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Vereinte Sozialistische Partei gewinnt auch ohne Chávez

Bei den Kommunalwahlen in Venezuela verteidigt das Regierungsbündnis seine Mehrheit

Von Tobias Lambert *

Venezuelas Sozialisten haben unter dem neuen Präsidenten Nicolás Maduro die erste Wahl auf kommunaler Ebene gewonnen. Ein Rückschlag für die Opposition.

Es war ein Schlag ins Wasser. Die Opposition in Venezuela hatte die Kommunalwahlen zum Referendum über den Chávez-Nachfolger Nicolás Maduro erklärt und ist gescheitert. Nach offiziellen Angaben entfielen auf die Vereinte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) und mit ihr verbündete Parteien 49,24 Prozent der Stimmen, auf die oppositionelle Allianz »Mesa de la Unidad Democrática« (MUD) 42,72 Prozent, die Wahlbeteiligung lag bei etwa 59 Prozent.

Die politische Landkarte Venezuelas bleibt somit mehrheitlich rot eingefärbt. Mindestens 196 der insgesamt 337 Bürgermeisterposten fielen an die PSUV. Das oppositionelle Parteienbündnis MUD kam auf mindestens 53 Posten, während die Ergebnisse in den übrigen Gemeinden nach Auszählung von knapp 98 Prozent der Stimmen noch nicht feststanden.

»Heute haben wir einen großen Sieg eingefahren«, freute sich der venezolanische Präsident Nicolás Maduro. Die venezolanische Bevölkerung habe der Welt gezeigt, dass »die bolivarianische Revolution mit mehr Kraft als jemals zuvor« fortgesetzt werde. »Mission erfüllt, Ewiger Comandante (Chávez)! Die Liebe und die Loyalität haben triumphiert«, fügte der 51-Jährige mit Blick auf den von ihm als »Tag der Loyalität« mit Chávez ausgerufenen 8. Dezember hinzu. Dem Oppositionsführer Henriqué Capriles Radonski legte er aufgrund der »vierten Niederlage in Folge« einen Rücktritt nahe. »Hier hast Du Dein Referendum«, rief er ihm nach Bekanntgabe der ersten Ergebnisse zu.

Capriles selbst war im Wahlkampf äußerst präsent, so dass auch für ihn einiges auf dem Spiel stand. Am Wahlabend hielt er sich denn auch zurück. Die Ergebnisse zeigten, dass Venezuela »ein geteiltes Land« sei, dass einen Dialog brauche, verkündete er über den Kurznachrichtendienst Twitter.

Ihr Wahlziel, landesweit gerechnet die Mehrheit der Stimmen zu erringen und somit einen symbolischen Sieg einzufahren, hat die Opposition klar verfehlt. Gegenüber dem knappen Ergebnis der Präsidentschaftswahl im April dieses Jahres wurde der Abstand zur Regierungsallianz sogar wieder größer.

Kleinere symbolische Erfolge konnten beide Seiten erzielen. Im zentral gelegenen Bundesstaat Miranda, in dem Capriles Gouverneur ist, gingen 16 von 21 Rathäusern an die PSUV. Der MUD konnte sich hingegen in der chavistischen Hochburg Barinas und in einigen der bevölkerungsreichsten Städte des Landes durchsetzen. So gewann die Opposition die Bürgermeisterposten in Maracaibo und Valencia sowie erneut das Oberbürgermeisteramt des Hauptstadtdistriktes. Im wichtigsten Teil von Caracas, dem Municipio Libertador, wurde der chavistische Kandidat Jorge Rodríguez hingegen klar wiedergewählt.

Die erste landesweite Abstimmung während seiner Regierungszeit kann Nicolás Maduro als Erfolg für sich verbuchen. Die Kommunalwahlen verliefen ohne größere Zwischenfälle, die angespannte wirtschaftliche Lage nutzte der Opposition kaum. Auch die Sondervollmachten für Maduro, der mit Dekreten gegen Wirtschaftsprobleme und Korruption vorgeht, werden von der Bevölkerung offenbar mehrheitlich gut geheißen. Das ölreiche Land kämpft mit einer Wirtschafts- und Finanzkrise. Die Inflationsrate liegt bei über 40 Prozent.

