Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Imperium Americanum

Die Herrschaft des US-Imperialismus ist erdumspannend. Stabil ist das nicht. Kursorisches zur Weltlage

Von Lucas Zeise *

Der vorliegende Beitrag ist die vom Verfasser gekürzte Version eines Beitrags, der in der Nummer 1/2015 der Marxistischen Blätter in voller Länge abgedruckt ist. Das Heft wird in den nächsten Tagen erscheinen und kann über info@neue-impulse-verlag.de bezogen werden. Der Text geht zurück auf einen Vortrag, den der Autor am 11. Oktober 2014 in Frankfurt am Main im Rahmen einer Veranstaltung der Marx-Engels-Stiftung »zum Konflikt in der und um die Ukraine« gehalten hat.(jW)

Seit 1991 die Sowjetunion unterging oder besser zerschlagen wurde, haben wir es mit einem Imperialismus zu tun, dem der Gegner abhanden gekommen ist. Das imperialistische Weltsystem wird von den USA dominiert. Das System der Staaten hat eine unipolare Struktur, um den gebräuchlichen Ausdruck »unipolare Weltordnung« zu vermeiden, weil von Ordnung nicht die Rede sein kann. Die heutige Unipolarität unterscheidet sich von der Periode 1945 bis 1990, als der Imperialismus vom sozialistischen Weltsystem herausgefordert wurde. Die heutige Struktur ist auch verschieden von jener, die vor 1914 bestand. Damals rang eine Reihe von imperialistischen Mächten um die Aufteilung der Welt. Man könnte sagen, es seien derer acht gewesen (Deutschland, Großbritannien, USA, Frankreich, Österreich, Russland, Italien und Japan), die im Kampf um die Weltherrschaft den Krieg entfesselt haben. Man könnte auch argumentieren, zum Griff nach der Weltmacht waren nur die drei erstgenannten wirklich in der Lage. Wie auch immer, wir hatten es in jedem Fall mit einer multipolaren Ordnung zu tun. Keine einzelne der damaligen Mächte dominierte auch nur annähernd in der Weise, wie es heute die USA tun.

Die Welt ist auf dem Weg zu einem bipolaren imperialistischen System. Dabei mag es eine Zwischenstufe eines multipolaren Systems geben, in gewisser Weise ähnlich dem, wie es vor dem Ersten Weltkrieg bestand. Wahrscheinlich ist das nicht. Vielmehr treibt die Entwicklung schon jetzt darauf zu, dass sich zwei ähnlich starke imperialistische Mächte gegenüberstehen. Das sind die USA und China.

Es seien hier einige Gründe genannt, die diese Behauptung plausibel erscheinen lassen sollen: Unbestritten ist, dass die ökonomische Dominanz der USA schwindet. Das ist ein schon lange dauernder Prozess. Bis in die 1990er Jahre hinein stellte sich dies als relatives Aufholen der westeuropäischen Länder und Japans dar, also der anderen kapitalistischen Zentralregionen. Seit etwa den 90er Jahren verlieren die USA gegenüber einer Reihe von Schwellenländern viel stärker an ökonomischer Potenz. Das bei weitem wichtigste von ihnen ist China, das immer noch das bevölkerungsreichste Land der Erde ist und dessen ökonomischer Aufholprozess es nach allen Kennziffern in die Größenordnung der Volkswirtschaft der USA gebracht hat. Der Verlust der wirtschaftlichen Dominanz der USA hat sich seit Ausbruch der großen Finanz- und Weltwirtschaftskrise noch einmal beschleunigt.

Ökonomie ist nicht alles, aber sie ist die Grundlage für Machtentfaltung. Unter allen potentiellen Rivalen ist allein China auf absehbare Zeit in der Lage, ein ähnliches Gewicht wie die USA selbst in die Waagschale zu werfen. Neben der EU/Deutschland und Japan, die aber als ernsthafte Gegenspieler der USA nicht in Frage kommen, weil sie in einem auf Dauer angelegten Unterwerfungsverhältnis zur Hauptmacht des Imperialismus stehen, wären Indien, Brasilien und Russland als potentiell wichtige Mächte zu nennen. Sie sind jedoch, anders als China, technologisch, ökonomisch und politisch zu stark vom Zentrum des imperialistischen Systems abhängig. Dies gilt besonders für Brasilien. Immerhin haben die USA dort 1964 einen erfolgreichen Regime-Change, damals Militärputsch genannt, veranlasst und protegiert. Indien, das früher eng mit der Sowjetunion kooperiert hatte, hat schon vor 1990 Kurs auf eine stärkere Integration in den vom Westen dominierten Kapitalismus genommen. Russland ist bei weitem zu schwach, um als Weltmacht wieder in Frage zu kommen.

