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Sozialismus im Hotel

Venezuela verstaatlicht Hilton Margarita. Unterstützung bei Gewerkschaften

Von André Scheer *

Zum zweiten Mal hat die venezolanische Regierung ein großes Haus der US-amerikanischen Hotelkette Hilton in Staatseigentum überführt. Nachdem bereits vor einigen Jahren das damalige Caracas Hilton wegen Steuerschulden der Nordamerikaner unter staatliche Kontrolle gestellt wurde und heute als Hotel Alba Caracas bevorzugte Unterkunft für Teilnehmer an Kongressen und Veranstaltungen in der venezolanischen Hauptstadt ist, hat es in dieser Woche nun das Hilton auf der Ferieninsel Margarita getroffen. Margarita ist das beliebteste Reiseziel Venezuelas für den internationalen Tourismus, darunter auch für die meisten der gut 37000 Menschen aus Deutschland, die Jahr für Jahr das Land besuchen. Formell begründete die Regierung die Übernahme des Hotels in Porlamar mit dem am 13. Oktober erfolgten Auslaufen der auf zwanzig Jahre befristeten Konzession, die das Unternehmen von der damaligen venezolanischen Regierung erhalten hatte. Eigentlicher Hintergrund ist aber offenbar, daß die Hoteleigner wenig professionell mit ihren Gästen umgegangen waren, wenn diese dort auf Einladung der venezolanischen Regierung abstiegen.

Venezuelas Präsident Hugo Chávez erinnerte daran, daß erst im September das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs aus Afrika und Süd­amerika in diesem Hotel stattgefunden hatte. »Als wir den Süd-Süd-Gipfel durchführen wollten, mußten wir die Hotelleitung mühsam um eine ganze Reihe von Genehmigungen bitten, um die Sicherheit und andere Dinge zu gewährleisten. Sie wollen dem revolutionären Staat Bedingungen stellen, und das werden wir nicht zulassen.« Das Hotel werde bald einen neuen Namen bekommen, der den venezolanischen Traditionen entspricht und nicht mehr auf einen transnationalen Konzern verweist, kündigte Chávez an.

Tourismusminister Pedro Morejón erläuterte im Gespräch mit dem staatlichen Fernsehsender VTV außerdem, daß die venzolanische Regierung bereits seit der Bankenkrise von 1994/95 die Mehrheit der Aktien dieses Hotels besitze. Die Hilton-Kette, die zu keinem Zeitpunkt Eigentümer des Gebäudes gewesen sei, habe ihre Konzession mißbraucht und das Hotel heruntergewirtschaftet. Man werde deshalb innerhalb der nächsten zwei Wochen einen Bericht vorlegen, in welchem baulichen und finanziellen Zustand sich das Hotel befindet. Die rund 13000 Kleinaktionäre, die durch ihre Beteiligung zeitweilige Wohnrechte in dem Hotel erworben haben, bräuchten sich keine Sorgen zu machen, ihre vertraglich festgelegten Rechte würden nicht angetastet.

Bei den Gewerkschaften der im Hilton beschäftigten Angestellten wurde die Verstaatlichung mehrheitlich begrüßt. Die Präsidentin der Betriebsgewerkschaft, Alina Álvarez, erklärte nach einem Treffen mit dem Minister, sie hoffe auf eine schnelle Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die 400 Hotelangestellten. »Hoffentlich wird das Hotel bald ein sozialistisches Unternehmen«, sagte sie gegenüber VTV. »Seit langer Zeit haben wir schon gehofft, daß der Sozialismus dieses Hotel erreicht.« Das Hotel erwirtschafte Gewinne, an denen die Beschäftigten bislang nie angemessen beteiligt worden seien.

* Aus: junge Welt, 17. Oktober 2009


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