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"Wir werden weiter für Gerechtigkeit kämpfen"

Eltern des erschossenen schwarzen Jugendlichen dankten im Kapitol ihren Unterstützern *

Die Eltern des von einem Mitglied der Bürgerwehr in Florida getöteten schwarzen US-Teenagers haben sich im Kapitol in Washington bei ihren Unterstützern bedankt.

Washington (AFP/nd). »Ich möchte all denen Danke sagen, die unsere Familie unterstützt haben, die uns geholfen haben, aufrecht zu bleiben, und denen, die dafür sorgen, dass er nicht sinnlos gestorben ist«, sagte der Vater des 17-jährigen Trayvon Martin, Tracy Martin, bei einem von demokratischen Abgeordneten organisierten Diskussionsforum zu den Themen Rassismus in der Strafverfolgung und Hasskriminalität. »Wir werden weiter für Gerechtigkeit kämpfen«, erklärte Martin. »Trayvon war unser Sohn, aber er war auch Ihr Sohn«, sagte die Mutter, Sabrina Fulton, nachdem auch sie den Unterstützern gedankt hatte.

Nach der Veranstaltung, bei der Vertreter von Bürgerrechtsorganisationen angehört wurden, äußerte sich Fulton vor Dutzenden Journalisten, die vor dem Kongressgebäude warteten. Ihr Leid sei umso schwerer zu ertragen, als der Mann, der ihren Sohn getötet habe, nicht festgenommen worden sei, sagte sie. »Wir haben keine Gerechtigkeit bekommen.«

Trayvon Martin war am Abend des 26. Februar in Sanford im Bundesstaat Florida von dem 28-jährigen George Zimmerman erschossen worden. Der Jugendliche war unbewaffnet. Zimmerman, Mitglied einer Bürgerwehr, gab an, aus Notwehr gehandelt zu haben. Die Polizei glaubte dies und ließ ihn auf freiem Fuß. Dabei berief sie sich auf das »Stand Your Ground«-Gesetz, das den Bürgern in Florida ein besonders weitgehendes Recht auf Selbstverteidigung einräumt. Der Fall löste in den USA eine heftige Debatte über Rassismus im Justizsystem und laxe Waffengesetze aus. Am Freitag bezog auch US-Präsident Barack Obama Stellung und sagte: »Wenn ich einen Sohn hätte, sähe er aus wie Trayvon.«

Der Anwalt der Familie des Opfers, Benjamin Crump, forderte derweil das Justizministerium auf, die Ermittlungen zu überwachen, die »von Anfang an falsch« gewesen seien.

* Aus: neues deutschland, 29. März 2012


Tödliche Vorurteile

Von Olaf Standke **

Trayvon Martin wurde vor vier Wochen von einem Mitglied der Bürgerwehr in Florida getötet. Gestern bedankten sich seine Eltern im Kongress bei allen, die die Familie in ihren schwersten Stunden unterstützt hätten - und dafür sorgten, dass der 17-Jährige nicht sinnlos gestorben ist. Die Ermordung des afroamerikanischen Teenagers hat in den USA eine heftige Debatte ausgelöst, die so mancher nach der Wahl von Barack Obama nicht mehr für nötig halten wollte. Doch der Rassismus ist nach dem Einzug des ersten schwarzen Präsidenten in das Weiße Haus nicht so einfach verschwunden, wie jetzt auch das von demokratischen Abgeordneten organisierte Forum zu Hasskriminalität und Rassismus in der Strafverfolgung zeigte. Die alten Vorurteile sind virulent. Trayvons Mörder wurde nicht festgenommen. Er fühlte sich bedroht, die Polizei glaubte ihm. Nur war der Junge gar nicht bewaffnet.

Der Bürgerrechtler Jesse Jackson sprach von einer »tiefgreifenden Ungerechtigkeit«. Und glaubt man einer aktuellen Umfrage, müsste er damit die Meinung einer Mehrheit im Lande zum Ausdruck gebracht haben, votierten in einer aktuellen Umfrage doch 73 Prozent der Befragten dafür, den Todesschützen festzusetzen. Politisch aber kann nicht einmal ein schwarzer Präsident den Rassismus scharf verurteilen. »Hätte ich einen Sohn, er würde aussehen wie Trayvon«, sagte er erschüttert nach seinem Tod - und prompt warfen ihm angesichts dieser »schändlichen« Worte republikanische Präsidentschaftsbewerber vor, den Fall zu »politisieren«. Obama übrigens erhält pro Tag etwa 30 Todesdrohungen, deutlich mehr als jeder seiner Vorgänger.

** Aus: neues deutschland, 29. März 2012 (Kommentar)


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