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Watergate Remake

US-Republikaner spielen "Leaks" aus dem Regierungsapparat hoch, um Obama unter Druck zu setzen

Von Knut Mellenthin *

Politiker der US-amerikanischen Republikaner fordern eine »unabhängige« Leitung der Ermittlungen wegen angeblicher Informationslecks aus dem Weißen Haus. 40 Jahre nach dem Beginn des Watergate-Skandals, der zum Sturz von Präsident Richard Nixon führte, hoffen einige rechte Parteistrategen offenbar, Amtsinhaber Barack Obama in der Schlußphase des Wahlkampfs in ähnliche Schwierigkeiten bringen zu können. Vorreiter der Kampagne sind die republikanischen Senatoren John McCain, Obamas Konkurrent bei der Wahl vor vier Jahren, und sein Dauerkumpan Lindsey Graham.

Justizminister Eric Holder hatte am vorigen Freitag (8. Juni) zwei Staatsanwälte – Ronald C. Machen aus der Hauptstadt und Rod J. Rosenstein aus Maryland – mit der Leitung der Ermittlungen beauftragt. Die Republikaner argumentieren, daß die beiden nicht mit der nötigen Unabhängigkeit arbeiten könnten, da sie dem Justizministerium unterstehen. Die Opposition fordert statt dessen die Einsetzung eines Sonderermittlers, was bei solchen Untersuchungen in der Tat nicht ungewöhnlich ist. Dagegen betonen maßgebliche Demokraten wie Dianne Feinstein, Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des Senats, die Professionalität und das Ansehen der beiden Juristen, das allerdings auch von den Kritikern der Personalentscheidung Holders nicht bestritten wird.

In der Sache selbst sind sich die Spitzen beider großen Parteien jedoch einig: Die sogenannten Leaks, die Weitergabe von geheimen oder vertraulichen Informationen aus dem Regierungsapparat an die Medien, müssen eingedämmt und möglichst verhindert werden. Eine entsprechende Stellungnahme hatte Feinstein am vorigen Mittwoch gemeinsam mit dem Republikaner Mike Rogers veröffentlicht, der dem Geheimdienstausschuß des Abgeordnetenhauses vorsteht. Vertreter beider Kongreßparteien haben darüber hinaus Gesetzesinitiativen angekündigt, die die Strafen für die Weitergabe solcher Informationen verschärfen sollen.

Genannt werden in diesem Zusammenhang vor allem zwei lange Artikel der New York Times. Jo Becker und Scott Shane hatten sich dort am 29. Mai mit juristischen, politischen und ethischen Implikationen des Drohnenkrieges in Pakistan, im Jemen und in Somalia auseinandergesetzt. Nach ihren eigenen Angaben hatten die Autoren sich auf Gespräche mit mehr als drei Dutzend aktiven oder ehemaligen Mitarbeitern des Regierungsapparats gestützt. Ebenfalls in der Times hatte David E. Sanger am 1. Juni über sogenannte Cyberattacken geschrieben und enthüllt, daß Obama persönlich die mit dem Namen Stuxnet verbundenen Angriffe auf das iranische Computersystem angeordnet habe. Sanger berief sich auf Mitteilungen von »Teilnehmern dieses Programms«.

In beiden Fällen mögen die »Leaks« aus dem Regierungsapparat dazu gedient haben – und auch so beabsichtigt gewesen sein –, Obama als knallharten, rücksichtlosen Kämpfer gegen den Terrorismus und außenpolitische Gefahren zu profilieren. Risiken für die Sicherheit der USA oder gar für das Leben von US-Bürgern, wie Politiker beider Parteien dramatisierend und publikumswirksam beschwören, enthielten sie jedoch nicht.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 14. Juni 2012


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