Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Washingtons Neue in New York

Auch mit UN-Botschafterin Susan Rice verbinden sich viele Hoffnungen

Von Wolfgang Kötter *

Der Senat in Washington hat mit Susan Rice eine weitere Wunschkandidatin Barack Obamas für sein außenpolitisches Team bestätigt. Sie wird künftig die Ständige Vertreterin der USA bei den Vereinten Nationen in New York sein. Die erste Afroamerikanerin auf dem Posten des Washingtoner UN-Botschafters wird mehr als bloße Befehlsempfängerin des State Departments sein. Im Gegensatz zu ihrem Vorgänger bekleidet Susan Rice wieder einen Kabinettsrang und sitzt zuweilen sogar mit am Tisch, wenn der Nationale Sicherheitsrat den Präsidenten in internationalen Fragen berät. Die UNO ist bei Regierung und Kongress in Washington zwar nicht besonders gut gelitten. Aber der katastrophale Unilateralismus der Bush-Regierung lehrte selbst die Skeptiker, dass auch das mächtigste Land scheitern muss, wenn es den Willen der übrigen 191 Mitglieder der Weltorganisation auf Dauer ignoriert.

Es gilt also, sowohl die Interessen der Vereinigten Staaten zu vertreten als auch ein Ohr für die Sorgen und Nöte der anderen zu haben. In diplomatischer Kleinarbeit für Unterstützung werben, Kompromisse aushandeln und möglichst einen internationalen Konsens zur Problemlösung anstreben. Der außenpolitischen Topexpertin und promovierten Philosophin Susan Rice traut man diesen diffizilen Job am UNO-Hauptsitz in New York unbedingt zu. Bereits im Wahlkampf gehörte die Absolventin der Stanford Universität in Kalifornien und der University of Oxford zum engsten Beraterteam von Barack Obama und begleitete ihn auf seinen ersten Auslandsreisen als, wie manche Medien formulierten, "außenpolitisches Gehirn". Obama selbst nennt sie "eine enge, zuverlässige Ratgeberin", der er vertraue. Die internationale Presse lernte sie als eine messerscharfe Analytikerin kennen, die geradeheraus spricht und kein Blatt vor den Mund nimmt. "Um den globalen Sicherheitsherausforderungen effektiv begegnen zu können, braucht es ein größeres Engagement von beiden Seiten des Atlantik", forderte sie in einem "Spiegel"-Interview: "Wir können uns kein Vorgehen des kleinsten gemeinsamen Nenners leisten. Sowohl Amerika als auch Europa müssen mehr tun um unserer Verantwortung innerhalb einer wirklichen Partnerschaft zu entsprechen."

Susan Elizabeth Rice wurde am 17. November 1964 geboren und wuchs im Stadtteil Shepherd Park von Washington, D.C. auf, wo ihr Vater als Wirtschaftsprofessor an der Cornell University lehrte und zeitweise auch Direktor der US-Zentralbank war. Schon als Kind beschwor der Afroamerikaner seine Tochter, die Hautfarbe niemals als eine Entschuldigung oder zum Erlangen eines Vorteils zu nutzen. Sie hat sich daran gehalten und zielstrebig für ihren Erfolg gearbeitet. Die zierliche, stets elegant gekleidete Frau von 1,60 m mag auf den ersten Blick zerbrechlich wirken. Doch in Wirklichkeit ist sie eine zähe Kämpferin. Ihre Freunde loben sie als "eine hartnäckige Fighterin für ihre politischen Überzeugungen, sie gibt nie auf."

Nach dem Studium unterstützte Rice den damaligen Demokratischen Präsidentschaftskandidaten Michael Dukakis und arbeitete danach als Managementassistentin bei der Unternehmens- und Strategieberatungsfirma McKinsey&Company. Während der Präsidentschaft von Bill Clinton war sie von 1993 bis 1997 Mitarbeiterin im Nationalen Sicherheitsrat, zunächst als Abteilungsleiterin für internationale Organisationen und Friedenssicherung, später konzentrierte sie sich auf afrikanische Angelegenheiten. Die Beförderung zur Leiterin der Afrika-Abteilung im Außenministerium machte sie dann zur Chefin von 5 000 Diplomaten und US-Botschaftsangehörigen, zuständig für 48 Staaten. Engagiert arbeitete sie daran, Afrika in die globale Wirtschaft zu integrieren. Schon damals galt die ehrgeizige Aufsteigerin als "jung, brillant und ambitioniert". Kritiker warfen ihr allerdings vor, autoritär, barsch und ignorant gegenüber anderen Meinungen zu sein.