Auch die herrschende Monopolbourgeoisie der USA richtet sich mittelfristig auf eine Auseinandersetzung mit China als Rivalen ein. Das belegen die Ausarbeitungen der Thinktanks in Washington, die der realistischeren Fraktion der Demokraten und der Wallstreet (im Gegensatz zur extremen Rechten) nahestehen. US-Präsident Barack Obama richtet nicht umsonst außenpolitisch seine Aufmerksamkeit auf Asien und damit auf China. Die Strategie der USA besteht dabei darin, andere Länder zu unterwerfen, sie entweder mit Krieg zu überziehen oder zu umgarnen, um sie besser ausbeuten und um sie als Ressource und Bündnispartner in der großen Auseinandersetzung um die Weltherrschaft nutzen zu können.

BRD und EU als Subimperialisten

Die deutsche Monopolbourgeoisie ist nach 1945 von den USA reinstalliert worden. Sie und der von ihr beherrschte Staat sind insoweit ein Zwitterwesen, nämlich einerseits nationales Geschichtsprodukt, andererseits ein Geschöpf des US-Imperialismus. Ihm sind sie von ihrer Wiedergeburt an bis heute unterworfen. Ihm verdanken sie ihre Existenz. Charakteristisch für die westdeutsche und später ganzdeutsche Nation sind folgende Kennzeichen:
  • Der Staat der BRD wurde von den Alliierten entworfen und bis in die einzelnen Institutionen hinein aufgebaut. Das gilt sogar oder gerade für den Geheimdienst, der zusammen mit den Nazis neu aufgestellt wurde, und für den öffentlichen Rundfunk und die Deutsche Bundesbank.
  • Es besteht noch heute ein enges Geflecht von Institutionen, die Personen aus Medien, Wissenschaftsbetrieb und Politik im weitesten Sinne monetär und kulturell an die USA binden. In allen sechs Jahrzehnten der Bundesrepublik haben Karrieren einen Schub bekommen, wenn die betreffende Person von einer deutsch-amerikanischen Freundschaftsgesellschaft gefördert wurde.
  • Am wichtigsten ist die Tatsache, dass die USA zwischen 1948 und 1973 die westdeutsche Volkswirtschaft und deutsche Konzerne nicht nur nicht als Konkurrenten behindert, sondern im Gegenteil aktiv gefördert haben. Der Grund für diese für Imperialisten untypische Verhaltensweise war die reale Sozialismusgefahr. Demzufolge gibt es heute in allen Schichten der Bevölkerung die – gerade erodierende – Überzeugung, bei den Amerikanern endlich auf der richtigen und auf der Gewinnerseite zu sein.
  • Die politische Hauptlinie wird von den USA vorgegeben. Gelegentliche Konflikte werden zwischen Deutschland und den USA wie »unter Freunden« geregelt.
  • Die NATO ist klarster Ausdruck und wichtigstes Instrument für die eindeutige Führungsrolle der USA.
  • Die EU, ja sogar der Euro unter deutscher Führung wurden und werden von den USA nicht nur toleriert, sondern sogar gefördert. Das ist erstaunlich. Denn die Europäische Union hätte als größte Volkswirtschaft auf dem Globus gute Voraussetzungen, zum eigentlichen Konkurrenten des US-Imperialismus zu werden. Davon kann aber keine Rede sein. Die Schaffung von EU und Euro wurde gezielt und von deutschen Regierungen vorangetrieben, staatsarm konstruiert, damit ein wirklicher Widersacher gegen die USA nicht entstehen kann. Die EU wurde damit nach der NATO das zweitwichtigste Staatenbündnis, das die Vorherrschaft des US-Imperialismus absichert.
Wie zu antiken Zeiten

