amnesty international fordert mehr Druck auf Taschkent
Usbekistan: Bundesregierung und EU zwischen Menschenrechtsschutz und geostrategischen Interessen
Am 13. Mai 2007 jährt sich zum zweiten Mal das Massaker von Andischan (Andijan). 2005 wurden dort nach unabhängigen Berichten mehrere hundert Demonstranten erschossen (siehe hierzu: "Blutbad in Andijan"). Seit zwei Jahren wird das Regime in Taschkent von der EU mit Sanktionen belegt; am 14. Mai d.J. will die EU erneut über eine Verlängerung der Sanktionen beschließen. Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international fordern dazuz auf, den Druck auf das Regime zu verstärken. In der "taz" erschien am 12. Mai ein Artikel, in dem sogar einer Verschärfung der Sanktionen das Wort geredet wird. "Eine Zentralasienstrategie sollte sich auf eine demokratische Einkreisung der usbekischen Despotie konzentrieren, nicht die Machterhaltung eines grausamen Despoten schützen", schreibt Marcus Bensmann (Titel: "Steinmeiers Schurke"). Das Ausmaß des Blutbads von Andidschan wird unzulässig vergrößert. Als würden einigen hundert getötete Zivilisten nicht reichen, schreibt Bensmann: "Am 13. Mai 2005 hatten usbekische Truppen in der usbekischen Provinzstadt von Panzerwagen aus mehrere tausend Menschen zusammengeschossen." Dass die umliegenden Staaten indessen auch keine Musterknaben in Sachen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind, ficht den Autor nicht an. Er räumt zwar ein, dass "auch in diesen Staaten .. die Presse unterdrückt" werde, dass es dort ebenfalls "Korruption und Machtmissbrauch" gebe; "... aber die Unterdrückung des Staats ist nicht so total wie in Usbekistan, wo jeder, vom Bauern bis zum Händler, in jedem Bereich betroffen ist."
Ob diese Unterschiede es wirklich gerechtfertigt erscheinen lassen, unter lauter "Schurken" einen "Oberschurken" auszuwählen, der mittels der anderen "Schurken" bekämpft werden soll, möchten wir dahin gestellt sein lassen. Außenpolitisch befinden sich die EU und die Bundesregierung, die in Zentralasien eine eigenständige Rolle spielen will, jedenfalls in einer widersprüchlichen Lage: Das usbekische Regime kämpft auf seinem Territorium gegen denselben Gegner, gegen den der Westen angeblich in Afghanistan kämpft: den islamischen Terrorismus à la Al Kaida. Und Berlin genießt nach wie vor das Privileg, in Usbekistan über einen Militärstützpunkt zu verfügen, über den der Nachschub nach Afghanistan abgewickelt werden kann. Die USA mussten dagegen ihren Stützpunkt aufgeben (siehe: US-Truppen räumen Stützpunkt in Usbekistan). Man darf also gespannt sein, zu welchen Maßnahmen sich die EU-Außenminister unter dem Vorsitz Steinmeiers durchringen und wie Taschkent darauf reagieren wird.
Im Folgenden dokumentieren wir eine Presseerklärung von amnesty international sowie eine offizielle Verlautbarung aus der usbekischen Botschaft in Berlin über die Verurteilung einer Frau zu sieben Jahren Straflager, die sich - nach unseren Maßstäben - wegen geringfügiger Delikte zu verantworten hatte. In dem erwähnten taz-Artikel wird darüber hinaus berichtet, dass wenige Tage nach dem Urteil die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde.
amnesty international Deutschland
PRESSEMITTEILUNGEN
Berlin, 10. Mai 2007 - Einem verstärkten EU-Engagement zum Trotz
werden in Usbekistan Menschenrechte unverändert schwer verletzt.
Kritische Journalisten, Vertreter der Zivilgesellschaft und
Oppositionelle in Usbekistan werden weiterhin verfolgt und in
unfairen Prozessen abgeurteilt. Darauf hat amnesty international (ai)
anlässlich des zweiten Jahrestags der Massentötungen in der
usbekischen Stadt Andischan hingewiesen.
