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CIA-Methoden gegen Aufklärerin

Familie der Whistleblowerin Chelsea Manning erhebt Foltervorwürfe gegen US-Armee und fordert Freilassung

Von Jürgen Heiser *

Die in Wales im Vereinigten Königreich lebenden Angehörigen der im Juli 2013 von einem US-Militärgericht wegen Spionage zu 35 Jahren Gefängnis verurteilten Whistleblowerin Chelsea Manning haben erneut schwere Vorwürfe gegen die US-Behörden erhoben. Unter Hinweis auf den jüngst veröffentlichten Regierungsbericht über Foltertechniken des US-Geheimdienstes CIA erklärte Sharon Staples, die Tante der ehemaligen Nachrichtenauswerterin der US-Armee, gegenüber WalesOnline, ihre Nichte sei nach ihrer Verhaftung wegen des Verdachts, als geheim eingestufte Kriegsprotokolle aus Afghanistan und Irak an die Enthüllungsplattform Wikileaks weitergegeben zu haben, »wie eine Terroristin« behandelt worden. Außerdem sei Manning den barbarischen Foltermethoden aus dem CIA-Arsenal unterworfen gewesen. »Nackt in Isolationshaft, die persönliche Habe weggenommen« und gezwungen, stundenlang »in der Ecke stillzustehen«, wie in der Untersuchungshaft im Marine-Militärgefängnis Quantico in Virginia geschehen, sei ein Angriff auf die psychische Gesundheit gewesen, sagte Staples.

Diese Vorwürfe hatte 2012 auch der UN-Sonderberichterstatter über Folter, Juan Mendez, erhoben. Die lang andauernde Isolationshaft habe »Mannings Recht auf physische und psychische Unversehrtheit verletzt« und der Unschuldsvermutung widersprochen, stellte Mendez damals fest.

Chelsea Mannings Familie erhebt diese Vorwürfe nun erneut. Die Angehörigen hegen die Hoffnung, vor dem Hintergrund weiterer gründlicher Untersuchungen der US-Verhörtechniken und der Rolle, die britische Geheimdienste dabei spielten, eine generelle Überprüfung des Gerichtsverfahrens und des harten Urteils zu erreichen.

Auch Susan Manning, Mutter der politischen Gefangenen, äußerte sich gegenüber dem Internetportal: »Chelsea wird am 17. Dezember 27 Jahre alt, und es wird ihr fünfter Geburtstag sein, den sie im Gefängnis verbringt.« Es breche ihr das Herz, dass ihre Tochter ihre Freiheit verloren habe, »nur weil sie die Wahrheit an die Öffentlichkeit gebracht hat, statt sie zu vertuschen«.

Der walisische Staatssekretär Stephen Crabb betonte laut WalesOnline, es könne »keinerlei Rechtfertigung für den Einsatz von Folter geben, weder in militärischen noch in zivilen Gerichtsverfahren«. Crabb will sich bei der Regierung in London für Chelsea Manning einsetzen, die zwar in den USA geboren wurde, durch ihre walisische Mutter jedoch automatisch Bürgerin des Vereinigten Königreichs ist.

Britische Parlamentsabgeordnete setzen sich seit Jahren für die Whistleblowerin ein, deren mutiges Handeln in der weltweiten Friedensbewegung geachtet wird. Im April 2011 hatten 37 Abgeordneten den vom Menschenrechtsausschuss des britischen Unterhauses eingebrachten Antrag unterzeichnet, der die britische Regierung aufforderte, in Washington Protest gegen Mannings Behandlung in der Untersuchungshaft einzulegen, da diese der Folter gleichkäme.

Bei ihrem Bemühen, eine Aufhebung des gegen sie ergangenen Urteils zu erreichen, wird Manning durch ein engagiertes Team von Menschenrechtsanwälten, Amnesty International und eine internationale Solidaritätsbewegung unterstützt. Aus Anlass ihres heutigen 27. Geburtstages wird dazu in London ein neuer Aufruf zu ihrer Freilassung veröffentlicht. In Philadelphia, Chicago, Rom, Venedig, Istanbul und weiteren Städten finden Mahnwachen und Veranstaltungen statt. In Berlin wird eine Geburtstagsparty gefeiert.

Eine von der Familie in Wrexham, Wales, gegründete Stiftung sammelt Spenden, um die Verteidigung zu finanzieren und den Angehörigen Haftbesuche in den USA zu ermöglichen. »Chelsea Mannings Enthüllungen umfassten auch Beweise dafür, wie die CIA illegale Überstellungen von Gefangenen in geheime Foltergefängnisse vornahm und dabei die komplizenhafte Unterstützung einiger Länder hatte«, erklärte Genny Bove, Mitbegründer der Stiftung auf WalesOnline. Da es nun durch den veröffentlichten US-Senatsreport »noch weitaus plastischere und schockierendere Beweise für CIA-Folterpraktiken« gebe, erklärte Bove, »sollte Chelsea Manning nicht länger im Gefängnis sein«.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 17. Dezember 2014


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