Die Revolution bekommt ihre Partei
Die Gründung der Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas steht kurz vor dem Abschluss
Von Tobias Lambert, Mérida *
Kommendes Wochenende (1./2. März) sollen das Programm und die Statuten der Vereinten Sozialistischen
Partei Venezuelas verabschiedet werden. Ein interner Konflikt überschattet den seit Mitte Januar
tagenden Gründungskongress der von Hugo Chávez propagierten Partei.
Seine erste Wahl gewann Hugo Chávez in Venezuela 1998 mit einem Anti-Parteien-Wahlkampf. So
ist es kein Zufall, dass sich seine »Bewegung Fünfte Republik« (MVR) zwar als Wahlplattform für die
Aufstellung von KandidatInnen, niemals aber als Partei mit festen Strukturen etablierte. Nun jedoch
bekommt der bolivarianische Prozess mit der »Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas« (PSUV)
eine Massenpartei, die laut dem venezolanischen Präsidenten die »demokratischste und größte in
der Geschichte Venezuelas« werden soll.
Fast 5,7 Millionen Menschen hatten sich letztes Jahr für eine Mitgliedschaft eingeschrieben, wovon
laut Aktivisten fast eine Million tatsächlich an den Diskussionen der Basis teilnahmen. Erstmals
werde eine Partei »von unten« gegründet, betonte Chávez. Die Revolution dürfe »nicht von einer
Person oder Elite« abhängen. Nach mehrmaliger Verschiebung tagt der Gründungskongress nun
seit Mitte Januar dieses Jahres. Beinahe wöchentlich diskutieren die fast 1700 von der Basis
gewählten Delegierten seitdem an 50 Runden Tischen über Prinzipien, Statuten, Struktur und
Programm der neuen Partei.
Die Verabschiedung der jeweiligen Dokumente ist für kommendes Wochenende vorgesehen. Am 8.
und 9. März soll die Gründung mit der Wahl des Nationalen Komitees abgeschlossen werden, das
vorerst bis zu den Regionalwahlen im November Bestand haben soll. Für diese Wahlen, die Chàvez
in Anlehnung an das verlorene Verfassungsreferendum im Dezember letzten Jahres als »die große
Revanche« ausgerufen hat, muss zudem noch ein Auswahlmechanismus für die chavistischen
Kandidaturen festgelegt werden.
Dass aus der heterogenen Zusammensetzung der PSUV auch Konflikte erwachsen, ist
unvermeidlich. Bereits bei der Wahl der Delegierten im vergangenen Jahr wurden Spannungen
zwischen Funktionären und Basis offensichtlich. Etablierte Politiker hatten in einigen Fällen versucht,
ihnen genehme Kandidaten durchzusetzen.
Auch die Parteigründung wird derzeit durch einen Konflikt überschattet, welcher der Partei noch vor
ihrer Gründung ernsthaften Schaden zufügen könnte. Der dem linken Parteiflügel zugehörige
Parlamentsabgeordnete Luís Tascón hatte Mitte Februar finanzielle Unregelmäßigkeiten beim Kauf
von Fahrzeugen für das Infrastrukturministerium ausgerechnet in oppositionellen Medien publik
gemacht. Daraufhin entbrannte eine wahre Schlammschlacht zwischen ihm und Diosdado Cabello,
dem Gouverneur des Bundesstaates Miranda, dessen Bruder zum Zeitpunkt des vermeintlichen
Kaufes der Fahrzeuge Minister für Infrastruktur war. Der wohlhabende Geschäftsmann Cabello wird
von Tascón und zahlreichen BasisaktivistInnen als Kopf einer »endogenen Rechten« innerhalb des
Chavismus angesehen, die sich gegen mehr Basispartizipation wehre.
2007 wurde Cabello Vorsitzender eines provisorischen Disziplinarausschusses der PSUV, der ins
Leben gerufen worden war, ohne dass Parteistatuten existiert hätten. Er bezeichnete die von Tascón
erhobenen Vorwürfe als »völlig falsch« und den Abgeordneten selbst als Vertreter einer »falschen
Linken«, die der wahre Feind des bolivarianischen Prozesses sei.
Zusammen mit Ex-Vizepräsident Jorge Rodríguez verkündete Cabello im Staatsfernsehen VTV
letzte Woche gar den Parteiausschluss von Tascón. Dies habe der Gründungskongress einstimmig
beschlossen, weil Tascón durch seinen öffentlichen Vorstoß der Opposition in die Hände gespielt
habe, anstatt den Fall intern zu regeln. Der Ausschluss entpuppte sich allerdings als Lüge. Zwar
hatte Chávez selbst in einer Rede auf dem Gründungskongress den Ausschluss Tascóns gefordert,
eine Abstimmung fand jedoch nicht statt. »Die einzige Autorität die ich anerkenne und die mich
ausschließen könnte, ist der Gründungskongress«, entgegnete der Abgeordnete. Er wolle Chávez
weiterhin unterstützen, auch wenn dieser sich in diesem Fall geirrt habe.
Seitdem überhäufen sich
Tascón und Cabello in den Medien gegenseitig mit Vorwürfen. Das Thema steht nun auf der
Tagesordnung des Gründungskongresses. Bis Partei und bolivarianischer Prozess ohne die
unumstrittene Führungsfigur Chávez auskommen werden, ist es indes noch ein weiter Weg. Am
vergangenen Wochenende wählten ihn die Delegierten wie erwartet einstimmig zum Präsidenten der
PSUV.
* Aus: Neues Deutschland, 28. Februar 2008
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