Nach der Clinton-Amtszeit arbeitete Dr. Rice zunächst als Direktorin einer Information- und Analyse-Firma und ging anschließend als Wissenschaftlerin zur Brookings Institution. Dort spezialisierte sie sich auf US-Außenpolitik und Entwicklungshilfe für schwache und gescheiterte Staaten. Außerdem untersuchte sie die Konsequenzen der globalen Armut und analysierte transnationale Sicherheitsbedrohungen. Ihr dortiger Chef, Ex-Vizeaußenminister und Brookings-Präsident Strobe Talbott, lobt sie in den höchsten Tönen: "Susan kann selbstverständlich hart sein, und sie ist genau auf die richtige Art hart. Sie ist intellektuell hartnäckig, sie ist zäh im politischen Meinungsbildungsprozess, und sie wird als Diplomatin sehr effektiv sein."

im Jahr 2004 unterstützte Rice den Demokratischen Präsidentschaftskandidaten John Kerry als außenpolitische Beraterin. Im vergangenen Wahlkampf wechselte sie schon frühzeitig aus dem Clinton-Lager zu Obama. Wie auch er und anders als Außenministerin Hillary Clinton war sie schon immer gegen den Irak-Krieg. "Ich fühlte mich von Anfang an zu ihm hingezogen", begründet sie den Wechsel, "ich erlebte ihn als außerordentlich intelligent und nachdenklich." Als Obama 2005 in den Senat einzog und dort einen Sitz im Auswärtigen Ausschuss bekam, wählte er sie als außenpolitische Vertraute. Abgesehen von ihrer Anti-Kriegs-Haltung vertreten Rice und Obama auch in andern internationalen Schlüsselfragen die gleiche Position. Im Gegensatz zur Bush-Regierung wollen sie internationalen Konflikten nicht vorrangig mit Waffen sondern mit "smart power", intelligenter Machtausübung, begegnen. Statt einer Politik des Alleingangs und der Gewalt setzen sie stärker auf Verhandlungen und Kooperation. Doch trotz der Bevorzugung des "sanften Drucks" und einer multilateralen Strategie schließt auch Obama militärische Optionen zur Durchsetzung eigener Interessen oder zur humanitären Intervention gegen Genozid und bei massenhaften Menschenrechtsverletzungen nicht aus. Für Rice war der Anblick von Tausenden niedergemetzelten Opfern des Völkermordes in Ruanda im Jahre 1994 ein Schlüsselerlebnis, das sich tief in ihre Seele eingebrannt hat: "Ich habe mir geschworen", bekennt sie rückblickend, "sollte ich jemals wieder mit einer solchen Krise zu tun haben, wäre ich wenn nötig für eine dramatische Aktion, selbst wenn alles in Flammen aufgeht." Bei ihrer Anhörung im US-Senat in der vergangenen Woche warb Susan Rice für ein neues, besseres Verhältnis zu den Vereinten Nationen und dafür, in der Außenpolitik und zur Lösung der globalen Probleme künftig stärker auf die UNO zu setzen.

Als Abgesandte der US-Regierung wird sie im gläsernen Wolkenkratzer am New Yorker East River Verbündete oder doch zumindest Verständnis gewinnen müssen. Im UNO-Sekretariat begrüßt man die Nominierung als Signal einer stärkeren Hinwendung der Supermacht zu mulilateraler Kooperation. Der Untergeneralsekretär für politische Angelegenheiten Ibrahim Gambari aus Nigeria sieht der Zusammenarbeit sehr positiv entgegen: "Sie ist eine Frau mit Intellekt, eine Frau mit Überzeugungen und jemand der die Aufgaben erledigt haben will", lobt er seine zukünftige Kollegin.

Susan Rice lebte bisher mit ihrem Ehemann, dem aus Kanada stammenden Fernseh-Produzenten Ian Cameron, und den beiden gemeinsamen Kindern Jake und Maris in Washington. Nun aber werden sie die Umzugskisten nach Manhattan packen müssen.

* Eine gekürzte Version dieses Textes erschien in: Neues Deutschland, 26. Januar 2009


Zur "USA-Seite"

Zurück zur Homepage