Das unipolare Weltsystem ist keineswegs stabil. Die herrschende Klasse in den USA selbst vergleicht ihre permanent bedrohte Weltherrschaft mit der des Römischen Reiches. Insbesondere die Kriegsführung mittels über die gesamte Welt verteilter militärischer Stützpunkte und die Entsendung gelegentlicher Expeditionskorps zur Unterwerfung gegnerischer politischer Gebilde oder zur Bestrafung aufsässiger Provinzen gleicht dem Verhalten des antiken Imperiums. Die Parallelität im Ökonomischen besteht in der Aneignung von Mehrprodukt durch die imperiale Macht. Sie nimmt in Rom, wie in der Antike generell, die Form der Tributzahlung von den Vasallenstaaten an. In Rom kommt wie im Perserreich die Aneignung von Mehrprodukt durch die Provinzverwalter bzw. Satrapen mittels Steuern, Abgaben und Zöllen hinzu. Der Imperialismus des Monopolkapitals ist gekennzeichnet durch die Expansion des Ausbeutungssystems. Die Ausbeutungsrate ist dank deutlich niedriger Löhne in der Peripherie dort erheblicher höher als im Zentrum. Dazu kommt die Gewinnumverteilung von der Bourgeoisie in den abhängigen Gebieten zur herrschenden Bourgeoisie im Zentrum oder in den Zentren des Imperiums. Beide Transfers von Mehrwert werden durch das internationale Finanzsystem vermittelt, das die ordentliche Abwicklung der Zahlungen in Form von Zins und Dividende garantiert.

Das Finanzsystem wird seinerseits von der internationalen Staatengemeinschaft, wie das US-Imperium heute genannt wird, garantiert und aufrechterhalten. Der Einsatz staatlicher Mittel zum Erhalt des Finanzsystems hat gegenwärtig, in der Krise, eine noch höhere Qualitätsstufe erreicht, als wir sie ohnehin im staatsmonopolistischen Kapitalismus kennen. So umfasste das 2008 geschnürte Rettungspaket für deutsche Banken das Anderthalbfache eines jährlichen Bundeshaushalts. Der zeitliche Druck, unter dem solche Rettungsmaßnahmen eingefordert werden, wenn die Regierungschefs davon sprechen, dass ein Beschluss gefasst werden muss, »bevor die Märkte in Fernost eröffnen«, ähnelt dem Zeitdruck, unter dem frühere Regierungen standen, wenn sie Armee und Polizei gegen militärische Gegner mobilisieren mussten.

Die EU und der Euro befinden sich als neoliberale Projekte in einer besonders tiefen Krise. Zu den Folgen zählt
  • die ökonomische Schwächung der westeuropäischen imperialistischen Vasallenstaaten;
  • eine Veränderung des Verhältnisses der EU-Staaten untereinander. Deutschland ist vor Frankreich, Großbritannien und Italien nun eindeutig Führungsmacht. Das politische Bündnis formal gleichberechtigter Staaten wurde abgelöst durch Gläubiger-Schuldner-Beziehungen, bei denen der finanziell stärkste Staat den schwächeren die Politik vorschreibt;
  • eine höhere politische Labilität in fast allen EU-Staaten. Die Wähler werfen häufiger alte Regierungen aus dem Amt. Die politischen Parteien verlieren als klassenübergreifende Organisationen an Bindungswirkung.
Wo Krieg geführt wird

Wenn man die aktuelle historische Periode von den Versuchen des US-Imperialismus charakterisiert sieht, seine Macht über die bereits unterworfenen Regionen der Erde zu festigen, wird man die aktuellen zahlreichen Kriege und die noch zahlreicheren Konflikte unterhalb der Schwelle des Krieges als Vorgeplänkel für den Kampf um die Weltherrschaft und für den – keineswegs zwangsläufigen – dritten Weltkrieg begreifen. Kein Krieg oder Bürgerkrieg auf diesem Globus, in dem die USA nicht ein wichtiger Akteur sind.

Man sehe sich unter diesem Aspekt die Welt an. Da gibt es zunächst zwei Regionen, wo der US-Imperialismus zur Zeit sozusagen mit der linken Hand regiert. Die eine ist Lateinamerika. Sie ist zugleich diejenige, die sich aus der früher extremen imperialistischen Umklammerung durch die USA seit den 1990er Jahren etwas lösen konnte. Dieser Prozess wird offensichtlich als Befreiung empfunden. Er ist aber keineswegs abgeschlossen. Ökonomisch und politisch ist die Abhängigkeit der meisten Länder Lateinamerikas vom »großen Bruder« im Norden immer noch sehr stark.

