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Prozeß gegen Regimegegner

Die Scheichs der Vereinigten Arabischen Emirate lieben den Umsturz – aber nicht bei sich zu Hause

Von Gerrit Hoekman *

Wenn es um den Sturz anderer arabischer Regierungen geht, öffnen die Scheichs am Golf bereitwillig ihre Schatullen. So haben die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) den Aufstand syrischer Islamisten gegen Präsident Baschar Al-Assad mit bislang fünf Millionen Dollar unterstützt. Das teilte die Rebellen-Webseite »All4Syria« unlängst mit. Damit sind die Emirate nach Libyen und Katar der drittgrößte Sponsor der syrischen Freischärler. Zu Hause haben es die Machthaber von Dubai und Abu Dhabi jedoch nicht so gern, wenn das Volk nach Freiheit und Demokratie verlangt.

Das zeigt der Prozeß gegen 94 Regimegegner, der am heutigen Montag in den VAE in die zweite Runde geht. Ihnen wird vorgeworfen, einen Umsturz geplant zu haben. Dazu hätten sie den gesamten Staat und die Gesellschaft unterwandert. »Sie standen außerdem mit der internationalen Muslimbruderschaft und anderen ähnlichen Organisationen im Ausland in Kontakt und baten um Hilfe und Geld, um die Macht im Staat zu übernehmen«, schreibt die staatliche Nachrichtenagentur WAM. Viele der Angeklagten sollen der islamistischen Islah-Bewegung angehören, die seit 1974 in den Emiraten aktiv ist und nach eigenen Angaben über 20000 Anhänger verfügt. Die Bewegung gilt als ein Ableger der ägyptischen Muslimbrüder, die in der Föderation verboten sind.

Das Gerichtsverfahren hatte vor einer Woche begonnen, war aber schon nach einem Tag auf heute verschoben worden, nachdem Menschenrechtler beklagten, das Gericht behindere die Arbeit der Anwälte. In der letzten Woche sollten die Vertreter der Angeklagten nun vollständigen Einblick in die Prozeßakten bekommen. Ob am zweiten Tag internationale Prozeßbeobachter zugelassen sind, ist unklar. Vor einer Woche mußten sie genauso draußen bleiben wie ausländische Medienvertreter. Immerhin sollen die 13 Frauen unter den Beschuldigten inzwischen auf Kaution freigekommen sein, heißt es in der Online-Zeitung »Gulf News«. Angehörige berichten, daß die Angeklagten in der Untersuchungshaft geschlagen worden seien, lange Zeit hätte niemand gewußt, wo sie sich überhaupt befunden hätten.

Es ist nicht das erste Mal, daß die Vereinigten Arabischen Emirate hart gegen Oppositionelle vorgehen. In Zeiten, in denen alte arabische Herrscher wie Muammar Al-Ghaddafi in Libyen und Hosni Mubarak in Ägypten von Volksaufständen weggespült werden, wächst bei den Monarchen am Golf die Sorge, sie könnten die nächsten sein. Im März 2011 forderten Vertreter aus allen politischen Lagern in einer Petition freie Wahlen, fünf von ihnen, alles Liberale, wurden zwei Monate später verhaftet und zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Die Emirate schrecken auch nicht davor zurück, Aktivisten die Staatsbürgerschaft zu entziehen und des Landes zu verweisen. Ein beliebtes Exil sind dabei die Komoren, denen die VAE Geld zahlen sollen, damit sie Dissidenten aufnehmen, berichtete der Aktivist Said Al-Tiniji im britischen Guardian.

In den Emiraten sind Parteien genauso verboten wie politische Demonstrationen. Gewerkschaften sind unbekannt. Die Medien unterliegen der staatlichen Zensur, der Zugang zum Internet ist beschränkt. Islamkritische Web-Seiten sind gesperrt, aber auch solche, die Kochrezepte für Schweinefleisch veröffentlichen. Zwar gibt es ein Parlament, aber nur etwas mehr als ein Zehntel der etwa 900 000 Staatsbürger darf wählen, allerdings nur eine Hälfte der Abgeordneten. Die anderen 50 Prozent werden von den Herrschern der fünf Emirate der Föderation eingesetzt. »Es muß erwähnt werden, daß die Zahl der Wähler dramatisch zugenommen hat von rund 6000 auf 120000 im Frühjahr 2011, als Teil eines Prozesses des von der Regierung unterstützten graduellen Wandels. Mehr Änderung steht kurz bevor«, schrieb der ehemalige Aktivist der Islah-Bewegung, Ali Rashid Al-Noaimi, vor kurzem in der arabischen Online-Zeitung »Al-Monitor«. Die meisten der Einwohner haben ohnehin kaum Rechte, denn 80 Prozent der 4,8 Millionen Einwohner sind Ausländer. Die Mehrheit stammt aus Indien, Pakistan und Bangladesch.

* Aus: junge Welt, Montag, 11. März 2013


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