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Showdown am Victoriasee

Bei den Wahlen in Uganda trifft Langzeitpräsident Yoweri Museveni auf seinen Dauerrivalen Kizza Besigye

Von Christian Brunschede, Kampala *

Am 18. Februar finden in Uganda Präsidentschaftswahlen statt. Wie schon 2001 und 2006 kommt es zum Aufeinandertreffen des seit 1985 regierenden Autokraten Yoweri Museveni mit seinem ehemaligen Weggefährten Kizza Besigye.

Endspurt im Präsidentschaftswahlkampf. Die Zeit des Wartens ist vorbei. Zuschauer eilen aus allen Richtungen herbei. Jeder versucht, einen Blick auf die heranfahrenden Autos zu erhaschen. Motorräder, Fahrräder, rennende Kinder begleiten den Konvoi. Hektisch fegen ein paar Männer mit Reisigbesen die staubige Straße, den Besuchern zu Ehren. Das Surren unzähliger Vuvuzelas schwillt an. Jubelschreie, Tänze, Gesang. Die Hände zum Victory-Zeichen gestreckt, das Erkennungszeichen der Opposition, rufen Männer, Frauen, Kinder nach Kizza Besigye.

Der Schlüssel, der den Wandel verheißt

Sein Konterfei ist überall: auf Wahlplakaten, T-Shirts, Lkw, ganzen Häuserwänden. Manche der Bauern haben für diesen Tag übergroße, hellblaue Pappschlüssel gefertigt und schwenken sie aufgeregt, als sich die Türen der Jeeps öffnen. Der Schlüssel, das Symbol des Forums für demokratischen Wandel (FDC), ist ein Sinnbild für den angestrebten Weg ins verriegelte Präsidentenamt.

Drei Monate tourte Besigye durch das Land. Die Bilder von seinen Auftritten ähneln sich. Die örtlichen Parteigranden ergreifen nacheinander das Mikrofon. Sie übertrumpfen einander mit großspurigen Gesten, Bloßstellungen der Regierungsmitglieder. Immer wieder ist der Slogan »One Uganda, one people« zu hören, ist vom Wandel die Rede, von der längst überfälligen Abwahl Musevenis und seiner Partei, der Nationalen Widerstandsbewegung (NRM).

Kurz darauf tritt Kizza Besigye auf die Bühne. Stürmischer Applaus. Seine kräftige, tiefe Stimme dröhnt aus den Lautsprechern und verspricht eine bessere Gesundheitsversorgung, ein besseres Schulsystem, ein besseres Straßennetz. »Schaut euch die Straßen an, was hat Museveni in den letzten Jahren erreicht? Nichts! Mit uns wird es einen echten Wandel geben.« Wie im Einzelnen dieser Wandel aussieht, erfahren die Zuschauer nicht. Der Terminplan ist vollgepackt, noch mehr Menschen wollen Besigye sehen. Abends stellt sich der Hoffnungsträger der Opposition den Fragen der Journalisten des örtlichen Radiosenders. Der Auftritt im Radio, keine Selbstverständlichkeit in Uganda.

»Wahlkampf« ist in Uganda durchaus wörtlich zu verstehen. Zwar blieb dieses Mal das ganz große Chaos aus, von einem friedlichen Wahlkampf kann jedoch keine Rede sein. »Die Regierung wird alles daran setzen, auch illegale Hilfsmittel, um ein für sie positives Ergebnis zu erhalten. Sie fährt eine Strategie der Einschüchterung. Alle ihre Maßnahmen sind darauf gerichtet, uns zu bekämpfen. Sie fürchten unsere Stärke«, sagt Sam Mugumya, Wahlkampfleiter des FDC, selbstbewusst. Markige Worte, doch fast mehr als die Opposition fürchtet der Staat die Presse. »Kritische Journalisten werden von lokalen Regierungsvertretern automatisch als ›Opposition‹ abgestempelt«, sagt Moses Akena, Reporter der unabhängigen Tageszeitung »Daily Monitor«. Was es heißen kann, der »Opposition« anzugehören, haben im vergangenen Sommer zwei Journalisten erfahren: Sie wurden erschossen.

Immer wieder kam es zu gewalttätigen Übergriffen der Polizei und der »zivilen Sicherheitskräfte«, der kiboko (»Stock« auf Suaheli), auf Oppositionsanhänger und Journalisten. Die Konsequenz vieler Medien: Sie zensieren sich lieber gleich selbst oder räumen im Falle von Radiostationen Oppositionsparteien keine Sendezeit ein.

Dennoch, es gibt auch gute Nachrichten. »Im Vergleich zu den letzten Wahlen treten mehr Parteien gegeneinander an, hat die Wahlkommission verschiedene Reformen wie transparente Wahlurnen oder Wählerlisten mit Fotos durchsetzen können, um faire Wahlen zu garantieren. Auch die Zahl der polizeilichen Übergriffe ist seit 2006 zurückgegangen«, zählt Livingstone Sewayana auf. Er ist Direktor der Menschrechtsorganisation Foundation for Human Rights Initiative. Ist Uganda auf dem Weg zur Demokratie? In kleinen Schritten, und die werden von der Regierung streng kontrolliert.