Die zweite Region, die von Washington mit etwas geringerer Aufmerksamkeit bedacht wird, ist Afrika südlich der Sahara. Trotzdem hat der US-Imperialismus diesem Teil des Kontinents in den vergangenen 20 Jahren stärker seinen Stempel aufgedrückt als zuvor. Das ging aber auf Kosten der europäischen alten Kolonialmächte Großbritannien und vor allem Frankreich. Im Kongo, in Ruanda, Burundi, Elfenbeinküste, Mali, Tschad, Burkina Faso hatte Paris früher eine eigene neokoloniale Strategie verfolgt. Nach einer Reihe von Stellvertreterkriegen in Zentralafrika befolgt die französische Regierung die von den USA diktierte Politik. Ähnliches gilt für die früher von Großbritannien dominierten Länder wie Kenia, Uganda, Simbabwe, Nigeria und Ghana, deren Politik heute in Washington bestimmt wird. Die Wandlung Südafrikas vom Apartheidstaat zu einem kapitalistischen Schwellenland fand unter US-Regie statt. Sie hat die Stellung Washingtons auf dem ganzen Kontinent gestärkt und ist einer seiner wenigen außenpolitischen Erfolge.

Erklärtermaßen ist Ostasien die Region, die seitens des US-Imperialismus höchste Priorität genießt. Hier befindet man sich im Umland des immer stärker werdenden Gegners. Die militärische Einkreisung Chinas ist keine neue Entwicklung, sondern US-Politik, seit es die Volksrepublik gibt. Die Vereinigten Staaten haben unter massivem Einsatz ihrer Streitkräfte in dieser Region mit dem Korea- und Vietnamkrieg die zwei größten seit dem Zweiten Weltkrieg geführt. Ostasien starrt vor Waffen. Die rasche ökonomische Entwicklung der vergangenen drei Jahrzehnte hat die Region zu einem neuen Zentrum des Weltkapitalismus gemacht. Das betrifft nicht nur China, sondern die Mehrheit der Länder: Südkorea, Taiwan, Vietnam, Thailand, Malaysia, Indonesien und die Philippinen. Japan ist seit dem Zweiten Weltkrieg ein Vasallenstaat der USA, ähnlich wie Westdeutschland es war. Allerdings befindet sich das Land schon seit 1990 in einer ökonomischen Dauerkrise. Washington versucht, Tokio gegen Peking in Stellung zu bringen. Es wird zur Aufrüstung und zum aggressiven Auftreten gedrängt. Zugleich wird der rechten Regierung Shinzo Abe gestattet, zur Förderung der Exporte den Yen abzuwerten – eine Politik, die früher von Washington schärfstens getadelt und letztlich verhindert wurde.

Der Nahe Osten und Zentralasien ist die Weltregion, in der sich der US-Imperialismus seit vielen Jahrzehnten unter Einsatz aggressiver Mittel um die Vorherrschaft bemüht hat. Stärkstes Motiv war und dürfte noch immer sein, dass die reichsten Erdölvorkommen des Globus hier zu finden sind. Das Erstaunliche ist, dass ihm das bisher nicht vollkommen gelungen ist. Vielmehr haben Washingtons direkt und indirekt geführte Kriege ein Chaos hinterlassen. Schon heute sind Libanon, Jemen, Libyen, Syrien, Irak, Sudan, Afghanistan und Pakistan Staaten, in denen die Regierung über viele Teile des Landes die Gewalt verloren hat. Ähnlich wie in Afrika gehört die Auflösung der Staatsgewalt zur Strategie des Imperialismus. Der Ölförderung tut dies, wie man in Irak und Libyen beobachten kann, keinen Abbruch.

Russland ist ein Staat und zugleich eine Großregion, die vom US-Imperialismus seit dem Untergang der Sowjetunion als lohnende Beute betrachtet wird. Unter Boris Jelzin fügte sich das Land dem US-Imperialismus. Aber es blieb zunächst offen, ob es weiter zerstückelt werden sollte, um es besser ausbeuten zu können. Mit Wladimir Putin als Präsidenten ab dem Jahr 2000 nahm die russische Staatsführung die Ermahnungen des Westens ernst, endlich ein verlässliches Rechts- und Verwaltungssystem zu schaffen. Kurz bevor die große Erdölfirma Jukos an den größten westlichen Ölkonzern Exxon verkauft wurde, wurde der Jukos-Eigentümer Michail Chodorkowski aus dem Spiel genommen. Seitdem gehört Russland zu den »Schurkenstaaten«, die sich dem US-Imperialismus widersetzen.