Im Hinblick auf die Parlamentswahlen 2015 und ein mögliches Abwahlreferendum gegen Maduro 2016 musste die Opposition einen Rückschlag einstecken, denn entgegen ihrer Lesart der vergangenen Monate sitzt die Regierung fest im Sattel. Maduro rief noch am Wahlabend alle gewählten BügermeisterInnen zum Dialog auf und kündigte an, die »ökonomische Offensive« fortzusetzen.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 10. Dezember 2013


Erfolg für Maduro

Kommunalwahlen in Venezuela: Sozialisten bleiben stärkste Kraft

Von André Scheer **


Venezuelas Präsident Nicolás Maduro geht gestärkt aus den am Sonntag durchgeführten Kommunalwahlen hervor. Seine Vereinte Sozialistische Partei (PSUV) konnte sich landesweit klar als stärkste Kraft behaupten. Zusammen mit ihren Verbündeten erreichte sie gut 5,1 Millionen Stimmen – knapp 700000 Stimmen mehr als das rechte Oppositionsbündnis MUD – die Präsidentschaftswahlen im vergangenen April hatte Maduro bei insgesamt höherer Beteiligung nur mit einem Vorsprung von 220000 Stimmen gewinnen können. Zudem konnte sich die Linke in 212 Bezirken durchsetzen, während das rechte Lager nur 73 Städte gewann. In 52 stand der Gewinner am Montag noch nicht fest. Allerdings befinden sich unter den von der Opposition eroberten Bezirken die zweitgrößte Stadt Venezuelas, Maracaibo, sowie Valencia im Bundesstaat Carabobo. Hier war die bislang von den Sozialisten gestellte Stadtverwaltung im Oktober durch einen Korruptionsskandal erschüttert worden, der bisherige Bürgermeister Edgardo Parra sitzt in Haft. Nun konnte sich in der drittgrößten Stadt des Landes der MUD-Kandidat Miguel Cocchiola durchsetzen.

In Caracas bleibt alles beim alten. Als Oberbürgermeister des Hauptstadtdistrikts, der neben dem eigentlichen Stadtgebiet auch mehrere schon zu anderen Bundesstaaten gehörende Bezirke umfaßt, wurde der Oppositionspolitiker Antonio Ledezma knapp wiedergewählt. Der Innenstadtbezirk Libertador bleibt in den Händen des Sozialisten Jorge Rodríguez, während die umliegenden Mittelschichtsviertel weiter von der Rechten kontrolliert werden.

Die Ergebnisse wurden in Venezuela nahezu einhellig als Erfolg für die Regierung bewertet, auch wenn etwa die Rechtspostille Tal Cual von einem »Pyrrhussieg« fabulierte. Oppositionsführer Henrique Capriles Radonski, der zuvor noch auf eine Mehrheit für die Regierungsgegner gehofft hatte, wertete das Ergebnis als Beleg dafür, daß Venezuela »ein gespaltenes Land« sei, und prognostizierte für 2014 »ein sehr schweres Jahr«, weil die Regierung mit ihren wirtschaftspolitischen Maßnahmen der vergangenen Wochen nur auf den Wahltag gezielt habe.

Demgegenüber sieht der Chef des Meinungsforschungsinstituts Hinterlaces, Oscar Schemel, Capriles als »den großen Verlierer« vom Sonntag. Dessen Strategie, die kommunalen Entscheidungen zu einem Referendum gegen den Staatschef zu machen, sei gescheitert. Die Opposition müsse ihr Spitzenpersonal überprüfen, denn sie habe »eine schwache Führung ohne Inhalte«, sagte er dem Fernsehsender Globovisión. Die Wahlen hätten den Klassencharakter der politischen Differenzen in Venezuela bekräftigt, denn der Chavismo verkörpere eine Klassen­identität der ärmeren Bevölkerungsschichten, während die Opposition im Mittelstand stark sei. Das könne für die Linke mittelfristig zu einem Problem werden, wenn sie ihren Diskurs nicht anpasse.

Präsident Maduro feierte indes den »großen Sieg« seiner Partei. Das Volk habe entschieden, »daß die Bolivarische Revolution stark wie nie weitergeht«, erklärte er bei einer Kundgebung am Wahlabend auf der Plaza Bolívar im historischen Zentrum von Caracas. »Hier hast du dein Plebiszit, Caprichito«, wandte er sich mit einem wenig schmeichelhaften Spitznamen an Capriles. »Niederlage Nummer vier in Folge für die MUD und ihr korruptes Oberkommando«, kommentierte er mit Blick auf die zwei Präsidentschaftswahlen im Oktober 2012 und April 2013, die Regionalwahlen im vergangenen Dezember und nun die Entscheidung über die Kommunalparlamente.

Die linke Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen kommentierte den Ausgang der venezolanischen Wahlen über Facebook: »Bezeichnend, daß deutsche Mainstreammedien, die vor den Wahlen noch von einem Stimmungstest für den venezolanischen Präsident Nicolás Maduro gesprochen hatten, sich jetzt ausschweigen bzw. versuchen, den Erfolg der PSUV zu relativieren.«

Insgesamt waren am Sonntag gut 19 Millionen Menschen zur Teilnahme an der Wahl aufgerufen. Die Beteiligung lag mit knapp 54 Prozent für venezolanische Verhältnisse relativ hoch. Entschieden wurde über 2792 Ämter, darunter neben Mandaten in den Kommunalparlamenten 355 Bezirks- und zwei Oberbürgermeister.

** Aus: junge Welt, Dienstag, 10. Dezember 2013


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