Vor der Sitzung des EU-Rats für Außenbeziehungen und Allgemeine
Angelegenheiten am 14./15. Mai forderte ai Bundesaußenminister
Frank-Walter Steinmeier als Präsidenten des EU-Ministerrats auf, bei
der usbekischen Regierung auf eine unabhängige internationale
Untersuchung der Vorfälle vom 12./13. Mai 2005 zu drängen. Bei
Auseinandersetzungen mit der Polizei starben Hunderte zumeist
unbewaffneter Zivilpersonen.
"Der Jahrestag von Andischan erinnert eindrücklich an die schlimme
Menschenrechtslage in Usbekistan", sagte Barbara Lochbihler,
Generalsekretärin von ai Deutschland. "Bemühungen der deutschen
EU-Ratspräsidentschaft, etwa in einem Menschenrechtsdialog mit
Usbekistan, haben bisher nicht gegriffen. Staatsbeamte wenden
systematisch und routinemäßig Folter an. Die Täter werden kaum zur
Rechenschaft gezogen. Der Aufbau eines unabhängigen Justizwesens
kommt nicht voran; Gerichtsverfahren entsprechen in der Regel nicht
internationalen Standards, erfolterte Geständnisse sind als
Beweismittel zugelassen."
In ihrem Schreiben an Steinmeier fordert ai die EU auf, sich
einzusetzen für
-
die sofortige und bedingungslose Freilassung der zahlreichen
politischen Gefangenen
- die Abschaffung der Folter und Maßnahmen, die ihre zukünftige
Anwendung verhindern;
- die strafrechtliche Verfolgung aller Menschenrechtsverletzungen.
Kontakt: amnesty international, Pressestelle
presse@amnesty.de
PRESSEMITTEILUNG
Am 1. Mai 2007 hat das Taschkenter Sergeli-Bezirksstrafgericht die Untersuchung eines strafrechtlichen Verfahrens gegebüber Frau Umida Niyazova beendet. Sie wurde laut folgender drei Artikel des Strafgesetzbuches der Republik Usbekistan für schuldig erklärt:
-
Artikel 223 («Illegale Überschreitung der Staatsgrenze»);
- Artikel 246 («Schmuggel»);
- Artikel 2441 («Vorbereitung oder Verbreitung von Informationsmaterialien, die die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beinhalten»).
Der Prozess wurde offen geführt. Bei der Gerichtsverhandlung waren die Vertreter der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) und anderer Nichtregierungsorganisationen anwesend.
Infolge der begangenen Straftaten wurde Umida Niyazova zu 7 Jahren Gefängnis mit Verbüßung der Strafe in der allgemeinen Strafkolonie verurteilt.
Im Laufe der Ermittlungen wurde auch festgestellt, dass sich Frau U.Niyazova mit der Finanzierung der ohne offizielle Anmeldung in Usbekistan tätigen verschiedenen nichtstaatlichen und Menschenrechtsorganisationen beschäftigt hat.
Die finanziellen Mittel, die den obengenannten illegalen Organisationen weitergegeben wurden, bekam Frau U. Niyazova von vielen ausländischen diplomatischen Vertretungen, die in Usbekistan akkreditiert sind.
Entsprechend dem Völkerrecht können diese Tatsachen nicht anders als Einmischungsversuche in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates betrachtet werden.
Pressedienst des Außenministeriums der Republik Usbekistan
2. Mai 2007
http://www.uzbekistan.de/de/2007/d_n0502.htm
Zu diesem Fall schreibt die taz:
"Am 1. Mai wurde die 32-jährige Usbekin, Mutter eines zweijährigen
Sohns, zu sieben Jahren Lagerhaft verurteilt, weil sich auf der Festplatte
ihres Computers Berichte über das Massaker von Andischan befanden. Wenige
Tage nach der Verurteilung protestierte die deutsche EU-Präsidentschaft
gegen die Verhaftung. Die Strafe wurde daraufhin am 8. Mai zur Bewährung
ausgesetzt, Nijasowa musste aber im Gerichtssaal die Politik Karimows
preisen und sich für schuldig bekennen. Usbekistan hofft nun, dass dieses
Schauspiel reicht, die Sanktionen am kommenden Montag aufzuheben." (taz, 12. Mai 2007)
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