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Verdienste für Verdienst

US-Amerikaner und andere Ausländer leiten größten privaten Gasförderer der Ukraine. Einen Einheimischen gibt es im Vorstand nicht

Von Knut Mellenthin *

Ausschließlich Verdienste« hätten eine Rolle gespielt bei der Aufnahme von Hunter Biden in das Direktorium des ukrainischen Öl- und Gasunternehmens Burisma, versichert dessen Vorstandsvorsitzender Alan Apter. Der jüngere Sohn des US-Vizepräsidenten Joe Biden hatte den Posten schon im April übernommen. Gemeldet hat Burisma den Vorgang allerdings erst am 12. Mai. Hunter Biden sei »Privatbürger« und könne folglich tun und lassen, was er wolle, erklärten dazu Sprecher der US-Regierung.

Er habe den 44jährigen auf dem Weg über gemeinsame Bekannte persönlich angeworben, erklärte der US-amerikanische Investmentbanker Apter der Presse. Dabei hat ganz sicher Devon Archer eine wichtige Rolle gespielt. Der 39jährige US-Amerikaner, der ebenfalls seit April Direktor von Burisma ist, ist mit Biden Junior über die gemeinsam gegründete Investment- und Beratungsfirma Rosemont Seneca verbunden, zu deren Topmanagement beide gehören. Archer ist außerdem ein enger Freund und Geschäftspartner der Familie von Außenminister John Kerry, seit er mit dessen Stiefsohn Christopher Heinz seinen Schlafraum in der Eliteuniversität Yale teilte. Dort erwarb übrigens auch Hunter Biden den Titel eines Doktors der Rechte.

Apter hat auch Aleksander Kwasniewski ins Burisma-Direktorium geholt, der von 1995 bis 2005 Präsident Polens war. Der 59jährige, der sein Land in die NATO und in die EU geführt hatte, war im vorigen Jahr Chefunterhändler der Union gegenüber Kiew. Er trug maßgeblich dazu bei, die Verhandlungen gegen die Wand zu fahren und damit die Maidan-Bewegung anzuheizen.

Dem Direktorium von Burisma gehört nicht ein einziger Ukrainer an. Außer den genannten Personen gibt es dort nur noch zwei Zyprioten. Dies vermutlich deshalb, weil die Firma auf der Insel im östlichen Mittelmeer, die als Paradies für Steuerbetrüger und Geldwäscher gilt, ihren Sitz hat. Kein Mitglied des Direktoriums des schon seit 2002 bestehenden Unternehmens ist früher als 2013 auf diesen Posten gelangt. Auch Apter übernahm den Vorstandsvorsitz erst im Mai vorigen Jahres. Dieses Bild könnte vorwegnehmen, was sämtlichen Filetstücken der ukrainischen Wirtschaft unter der falschen Flagge der »Souveränität« bevorsteht.

Apter ist schon seit 1986 im Investmentgeschäft. Er spezialisierte sich sofort nach der »Wende« um 1990 auf die Nachfolgestaaten der Sowjetunion sowie auf Mittel- und Osteuropa. Die Menge seiner Vorstandsposten unter anderem auch in Tschechien, Slowakei und Ungarn ist kaum überschaubar.

Burisma ist laut seiner Website einer der größten »unabhängigen«, das heißt privaten Gasproduzenten der Ukraine. Im ersten Vierteljahr 2014 ist das Unternehmen angeblich sogar auf Platz eins unter den Privaten vorgerückt. Es gibt an, seine Produktion seit 2010 mehr als verfünffacht zu haben und eine nochmalige Verdoppelung bis 2016 anzustreben. Allerdings ist die – bisher zwar geringe, aber prinzipiell entwicklungsfähige – Gasförderung der Ukraine zu 90 Prozent in staatlicher Hand. Das soll sich künftig höchstwahrscheinlich entscheidend ändern.

Mit dem Karpatenbecken befindet sich jedoch nur ein recht geringer Teil der drei Hauptvorkommen in der Westukraine. Das Asow-Kuban-Becken im Süden ist nach dem Anschluß der Krim an Rußland für Kiew weitgehend verloren, und was aus dem Dnipro-Donez-Becken im Nordosten wird, ist wegen der dortigen Unabhängigkeitsbewegung derzeit völlig ungewiß.

Burisma verdankt seinen erstaunlichen Aufschwung hauptsächlich der persönlichen Nähe zu den jeweiligen Regierenden und Machthabern. Besonders vorteilhaft war das Verhältnis unter Wiktor Janukowitsch, der im Februar durch die Maidan-Bewegung gestürzt wurde. Der umtriebige Großkapitalist Nikolai Zlochewski, der das Unternehmen laut Wall Street Journal kontrolliert, war unter Janukowitsch Umweltminister, Energieminister und zuletzt seit April 2012 stellvertretender Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine.

* Aus: junge welt, Freitag 16. Mai 2014


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