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Ukraine: Granate auf Donezker Sportplatz

Zwei Jugendliche tot, vier verletzt. Kiew beschuldigt Aufständische

Von Reinhard Lauterbach *

Beim Einschlag einer Granate auf einem Schulsportplatz in Donezk sind am Mittwoch nachmittag zwei Jugendliche getötet und vier verletzt worden. Sie hatten nach Aussage von Augenzeugen auf dem Platz Fußball gespielt, als die Granate in einer Ecke des Spielfeldes explodierte. »So behandelt die Ukraine ihre Kinder«, kommentierte die Mutter eines der verletzten Jungen das Ereignis. Die beiden Toten wurden 14 und 17 Jahre, die Verletzten sind zwischen elf und 21 Jahren alt.

Auf Kiewer Seite wurde die Verantwortung der Ukraine für den Vorfall bestritten. Der Sprecher der »Antiterroroperation«, Wladislaw Selesnjow, erklärte, die ukrainische Artillerie habe am Mittwoch in dieser Region nicht gefeuert – was Anwohner der Unglücksschule bestreiten. Nach ihrer Aussage hat sich das Bombardement ihrer Wohnviertel seit den Wahlen im Donbass am Sonntag sogar verstärkt.

Selesnjow bestritt auch, dass die ukrainische Armee gezielt auf Zivilisten schieße. Das ist eine der im Propagandakrieg typischen Halbwahrheiten. So hatte das Nachrichtenportal timer.od.ua aus Odessa vor einigen Tagen im Rahmen einer Reportage von der Front beiläufig geschildert, wie die Regierungstruppen die Wohnviertel von Donezk mit Artillerie beschossen, allerdings ungezielt und aufs Geratewohl.

Ähnlich ungezielt feuert die ukrainische Propaganda. Der englischsprachige Blog ukraineatwar.blogspot.com bemühte sich am Donnerstag um den Nachweis, die Granate sei aus dem von Aufständischen kontrollierten Gebiet östlich von Donezk abgefeuert worden. Eines der als Beweis präsentierten Bilder, das die Richtung illustrieren soll, aus der die tödliche Granate gekommen sei, zeigt jedoch im Hintergrund Abendrot, ein anderes Spiegelungen der untergehenden Sonne in einem Fenster der Schule. Dies macht angesichts des nachmittäglichen Zeitpunkts, zu dem die Granate unbestritten explodierte, einen Beschuss aus Osten eher unwahrscheinlich. Südwestlich liegen aber die Stellungen der Regierungstruppen.

Die Aufständischen berichteten auch von anderen Frontabschnitten von ständigem Artilleriebeschuss durch die ukrainische Armee. Präsident Petro Poroschenko kündigte an, die ukrainischen Truppen in der Region zu verstärken, um einer befürchteten neuen Offensive der Rebellen entgegentreten zu können.

* Aus: junge Welt, Freitag, 7. November 2014


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