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Endstation Caracas

Venezuelas Behörden fassen international gesuchten Terroristen. Regierungslager vor Parlamentswahlen im Aufwind

Von André Scheer *

Vor den Parlamentswahlen am 26. September wollen radikale Teile der venezolanischen Opposition offenbar mit Anschlägen für Unruhe sorgen. Das geht aus den Aussagen des international gesuchten Terroristen Francisco Chávez Abarca hervor, der am vergangenen Donnerstag auf dem internationalen Flughafen Maiquetía festgenommen wurde. Venezuelas Innenminister Tareck El Aissami sagte am Samstag bei einer Pressekonferenz in Caracas, Chávez Abarca habe gestanden, in Venezuela eine Reihe von Attentaten geplant zu haben, um Gewalt zu provozieren und die Lage zu destabilisieren. Dazu habe er Verbindung zu »faschistischen Gruppen der Konterrevolution« aufgenommen, die ihn dabei unterstützen sollten. Der Minister zeigte sich überzeugt, daß im Zuge der Ermittlungen auch aufgeklärt werden könne, wer den Terroristen bezahlt habe und welche Organisationen hinter den geplanten Anschlägen steckten.

Der aus El Salvador stammende Francisco Chávez Abarca gilt als die rechte Hand von Luis Posada Carriles, dessen Auslieferung wegen des Bombenanschlags auf ein kubanisches Verkehrsflugzeug am 6. Oktober 1976 Venezuela und Kuba bei den US-Behörden beantragt haben. Chávez ­Abarca selbst wird mit einer Reihe von Sprengstoffanschlägen auf Hotels in Kuba in Verbindung gebracht, bei denen 1997 ein italienischer Tourist getötet wurde. Teilweise soll er die Sprengsätze selbst gelegt haben, für andere beauftragte er den später verhafteten und verurteilten Söldner Ernesto Cruz León. Im gleichen Jahr soll er außerdem einen Bombenanschlag auf das Büro der kubanischen Reiseagentur Cubanacán in Mexiko-Stadt verübt haben. Auch als Posada Carriles 2000 in Panama versuchte, einen Anschlag auf den damaligen kubanischen Präsidenten Fidel Castro zu verüben, war er mit von der Partie. Zwischen 2005 und 2007 saß er außerdem als Anführer einer Bande von Autodieben in El Salvador hinter Gittern. Die Behörden erklärten damals, die von ihm geführte Gruppe sei »eine der wichtigsten Strukturen des organisierten Verbrechens« gewesen. Die Terrorismusvorwürfe gegen Chávez Abarca wurden damals jedoch nicht untersucht. Das wird sich nun ändern. In Venezuela wird damit gerechnet, daß die Behörden einem kubanischen Auslieferungsersuchen stattgeben werden, damit ihm auf der Insel der Prozeß gemacht werden kann.

Die Verhaftung von Chávez Abarca war am Freitag (Ortszeit) vom venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez bekanntgegeben worden. »Was wollte er in Venezuela? Wer hat ihn hier erwartet? Dieser Herr ist gekommen, um mich umzubringen, daß sagt mir mein Herz«, erklärte der Staatschef. Hintergrund sei die bevorstehende Niederlage der Opposition bei den Parlamentswahlen. »Sie glauben nicht an die Wahlen, weil sie wissen, daß wir sie am 26. September wieder besiegen werden. Deshalb rufen sie zu Gewalt und zum Umsturz auf«, warnte Chávez.

Tatsächlich deuten jüngste Umfragen auf einen Erfolg des Regierungslagers hin. So ermittelte das Meinungsforschungsinstitut GIS XXI in einer am Donnerstag veröffentlichten Studie für die regierende Vereinte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) ein Ergebnis von 41,8 Prozent der Stimmen, was gegenüber der Umfrage im Mai ein Zuwachs um fast sechs Prozentpunkte bedeutet. Die mit der PSUV verbündete Kommunistische Partei (PCV) kommt demnach auf 2,2 Prozent, während die aus dem Regierungslager ausgescherte Partei Heimatland für alle (PPT), die nun für einen »dritten Weg« wirbt, nur noch mit 1,3 Prozent rechnen kann. Die Oppositionsparteien sieht das Institut zusammen bei 20 Prozent, gut drei Prozentpunkte weniger als im Mai. Rund 28 Prozent der Befragten zeigten sich noch unentschieden.

In dieser Situation hofft die Opposition auf Hilfe aus dem Ausland. Der Generalsekretär der Oppositionspartei Demokratische Aktion (AD), Henry Ramos Allup, präsentierte bei einer Pressekonferenz am Donnerstag in Caracas eine Erklärung der Sozialistischen Internationale über die Lage in Venezuela. Darin wirft der internationale Zusammenschluß von 170 sozialdemokratischen Parteien der »autoritären« venezolanischen Regierung vor, eine »Demokratur« zu errichten. »Wir venezolanischen Demokraten sind nicht allein«, jubelte Allup deshalb.

* Aus: junge Welt, 5. Juli 2010


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