Für das imperialistische Subsystem Deutschland/EU ist Russland ebenfalls von strategischer Bedeutung. Wichtig ist aus deren Sicht, dass die Rohstoffe fließen (besonders das Gas, für das es keine akzeptable Alternative gibt), dass die Investitionsmöglichkeiten erhalten bleiben und dass der wachsende, noch relativ unerschlossene Markt zugänglich bleibt. Für die USA dagegen ist das russische Gas drittrangig. Auch als Investitionsstandort und Warenmarkt ist Russland aus US-Sicht wenig bedeutend. Das ist der Grund, warum Washington den Umsturz in der Ukraine forscher betrieben hat. Die Kosten des Konflikts fallen in Russland und im übrigen Europa an. Dennoch brauchen die Vereinigten Staaten schon aus geographischen Gründen die EU, um die Auseinandersetzung führen zu können. Die deutsche Monopolbourgeoisie unterstützt den Konfrontationskurs (fast) uneingeschränkt unter der Parole »Primat der Politik« und deutet damit an, dass ihre ökonomischen Interessen eigentlich anders gelagert sind.

Da ohne Verfügungsgewalt über Russland der US-Imperialismus die Weltherrschaft nicht behalten kann, ist es aus seiner Sicht als eigenständiger Staat nicht tolerierbar. Die Versuche der USA, auch dieses Land zu unterwerfen, werden deshalb nicht nachlassen.

Neue Aggressivität

Die Weltwirtschaftskrise hat keine qualitative Veränderung der aggressiven Haltung des US-Imperialismus, wohl aber quantitativ mehr Aggressivität mit sich gebracht. So ist die Bereitschaft der USA, mehrere Kriege gleichzeitig zu führen und führen zu lassen, seit Ausbruch der Krise gestiegen. Intensiviert haben sich auch die direkten militärischen Eingriffe bei verbündeten oder unterworfenen Staaten. Der Drohnenkrieg in Pakistan und im Jemen ist dabei nur ein grauenhaftes Beispiel.

Bei den EU-Staaten kann man wohl von einem qualitativen Sprung ausgehen. Das betrifft zunächst das schon angesprochene Binnenverhältnis der EU-Staaten, in dem Deutschland die Führung übernommen hat. Für Großbritannien und Frankreich bedeutet dies eine Zurückstufung vom zweiten Rang der Mächtigen in den dritten. Die EU-Staaten haben seit der Krise ihre Aggressivität nach außen verstärkt. Die wirkliche Führungsmacht wird aktiv umworben. Einer »Koalition der Willigen«, die der jüngere Bush 2003 für den Krieg gegen den Irak sammelte, würde sich heute kaum ein EU-Staat entziehen. Die Kriege gegen Libyen und Syrien sind durch die Regierungen in London, Paris und Rom angeregt worden, ganz nach dem Willen des US-Präsidenten Barack Obama, der bei Amtsantritt versprochen hatte, die Verbündeten durchaus auch mal vorangehen zu lassen.

Deutschland hat sich als Hegemon in der EU einem neuen Militarismus verschrieben. Noch gehen alle Kriegsaktionen, an denen die BRD teilnimmt, auf die Initiative oder sogar Anweisung der USA und ihrer NATO zurück. Dazu gehört auch die Teilnahme am Bündnis der »Freunde Syriens« zum Sturz des dortigen Präsidenten. Dasselbe gilt für die Auftritte der deutschen Außenminister Guido Westerwelle und Frank-Walter Steinmeier auf den Antiregierungsdemonstrationen in Kiew, den massiven Einsatz von Geld und Personal für die Opposition in der Ukraine und schließlich die Beteiligung am Umsturz in Kiew selbst. Anders als man vermuten könnte, hat die Krise, die ökonomisch die unterschiedlichen Interessen der EU und der USA stärker hervortreten lässt, nicht zur Folge, dass die politischen Widersprüche zwischen den beiden Regionen deutlicher werden. Eher scheint das Gegenteil der Fall. Das wiederum muss nicht so bleiben, vor allem dann nicht, wenn die ökonomischen Kosten der imperialen US-Aggressivität auch für die deutsche Monopolbourgeoisie größer werden.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 20. Januar 2015


Zurück zur USA-Seite

Zur USA-Seite (Beiträge vor 2014)

Zur Seite "Neue Weltordnung"

Zur Seite "Neue Weltordnung" (Beiträge vor 2014)

Zur China-Seite

Zur China-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage