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Freilassung jetzt!

London: Zweitägige Anhörung zum Fall der "Cuban Five". Untersuchungskommission fordert von USA Korrektur des Unrechts

Von Volker Hermsdorf, London *

Rund 300 Teilnehmer aus 27 Ländern forderten am Sonnabend zum Abschluß einer internationalen Anhörung in der Londoner »Law Society« die Freilassung der drei noch in den USA festgehaltenen Cuban-Five-Männer. »Präsident Barack Obama muß dafür nur ein Stück Papier unterschreiben«, erklärte der frühere kubanische Außenminister und Parlamentspräsident Ricardo Alarcón vor der Untersuchungskommission. »Mr. Obama, yes you can«, ergänzte der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, der spanische Sozialist Miguel Ángel Martínez. Er fügte hinzu: »If you can and don’t, then you don’t want to.« (Wenn Sie es können und trotzdem nicht machen, dann wollen Sie nicht.)

Die Anhörung orientierte sich an dem erstmals 1966 von dem britischen Philosophen und Mathematiker Bertrand Russell organisierten Tribunal zu den Kriegsverbrechen in Vietnam und den folgenden, dann nach dem Nobelpreisträger benannten Gremien. Veranstalter waren mit Kuba solidarische europäische Gruppierungen, unterstützt wurden sie von knapp 180 prominenten Erstunterzeichnern, Gewerkschaften und sozialen Organisationen sowie rund 6000 Einzelpersonen aus aller Welt. Die dreiköpfige Untersuchungskommission bestand aus dem ehemaligen Vorsitzenden des Obersten Indischen Gerichtes, Yogesh Kumar Sabharwal, dem französischen Exverfassungsrichter Philippe Texier und Zakeria Mohammed Yacoob, von 1998 bis 2013 Mitglied des südafrikanischen Verfassungsgerichts.

Terroristen in Miami

Zu Beginn legte der Spezialermittler des kubanischen Innenministeriums für Terrorakte, Roberto Hernández Caballero, eine Übersicht der von Miami aus organisierten Angriffe gegen Menschen und Einrichtungen in seiner Heimat vor. Danach wurden seit dem Sieg der Revolution im Jahr 1959 bisher 713 Terroranschläge registriert, bei denen rund 3500 Menschen getötet und mehr als 2100 verletzt worden sind. Auch außerhalb Kubas mordeten die Terroristen. So verlor die Zeugin Mariá Margarita Morales Fernández ihren Vater Luis Alfredo 1962 durch ein Attentat auf eine Passagiermaschine der »Cubana Aviación«. Die Mutter der Zeugin Betina Palenzuela Corcho wurde 1976 in Lissabon durch eine von Terroristen in der kubanischen Botschaft plazierten Bombe getötet. Mehrfach wurden auf kubanische Einrichtungen und Reiseagenturen in Lateinamerika und den USA Anschläge verübt. Der stellvertretende Direktor des alternativen Senders »Radio Miami«, Lorenzo Gonzalo, bestätigte, daß die USA nie Maßnahmen gegen die von ihrem Boden aus operierenden Terroristen ergriffen. In einer derartigen Situation, erläuterte der Hamburger Völkerrechtler Professor Norman Paech, stehe jedem Land das Recht auf Selbstverteidigung zu. Aus diesem Grund, erklärte Hernández Caballero, habe Kuba Aufklärer nach Miami geschickt, um weitere Anschläge zu verhindern.

Einer von ihnen, der im Mai 2013 in seine Heimat zurückgekehrte René González, konnte seine Aussage vor der Kommission nur über Internet live aus Havanna abgeben, weil Großbritannien ihm die Einreise verweigert hatte (jW berichtete). Die drei Richter warfen London vor, dem Druck der USA nachgegeben zu haben. Der Betroffene selbst gab sich zuversichtlich: »Sie wollten mich nicht nach London lassen, aber jetzt bin ich doch da und mitten unter euch«, grüßte er von einer riesigen Leinwand und berichtete dann über Einschüchterungsversuche des FBI, wiederholte Isolationshaft und Schikanen gegen seine Familie. Nachdem die Teilnehmer den Zeugen mit minutenlangem Applaus stehend gefeiert hatten, verglich Richter Yacoob die Methoden der USA mit denen des südafrikanischen Apartheidregimes, gegen das er selbst Widerstand geleistet hatte. Zum Abschluß bekundete er den Aufklärern deshalb seinen Respekt: »Sie sind Männer von Ehre, Mut und hoher Moral.«

Grundlage für Aktion

Das attestierte auch die US-Bestsellerautorin und Pulitzerpreisträgerin Alice Walker den kubanischen Kundschaftern. Deren Anwälte und Angehörige hatten zuvor am zweiten Verhandlungstag über Vorverurteilung in den Medien, von Washington gekaufte Journalisten, Drohungen gegen Zeugen und Jurymitglieder, ständige Schikanen in der Haft und wiederholte Rechtsverletzungen ausgesagt.

Die drei Richter kamen in einer 13 Punkte umfassenden Erklärung zu dem Ergebnis, daß »ernsthafte Zweifel daran bestehen«, daß auch nur einer der Cuban Five »in den Genuß eines zügigen und fairen Verfahrens« gekommen sei. Allen von ihnen seien die bürgerlichen und politischen Rechte vorenthalten worden. Die USA werden aufgefordert, dieses Unrecht zu korrigieren und die drei noch inhaftierten Aufklärer umgehend frei- und in ihre Heimat zurückkehren zu lassen. Aus Sicht der Kommission ist dies eine unverzichtbare Voraussetzung für die Normalisierung der Beziehungen zwischen den USA und Kuba sowie für die Sicherung des Friedens in der Region und der Welt. Die Kommission will ihr Ergebnis bis Anfang Juni veröffentlichen. Es soll Grundlage für eine weitere Kampagne in Washington im Rahmen der Aktionswoche für die Freiheit der Cuban Five vom 4. bis 11. Juni sein.

* Aus: junge welt, Montag, 10. März 2014


Freilassung der Cuban Five gefordert

Von Harald Neuber **

Ein internationales Gremium aus Juristen und Menschenrechtsorganisationen hat am Wochenende in London die Urteile gegen die sogenannten Cuban Five in den USA kritisiert und die Freilassung der drei noch in Haft sitzenden Männer gefordert. Das symbolische Richtergremium unter Leitung von Topjuristen aus Frankreich, Indien und Südafrika bekräftigte, dass die Männer zu keinem Zeitpunkt gegen die Regierung der USA vorgegangen sind, berichtet die kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina. Zudem seien den Männern während der Haft und des folgenden Verfahrens grundlegende Menschenrechte verweigert worden. So hätten sich die fünf Kubaner vor Beginn des Prozesses über 17 Monate hinweg in Einzelhaft befunden, stellten die Juristen des Tribunals fest, das von Dutzenden Gruppen der Kuba-Solidaritätsbewegung organisiert worden war.

»Die Ausführungen der Rechtsanwälte der drei verbleibenden politischen Gefangenen in US-Gefängnissen haben erneut belegt, wie unfair der Prozess in Miami, Florida, verlaufen ist«, sagte gegenüber »nd« die Bundestagabgeordnete der LINKEN Heike Hänsel. So sei inzwischen nicht nur belegt, dass Journalisten der dortigen Medien von der US-Regierung bezahlt wurden, um die Anklage zu unterstützen. Bis heute gebe es keine belastbaren Beweise für zentrale Anklagepunkte wie die Beteiligung an Abschüssen von Flugzeugen einer kubanischen Exilorganisation durch die kubanische Luftwaffe. »Beeindruckend und erschütternd waren die Aussagen von René González und Antonio Guerrero sowie der Familienangehörigen«, berichtete Hänsel, die an der Veranstaltung in London teilgenommen hatte. Diese Aussagen hätten »das große persönliche Leid hinter dem Fall« gezeigt. Die LINKE fordere angesichts der schweren rechtsstaatlichen Mängel in dem Verfahren eine Neuuntersuchung und die bedingungslose Freilassung der drei in Haft verbleibenden Männer.

