Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Schluss mit den Privilegien

Niedriger Erdölpreis zwingt Venezuela zu Einsparungen

Von Tobias Lambert *

Aufgrund des gefallenen Erdölpreises korrigiert Venezuelas Regierung den Ende letzten Jahres aufgestellten Haushalt. Bei den Sozialausgaben ändert sich jedoch nichts.

Venezuela reagiert auf die Weltwirtschaftskrise. Die angesetzte Berechnungsgrundlage von 60 US-Dollar pro Barrel (159 Liter) Erdöl, ist für den Haushalt 2009 nicht haltbar. Dieser basiert etwa zur Hälfte auf Erdöleinnahmen. Derzeit liegt der Preis für venezolanisches Erdöl aber nur knapp über 40 Dollar. Die tägliche Fördermenge sank in Folge der von der Organisation Erdölexportierender Staaten (OPEC) beschlossenen Produktionskürzungen zudem von 3,6 auf 3,17 Millionen Barrel täglich. Am Wochenende verkündete Präsident Hugo Chávez die von der Regierung ausgearbeiteten Maßnahmen, um die gefallenen Einnahmen zu kompensieren. Ziel sei es, die in den vergangenen zehn Jahren erreichten Errungenschaften der Revolution zu erhalten und den schwächsten Teil der Bevölkerung vor den Folgen der Krise zu schützen. Eine Kürzung der Sozialausgaben hatte Chávez bereits zuvor kategorisch ausgeschlossen.

Für den nun angepassten Haushaltsentwurf gilt als Grundlage ein durchschnittlicher Erdölpreis von 40 US-Dollar pro Barrel. Das Gesamtvolumen sinkt von umgerechnet 77,86 auf 72,73 Milliarden US-Dollar, was einer Kürzung von 6,7 Prozent entspricht.

Zur Senkung der Staatsausgaben sagte Chávez den »luxuriösen Ausgaben« den Kampf an. Als Beispiele nannte er unter anderem die staatliche Anschaffung von Luxusautos, unnötige Werbeanzeigen der Regierung und Feste von Regierungsangestellten auf Staatskosten. Die Gehälter hoher Funktionäre sollen zudem auf den Prüfstand gestellt werden. »Die Privilegien müssen beendet werden. Was macht eine Person mit 15 000 Bolívares (rund 7500 US-Dollar) monatlich?«, fragte Chávez. Der Mindestlohn soll hingegen auch in diesem Jahr um gut 20 Prozent auf umgerechnet etwa 480 US-Dollar steigen.

Die bleibende Lücke im Haushalt wird durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozent sowie eine inländische Neuverschuldung von zusätzlich knapp elf Milliarden US-Dollar geschlossen werden. Derzeit ist Venezuela mit 13,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes relativ niedrig verschuldet. Der Mehrwertsteuersatz war zuletzt 2007 geändert worden. In den Zeiten hoher Erdölpreise hatte ihn die Regierung von 14 auf neun Prozent gesenkt. Die angekündigten Maßnahmen müssen in dieser Woche noch vom Parlament verabschiedet werden.

Entgegen den von Oppositionellen geäußerten Spekulationen, wertete die Regierung weder die Landeswährung Bolívar Fuerte ab, noch erhöhte sie den inländischen Benzinpreis. Chávez betonte zwar, dass dieser mittelfristig steigen müsse. Momentan sei aber »nicht der richtige Zeitpunkt«. Derzeit kostet ein Liter Benzin umgerechnet nur wenige Cents. Über die Spekulationen Oppositioneller, er werde ein »neoliberales Paket« verkünden, sagte er, dies sei »genau das, was sie selbst gemacht hätten.«

Die bolivarianische Regierung hingegen werde in den kommenden vier Jahren alleine 100 Milliarden US-Dollar außerhalb der Erdölindustrie investieren. Zudem stehe die Verstaatlichung der drittgrößten Bank des Landes, der Banco de Venezuela, an. Dies hatte Chávez bereits im Juni vergangenen Jahres erstmals angekündigt. Aufgrund ihres gefallenen Wertes sei nun der richtige Zeitpunkt, die Bank der spanischen Santander-Gruppe zu erwerben, so der Staatschef. Dadurch würde der Staat seinen Anteil am Bankensektor Venezuelas von knapp 13 auf etwa 25 Prozent erhöhen und könne so stärker »die wirtschaftliche und soziale Entwicklung vorantreiben«.

* Aus: Neues Deutschland, 25. März 2009


Zurück zur Venezuela-Seite

Zurück zur Homepage