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Solidaritätsbesuch

Venezuelas Präsident Hugo Chávez ist zum neunten Mal im Iran eingetroffen. Aufregung um Atompläne

Von André Scheer *

Die iranische Regierung zeigt sich von den Sanktionen unbeeindruckt, die vor allem die USA und die Europäische Union gegen das Land am Golf verhängt haben. Am Dienstag (19. Okt.) erklärte »Revolutionsführer« Ayatollah Sayyed Ali Khamenei bei einer Rede in der den Schiiten heiligen Stadt Ghom, das Embargo habe keine spürbaren Folgen hinterlassen. Die »Feinde Irans« seien mit der Absicht gescheitert, das Volk von der Regierung zu entfremden, sagte das religiöse Staatsoberhaupt.

Diese Einschätzung teilt offenbar auch Venezuelas Präsident Hugo Chávez, der in der Nacht zum Dienstag zu seinem neunten Iranbesuch in Teheran eintraf und dort vom iranischen Staatschef Mahmud Ahmadinedschad mit militärischen Ehren empfangen wurde. Im Mittelpunkt der Gespräche soll dabei einem Bericht der englischsprachigen Tageszeitung Tehran Times zufolge die Gründung einer gemeinsamen venezolanisch-iranischen Erdölflotte stehen, die täglich etwa eine halbe Million Barrel venezolanisches Erdöl zu den asiatischen und europäischen Märkten transportieren soll. Eine entsprechende Absichtserklärung hatten beide Seiten bereits im vergangenen Jahr unterzeichnet. Darüber hinaus will sich Venezuela offenbar an dem iranischen South Pars Gasfeld beteiligen, das als das größte bislang entdeckte Gasvorkommen weltweit gilt.

Mit seinem dreitägigen Besuch in Teheran will Chávez aber auch seine Solidarität mit der »Islamischen Revolution« demonstrieren, wie er bei der Ankunft gegenüber Medienvertretern erklärte. »Zuerst werden wir über die Souveränität des iranischen Volkes und dann über unsere gemeinsamen Interessen sprechen«, kündigte der venezolanische Präsident an. Zugleich zog er eine Parallele zwischen den Angriffen auf den Iran und auf sein Land. Mit Blick auf einen Kommentar in der kolumbianischen Tageszeitung El Mundo, in dem der UN-Sicherheitsrat aufgefordert wird, gegen die »Atomspiele« Venezuelas einzuschreiten, sagte Chávez: »Das ist dasselbe Märchen des Imperialismus und seiner weltweiten Netzwerke, um die Unabhängigkeit unserer Völker zu verhindern.«

Hintergrund der Aufregung im Blätterwald ist ein von Chávez und dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew am Wochenende in Moskau unterzeichnetes Abkommen über den Bau eines Atomkraftwerks in dem südamerikanischen Land durch die russische Atombehörde Rosatom. Chávez hofft darauf, durch den Meiler die Abhängigkeit seines Landes vom Erdöl verringern zu können. Doch während die Opposition ihn deswegen bereits mit einer Atombombe hantieren sieht, gibt es auch unter den Chávez-Unterstützern Kritik an diesem Kurs. Im linken Internetportal Aporrea.org kritisiert etwa Raúl Crespo unter der Überschrift »Atommüll in Venezuela« die Absicht seines Präsidenten, dem »Atomclub der Dummköpfe« beizutreten: »Die geopolitischen Folgen dieser Atompolitik werden sehr groß sein und könnten irgendwann das Eingreifen von Ländern wie China, Rußland und anderen nach sich ziehen, mit denen wir Handels- und Wirtschaftsbeziehungen haben, die aber zugleich mit den USA verbündet sind, und die deshalb im UN-Sicherheitsrat für Sanktionen gegen uns stimmen würden, wie sie es vor einigen Monaten im Fall des Iran getan haben.«

Unterdessen hat Venezuelas Botschafter bei den Vereinten Nationen, Jorge Valero, vor den Plenum der UN-Vollversammlung die Befreiung der Welt von allen Atomwaffen gefordert. »Die einzige Garantie für Frieden und internationale Sicherheit ist die vollständige und komplette Vernichtung der Atomwaffen«, sagte der Diplomat. Ein Atomkrieg würde die Ausrottung der Menschheit bedeuten, »und die bloße Existenz dieser Waffen stellt eine der größten Gefahren dar.« Deshalb müsse die atomare Abrüstung konkret angegangen und bis spätestens 2025 umgesetzt werden, so Valero.

* Aus: junge Welt, 20. Oktober 2010

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