Die Fünf hatten in den 90er Jahren in Florida ansässige exilkubanische Terrorgruppen unterwandert, um ihr Land rechtzeitig zu warnen. Kubas Regierung gab die Informationen in gutem Glauben ans FBI weiter. Statt gegen die Terrorgruppne vorzugehen, wurden die Fünf 1998 verhaftet und 2001 unter dem Vorwurf der Spionage zu hohen Haftstrafen verurteilt.

** Aus: neues deutschland, Dienstag, 11. März 2014


Terror made in USA

Seit der Revolution 1959: Mehr als 3500 Menschen bei Anschlägen gegen das sozialistische Kuba getötet

Von Volker Hermsdorf, London ***


Mord und Terror gehören seit dem Sieg der Kubanischen Revolution im Jahr 1959 zum Repertoire der nach Miami geflohenen Schergen des früheren Diktators Fulgencio Batista und ihrer Helfer von der CIA und anderen US-Diensten. Bei Hunderten von Attentaten gegen staatliche Einrichtungen, Flugzeuge, Geschäfte und Hotels auf der sozialistischen Karibikinsel wurden bisher mehr als 3500 Kubaner und ausländische Besucher getötet. So sprengte der CIA-Agent Luis Posada Carriles am 6. Oktober 1976 ein Flugzeug der »Cubana de Aviacion« mit 73 Passagieren an Bord. Der Massenmörder darf heute in Miami weiterhin ungehindert zum Terror gegen Kuba und Venezuela aufrufen. In den 1990er Jahren organisierten rechte Contras von Miami aus Attentate. Bei einem dieser Bombenanschläge wurde 1997 im Hotel Copacabana in Havanna der italienische Tourist Fabio Di Celmo getötet. Sein Vater Giustino sagt heute über die »Cuban Five«: »Sie sind mutige Männer, die ihr Leben zur Rettung von Millionen riskierten.«

In Deutschland gehört ihr Fall zu den Themen, die in den Konzernmedien entweder gar nicht oder nur in verkürzter Form und verfälscht, Erwähnung finden. Am 12. September 1998 waren die fünf kubanischen Informanten in Miami verhaftet worden, weil sie dort verdeckt in exilkubanischen Terrorgruppen ermittelt hatten, um weitere Anschläge gegen Menschen und Einrichtungen in ihrer Heimat zu verhindern. Mit ihrem Einsatz hatten die Aufklärer Fernando González, René González, Antonio Guerrero, Gerardo Hernández und Ramón Labañino rund 170 weitere Attentate verhindern und zahlreiche Menschenleben retten können. In ihrer Heimat werden sie dafür als Nationalhelden verehrt.

In den USA waren sie dagegen nach ihrer Verhaftung und monatelanger Isolation im Jahr 2001 als »Spione« in Schauprozessen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Andere Aufklärer, die mit den US-Behörden »kooperiert« und sich öffentlich gegen ihr Land und die Revolution gestellt hatten, waren bei sonst gleichen Vorwürfen mit nur kurzen Freiheitsstrafen oder Bewährung belohnt worden. Unabhängige internationale Beobachter hatten sowohl die Prozesse gegen die »Cuban Five« als auch die jeweiligen Strafen als politisch motivierte Willkürakte kritisiert.

Während René González und sein Kampfgefährte Fernando González mittlerweile wieder frei und in ihrer kubanischen Heimat sind, werden drei der »Cuban Five« weiter in US-Gefängnissen festgehalten. Nach dem Willen der US-Justiz soll Antonio Guerrero erst 2020 entlassen werden und Ramón Labañino 2028. Gerardo Hernández, der zu zweimal lebenslang plus 15 Jahre verurteilt worden war, soll dagegen in US-Haft sterben.

*** Aus: junge welt, Montag, 10. März 2014




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