Powell übernimmt in den USA ein politisches Schwergewicht das
Außenministerium: Als Generalstabschef war Amerikas Soldat Nummer
eins nur widerwillig in den Krieg gezogen, als Frühpensionär genoss er
große Popularität - jetzt bestimmt er als erster farbiger Außenminister die
Politik der Weltmacht USA.
Es war das am schlechtesten gehütete Geheimnis in Washington, das George W.
Bush am Wochenende gelüftet hat: Im Falle einer Präsidentschaft des Texaners
hieße der Chef des State Departments Colin Powell. Niemand hatte sich die Mühe
gemacht, über andere Namen auch nur zu spekulieren - und das lag nicht allein
daran, dass es im Adressbuch von Präsidentenvater George Bush nicht mehr viele
Empfehlungen von fähigen Außenpolitikern gibt, die noch nicht ihren 70.
Geburtstag gefeiert haben.
Der 63-jährige frühere Generalstabschef gehört dazu. Im Januar 1989 hatte Bush
senior Powell zum Vorsitzenden der Vereinigten Kommandeure der Teilstreitkräfte
gemacht, der damit ranghöchster Militär war. Zwei Jahre darauf rückte der
Vier-Sterne-General ins internationale Rampenlicht, als er maßgeblich den
Aufmarsch der Alliierten gegen Saddam Hussein plante. Der Golfkrieg hat den
Sohn jamaikanischer Einwanderer zu einer Art nationalem Mythos gemacht.
Geprägt von seinen Erfahrungen in Vietnam, wo der Infanterist unter anderem in der
für das My-Lai-Massaker berüchtigten 23. Division diente, stand Powell dem
Militäreinsatz gegen Irak zunächst skeptisch gegenüber. Später wandte er sich
gegen ein militärisches Eingreifen der USA auf dem Balkan. Nach der
"Powell-Doktrin" soll Washington, wenn überhaupt, nur dann eine Militärintervention
als "letztes Mittel der Politik" erwägen, wenn das Ziel klar ist, die Streitmacht
überwältigend und der Rückzug abgesichert.
Kritiker sehen in dem Plädoyer für militärische Zurückhaltung ein mögliches
Problem, wenn etwa "Schurkenstaaten" sich zu bösen Taten ermuntert fühlen, weil
sie davon ausgehen, dass Washington sowieso nicht eingreift. Auch deshalb hat
Powell jetzt demonstrativ jedem mit Härte gedroht, der sich nicht an die
"Weltordnung" hält. Andererseits ist über seine Ansichten in zivilen Bereichen der
Diplomatie, vom Handel bis zur Umweltpolitik, nicht viel bekannt. In Sachen
Rüstungskontrolle muss sich zeigen, ob er an früheren Äußerungen zum
Atomteststopp-Vertrag festhält oder ob er auf die ablehnende Linie von Bushs
künftiger Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice einschwenkt.
Obwohl sie niemanden überrascht, ist die Ernennung Powells zum ersten farbigen
Außenminister der USA auch innenpolitisch ein Signal. Rechten Republikanern gilt
der lange auch von den Demokraten umworbene Ex-General als zu liberal. Zuletzt
hatte Powell seiner Partei auf dem Nominierungskonvent im Sommer ins Gewissen
geredet, sich nicht nur in Wahljahren der Minderheiten anzunehmen. Nachdem er
vor sieben Jahren als Generalstabschef zurückgetreten war, flirtete er 1995 kurz
selbst mit einer Präsidentschaftskandidatur, verzichtete dann aber trotz blendender
Umfragewerte ebenso wie Anfang dieses Jahres, als ihm Bush die
Vizepräsidentschaft angeboten haben soll. Auch so aber verkörpert der
charismatische Soldat den perfekten amerikanischen Traum: Aus kleinen
Verhältnissen in der Süd-Bronx kommend dreht der Gärtnerssohn jetzt am großen
Rad der Weltpolitik.
Aus: Frankfurter Rundschau, 18. Dezember 2000
Zur "USA-Seite"
Zurück zur Homepage