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Bratislava und Kiew vereinbaren Gaslieferungen

Neue Pipeline und Nutzung eines Reservelagers in der Slowakei soll ukrainische Versorgungslage stabilisieren

Von Jindra Kolar, Prag *

Die Ukraine will künftig Gas aus der Slowakei beziehen, um weniger abhängig von Russland zu sein. Eine Grundsatzvereinbarung werde am Montag unterzeichnet.

Eine neue Pipeline vom slowakischen Vojany ins ukrainische Uschhorod soll die Sorgen der Kiewer Regierung um die Gasversorgung mildern. In dem Vertrag, der zwischen dem slowakischen Wirtschaftsminister Tomas Malatinsky und dem ukrainischen Minister für Energie- und Kohlewirtschaft Jurij Prodan vereinbart wurde, ist u.a. der Ausbau einer nie fertig gestellten Pipeline vorgesehen. Die neue Trasse soll den slowakischen Standort Vojany mit der ukrainischen Grenzstadt Uschhorod verbinden. »Wir haben in den Verhandlungen zwei Phasen des Ausbaus der Energielieferung vereinbart«, erklärte Malatinsky. »Zum einen ist die Nutzung eines Reservelagers bei Velke Kapusany geplant, zum anderen soll über die Pipeline Vojany-Uschhorod dann auch Gas aus Westeuropa in die Ukraine gelangen.« Der ukrainische Energieminister Jurij Prodan äußerte sich zufrieden mit dem erzielten Vertrag: »Wir wollen die neue Linie zügig ausbauen, um unsere Wirtschaft abzusichern.«

Auch EU-Energiekommissar Günther Oettinger zeigte sich zufrieden mit der Vereinbarung. »Wir sind an einer stabilen Wirtschaft und an einer stabilen Regierung in Kiew interessiert.« Dazu zähle, dass das Land ausreichend mit Energie versorgt werde. Die deutsche RWE hatte sich bereits vor Wochen angeboten, Lieferausfälle von russischem Gas zu kompensieren. Zeitweise wurde daran gedacht, die Strömungsrichtung der bestehenden Pipelines aus Russland nach Europa umzudrehen, ein Prozess, der technisch jedoch nicht einfach ist. Mit der neuen Verbindung aus Vojany ergeben sich jedoch neue Möglichkeiten. Ein Sprecher der RWE erklärte, man werde das Gas zu »europäischen Großmarktpreisen liefern«. Der russische Versorger Gasprom hatte nach Beginn der Ukraine-Krise die Lieferpreise für das Nachbarland deutlich erhöht und droht bei wachsenden Spannungen die Versorgung ganz einzustellen.

Bereits jetzt erhält die Ukraine Erdgas aus der EU: Ungarn liefert jährlich sechs Milliarden Kubikmeter, dies deckt jedoch nur zur Hälfte den Bedarf der ukrainischen Wirtschaft. Tomas Malatinsky mahnte jedoch zur politischen Vorsicht. »Wir müssen auch auf slowakische und europäische Interessen Rücksicht nehmen«, erklärte der Wirtschaftsminister. Auch die Slowakei ist wirtschaftlich nicht unabhängig vom russischen Gas. Und Europa bezieht 15 Prozent seines Bedarfs aus russischen Erdgasquellen über Pipelines, die durch die Ukraine führen. »Dies war zu Zeiten der Sowjetunion und des wirtschaftlichen Ostblocks einmal anders geplant: Damals sollte die Energieversorgung aller Bündnisländer sichergestellt werden«, so der slowakische Politiker. Einen Zerfall der UdSSR und einen Zusammenbruch des Ostblocks konnte man sich zum Zeitpunkt des Trassenbaus, an dem Brigaden aus allen osteuropäischen Ländern beteiligt waren, nicht vorstellen.

Diese enge Verbindung ist es auch, weswegen dringend eine politische Lösung des gegenwärtigen Konflikts gesucht wird. Denn nicht nur Russland und die Ukraine werden durch die Auseinandersetzungen geschädigt, auch die Nachbarn geraten in Mitleidenschaft, heiß es aus politischen Kreisen in Bratislava.

* Aus: neues deutschland, Montag 28. April 2014


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