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Das Dutzend ist voll

Venezuela feiert Jahrestag des Amtsantritts von Präsident Hugo Chávez. Die Kampagne für seine Wiederwahl 2012 hat bereits begonnen

Von André Scheer *

Venezuela begeht am heutigen Mittwoch (2. Feb.) den zwölften Jahrestag des Amtsantritts von Staatspräsident Hugo Chávez. In 70 Ländern der Welt sind aus diesem Anlaß Solidaritätsveranstaltungen angekündigt, teilte Rodrigo Cabezas von der Führung der Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) am Montag (Ortszeit) in Caracas mit. Es seien unter anderem Demonstrationen in Washington, Havanna, Buenos Aires, Bogotá und Madrid geplant, so Cabezas. In Berlin ruft die DKP zu einer Kundgebung um 17 Uhr vor der venezolanischen Botschaft in Berlin (Schillstr. 9-10) auf, anschließend wird in den Räumen der diplomatischen Vertretung um 19 Uhr der Film »Al Sur de la Frontera« von Oliver Stone in spanischer Fassung mit englischen Untertiteln gezeigt.

Mobilisierung international

Der Aufwand, mit dem Caracas an einen Jahrestag erinnert, der kein rundes Jubiläum ist, überrascht. Doch offenbar will die Regierung mit der internationalen Mobilisierung eine Antwort auf mehrere gegen Chávez gerichtete Demonstrationen geben, die am 23. Januar in Städten wie Miami oder Madrid durchgeführt wurden. Venezuelas Präsident hatte diese mit den Worten kommentiert, es seien nur die übliche Handvoll Leute zusammengekommen, aber am 2. Februar werde die Opposition sehen, welche Unterstützung die Revolution in aller Welt genieße.

Für Chávez hat bereits der Präsidentschaftswahlkampf begonnen, obwohl bis dahin noch fast zwei Jahre Zeit sind. Voraussichtlich im Dezember 2012 will sich der Staatschef im Amt bestätigen lassen. Die Parlamentswahlen im vergangenen September waren deshalb für das Regierungslager eine wichtige Warnung. Zwar konnten die PSUV und die mit ihr verbündete Kommunistische Partei (PCV) die Mehrheit in der Nationalversammlung verteidigen, sie erhielten jedoch nur noch gut 48 Prozent der Stimmen. Für eine Wiederwahl des Präsidenten gegen eine geeint antretende Opposition wäre das zu wenig. Nun jedoch fühlt Chávez wieder Rückenwind. Mehr als 80 Prozent der Venezolaner beurteilen sein Agieren während der jüngsten Überschwemmungen in weiten Teilen Venezuelas als »sehr angemessen«. In einer Umfrage des Instituts GIS-XXI erhielt der Präsident damit gemeinsam mit den Zivilschutzbehörden, der Armee und der Feuerwehr die besten Noten. Weit abgeschlagen folgen hingegen regionale Behörden, private Unternehmen und die Kirche. Befragt, wie sie die Amtsführung des Staatschefs im vergangenen Jahr bewerten, antworteten 54,7 Prozent mit »gut« oder »sehr gut«. Das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber den Zustimmungswerten, die das als regierungsnah geltende Institut vor einem Jahr ermittelt hatte. Damals hätte Chávez bei einer Wahl nur noch 36,5 Prozent der Stimmen erhalten, ein oppositioneller Gegenkandidat wäre ihm mit 31,7 Prozent dicht auf den Fersen gewesen.

Patriotischer Pol

Entscheidend für die Kraftprobe im Dezember 2012 wird sein, ob es dem noch immer heterogenen Lager der Chávez-Unterstützer gelingt, vereint aufzutreten. Bislang hat jedoch vor allem die Führung der PSUV mit ihrem Anspruch, die gesamte revolutionäre Bewegung zu repräsentieren, eine solche Einheit behindert. An den Treffen des im April 2008 auf Initiative des Präsidenten gebildeten Bündnisses »Patriotische Allianz« nahm die offiziell von ihm selbst geführte Partei kaum teil, und bei den Parlamentswahlen sorgte die PSUV dafür, daß nur wenige Vertreter anderer Organisationen auf ihren Listen kandideren konnten. Ob dies bei dem jetzt von Chávez geforderten »Patriotischen Pol« anders sein wird, muß sich erst noch zeigen. Die PCV hat jedenfalls bei ihrer wöchentlichen Pressekonferenz am Montag bereits unterstrichen, daß ein solcher »Pol« nur funktionieren könne, wenn in ihm alle beteiligten Kräfte gleichberechtigt zusammenarbeiten. Grundlage des neuen Bündnisses müsse ein Minimalprogramm aller Organisationen sein, und seine Arbeit dürfe nicht auf Wahlkämpfe beschränkt bleiben.

Die PSUV hat unterdessen ihre Mitglieder zur »Kritik und Selbstkritik« der geleisteten Arbeit aufgerufen. »Wir müssen unsere Fehler erkennen, an ihnen arbeiten und sie überwinden. Wir müssen sie berichtigen und korrigieren im Interesse des venezolanischen Volkes und der Bolivarischen Revolution«, forderte Venezuelas Vizepräsident Elías Jaua am Montag bei einem Treffen mit Parteimitgliedern in der Simón-Rodríguez-Universität in Caracas.

* Aus: junge Welt, 2. Februar 2011


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