Musevenis großes Plus sind gewisse Erfolge: Die Hauptstadt Kampala gehört zu den sichersten Afrikas, Uganda verzeichnet seit über einem Jahrzehnt ein bemerkenswertes Wirtschaftswachstum von durchschnittlich sechs Prozent, und der Krieg gegen die Lord Resistance Army in Norduganda ist beendet. Keine leichte Aufgabe für die Opposition, bei dieser Lage thematisch zu punkten.

»Die Opposition schafft es nicht, Themen zu setzen; ich würde gerne eine Partei sehen, die sich ernsthaft für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung einsetzt. Alle Parteien versprechen den Menschen ein Buffet, das es nicht geben wird. Sie nutzen die mangelnde Bildung der ländlichen Bevölkerung aus«, sagt Denis Odong (Name auf Wunsch geändert), Leiter eines Gesundheitszentrums in Mbale. Der harsche Umgang mit der Opposition, die florierende Korruption, Repressionen und ein immer autoritärerer Führungsstil lassen Museveni nicht mehr unangefochten erscheinen. »Für Museveni besteht die Möglichkeit einer Niederlage nicht, sie ist für ihn völlig ausgeschlossen«, sagt Livingstone Sewayana.

Damit steht für Besigye die Marschroute fest: eine weitere Amtszeit des Präsidenten verhindern. Um die Chance auf die Abwahl Musevenis zu erhöhen, ist die größte Oppositionspartei FDC der Interparty Cooperation (IPC) beigetreten. Die IPC versteht sich als ein taktisches Bündnis dreier Oppositionsparteien, das sich darauf verständigt haben, in den Wahlbezirken den jeweils stärksten ihrer Kandidaten aufzustellen. Bis Ende August 2010 gehörte ihr auch der Volkskongress Ugandas (UPC) an, die ehemalige Partei des früheren Präsidenten Milton Obote, zweitstärkste Oppositionskraft.

Was wird, wenn Museveni verliert?

So stehen über zehn Millionen Ugander am morgigen Freitag vor der Wahl, entweder eine korrupte Regierung und ihren autoritären Präsidenten an der Macht zu halten oder einer Opposition ihre Stimme zu geben, die viel verspricht, aber ohne echte politischen Ideen keinen wirklichen Wandel erwarten lässt. Ein weiteres Manko der Opposition könnte die Bestechlichkeit Einzelner sein: 2006 lockte Museveni Politiker der Opposition mit lukrativen Posten. Manche verfielen seinem Lockruf und wechselten die Seiten. Ein Szenario, das sich nach diesen Wahlen wiederholen könnte. Das Gemisch aus Vetternwirtschaft, wirtschaftlichem Erfolg und Repressionen könnte Museveni eine weitere Amtszeit bescheren. Einer dürfte dem Lockruf Musevenis sicher nicht verfallen: Kizza Besigye. Er kämpfte gemeinsam mit Museveni gegen Milton Obote und übernahm nach dessen Sturz den Posten des Innenministers. 1999 publizierte er eine Streitschrift, in der er die Nationale Widerstandsbewegung (NRM) als undemokratisch und korrupt geißelte. 2001 trat er erfolglos gegen Museveni an, wurde des Hochverrats beschuldigt und flüchtete ins Exil – zuerst in die USA, dann nach Südafrika. Ende 2005 kehrte Besigye zurück und wurde umgehend verhaftet. Der Vorwurf: Hochverrat und Vergewaltigung. Das Oberste Gericht sprach ihn jedoch von beidem frei. 2006 fand eine weitere Wahl statt, bei der Museveni auf fragwürdige Weise mit 59 Prozent gewann, nachdem er durch eine Verfassungsänderung die Beschränkung der Präsidentschaft auf zwei Amtsperioden hatte aufheben lassen.

Was ist, wenn Museveni wieder auf fragwürdige Weise gewinnt? Oder wenn Museveni tatsächlich die Wahl verliert? Wird er freiwillig zurücktreten? Wohl kaum. »Die Opposition wird bei einem Sieg Musevenis Wahlbetrug beklagen, auch gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen einer selbstbewussteren Opposition und der Regierung sind wahrscheinlich«, sagt ein politischer Beobachter in Kampala. Das Ausmaß wie in Kenia dürften sie dennoch nicht annehmen. Dafür ist der Wunsch der Bevölkerung nach Frieden nach den Kriegswirren in Norduganda zu groß, die sozialen Spannungen sind zu gering und die Sicherheitskräfte fest in der Hand des Staates. Bleibt die Frage, wie das Militär reagieren wird. Nach offizieller Lesart heißt es, das Militär verhält sich professionell und akzeptiert jedes Wahlergebnis. Mit anderen Worten: einen Sieg Musevenis.

* Neues Deutschland, 17. Februar 2011


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