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Orbán rudert zurück

Erfolg der Proteste: Doch erstmal keine Internet-Steuer in Ungarn *

Nach massiven Protesten hat der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán eine von ihm geplante Internet-Steuer zurückgezogen. »In dieser Form ist diese Steuer nicht einführbar, weil die Diskussion darüber entgleist ist«, erklärte der rechtskonservative Politiker am Freitag im staatlichen Rundfunk Kossuth Rádió. Zuletzt hatten in Budapest Zehntausende Menschen gegen die vorgesehene Abgabe demonstriert. Sie sollte den ursprünglichen Plänen zufolge 2015 eingeführt werden und den Datenverkehr mit umgerechnet rund 50 Cent pro Gigabyte belasten.

Orbán verteidigte sich nun, die Regierung habe lediglich die Telefonsteuer ausweiten wollen. Das habe man den Menschen aber nicht vermitteln können. »Sie stellen die Sinnhaftigkeit des Ganzen in Frage, und so kann man nichts einführen«, erklärte er. »Wir sind ja keine Kommunisten, keine Regierung gegen die Menschen, sondern eine Regierung, die mit den Menschen ist«, zitierte die deutschsprachige ungarische Tageszeitung Pester Lloyd den rechten Regierungschef.

Medienberichten zufolge hatte Orbán persönlich veranlasst, dass die neue Abgabe in den Entwurf der Steuergesetze für 2015 aufgenommen wurde. Dieses soll am 17. November vom Parlament gebilligt werden, in dem Orbáns Fidesz-Partei über die absolute Mehrheit der Mandate verfügt. Nun wird die Internet-Steuer in dem Paket zunächst fehlen, doch Orbán drohte bereits einen neuen Anlauf im kommenden Jahr an. Bis zum Frühjahr solle eine Entscheidung fallen, wie man »die Extraprofite der Telekommunikationsunternehmen« einbinden könne, um die »Bürden« der Gesellschaft mitzutragen.

Der Pester Lloyd kommentiert die Entscheidung in Budapest einerseits als taktischen Rückzug Orbáns, andererseits aber auch als wichtigen Erfolg der Protestbewegung: »Auch wenn der halbe Rückzieher von Orbán vor allem das Ziel hatte, seinen Nimbus als Volksversteher zu erhalten und der beängstigend angewachsenen Protestbewegung die Luft rauszulassen, wird das Volk die Zeche zahlen, so – oder eben anders. Dennoch hat die Protestbewegung einen für die Verhältnisse seit 2010 gigantischen Erfolg verzeichnet und ein Exempel statuiert, nämlich, dass auch ein Orbán nicht unangreifbar ist und das Protest, ist er aufrichtig und massiv genug, etwas ausrichten kann.«

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 30. Oktober 2014


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