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Versuch, Fuß zu fassen

USA führen mit Uruguay gemeinsame Militärmanöver durch

Von Andreas Knobloch *

Bereits seit mehr als einem Monat befinden sich 15 Mitglieder der Navy SEALs, der Spezialkräfte der US-Kriegsmarine, in Uruguay. Diese Einheit war unter anderem an der Ermordung Osama bin Ladens in Pakistan, aber auch den Invasionen in Grenada oder Panama beteiligt. Bis zum vergangenen Freitag bildeten sie im Rio-de-la-Plata-Delta Scharfschützen der Seestreitkräfte Uruguays aus. Die Unterstützung war von der uruguayischen Armee erbeten und vom Verteidigungsministerium abgesegnet worden. Beide Kammern des Parlaments bestätigten sie Anfang Mai – auch mit den Stimmen aller anwesenden Abgeordneten des regierenden Linksbündnisses Frente Amplio (FA). Das Training diente demnach der Bekämpfung von Terrorismus und Drogenhandel. Unter anderem sollte das Aufbringen »illegaler« Boote geübt werden. Die Presse war bei dem Manöver am 18. Juni auf Weisung von Verteidigungsminister Eleuterio Fernández Huidobro nicht zugelassen. Wohl auch, um ein Anheizen der Diskussionen innerhalb der FA zu verhindern, wie die uruguayische Tageszeitung El País vermutete. Fernández gehört zu deren Gründungsmitgliedern und war früher an führender Stelle in der Stadtguerillabewegung MLN-Tupamaros aktiv.

Innerhalb der FA hat die Geheimniskrämerei jedoch nicht gerade zur Beruhigung beigetragen. Viele einfache Parlamentarier der Regierungskoalition verlangten Auskunft über Inhalt und Umfang der Ausbildungsmaßnahmen. Luis Puig, Abgeordneter der marxistischen Partei für den Sieg des Volkes (PVP) sagte gegenüber El País, die FA benötige eine Debatte über die militärische Ausrichtung der uruguayischen Streitkräfte: »Wir können die Tatsache, daß es sich um die Vereinigten Staaten handelt, aus dieser Diskussion nicht ausblenden. Die FA muß an der Debatte über die Verteidigungspolitik auf strategischer und nicht nur auf administrativer Ebene teilhaben. Wenn nicht gründlich diskutiert wird, werden wir uns in Zukunft das Recht vorbehalten, über diese Themen abzustimmen.« Teile der Regierung verteidigten das Training dagegen als »temporäre Maßnahme« und Notwendigkeit, um Uruguay in die Lage zu versetzen, gegen Drogenschmuggel und illegale Fischerei vorzugehen.

In den Nachbarstaaten dagegen haben Berichte, wonach der Südamerikanische Verteidigungsrat (CDS), an dem Uruguay beteiligt ist, nicht über die US-Militärhilfe informiert wurde, Besorgnis ausgelöst. Als »Integrationsinstrument« soll der CDS die »militärische Zusammenarbeit, humanitäre Aktionen und Friedensoperationen« stärken und Kern einer gemeinsamen südamerikanischen Verteidigungspolitik sein. Gegründet wurde er im März 2009 als Reaktion auf den mit US-Unterstützung erfolgten Angriff Kolumbiens auf ecuadorianisches Staatsgebiet. Damals waren ein Camp der FARC bombardiert und neben mehreren Guerilleros auch mexikanische Studenten ermordet worden.

In den Staaten der Region wächst die Sorge vor einer Ausdehnung der Militärpräsenz der USA. Die Bodenschätze der Region, die lateinamerikanische Integration, bei der Washington immer mehr in die Zuschauerrolle gedrängt wird, sowie das verstärkte Engagement Chinas auf dem Kontinent gehören zu den Motiven der US-Amerikaner, verlorenes Terrain zurückgewinnen zu wollen. Auf dem Gründungsgipfel der Gemeinschaft der Staaten Lateinamerikas und der Karibik (CELAC) im Dezember in Caracas hatte Boliviens Präsident Evo Morales vor den Ambitionen Washingtons gewarnt. Diese würden oftmals getarnt als Militärhilfe gegen Drogenhandel und Terrorismus, sagte Morales und forderte: »Wir dürfen keine Militärbasen der USA auf unseren Territorien gestatten.«

In der nordargentinischen Provinz Chaco hatte Anfang des Jahres der Widerstand der Bevölkerung die Einrichtung eines »humanitären Notfallzentrums« der US-Armee auf dem internationalen Flughafen der Gebietshauptstadt Resistencia verhindert. Die Regierung in Buenos Aires kündigte die Vereinbarung schließlich auf. Das Vorgehen in Uruguay könnte deshalb ein neuerlicher Versuch Washingtons sein, in der Region Fuß zu fassen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 20. Juni 2012


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