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Chávez' Basis wählte ihre Kandidaten

Vereinte Sozialistische Partei rüstet sich für die Regionalwahlen im November

Von Maxim Graubner *

Die Basis der im Dezember 2007 gegründeten Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) hat am Wochenende ihre Kandidaten für die Regionalwahlen im November bestimmt.

Als ein »beispielloses Ereignis in der Geschichte Venezuelas« bezeichnete Staats- und Parteichef Hugo Chávez die Vorwahlen seiner jungen Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV). Die über fünf Millionen Mitglieder der Megapartei waren am Sonntag aufgerufen, ihre Kandidaten für die Regionalwahlen im November zu bestimmen. Schließlich nahmen 2,5 Millionen Menschen daran teil. Ziel sei die Teilnahme der 1,5 Millionen in den Basisgruppen aktiven Mitglieder gewesen, verlautete aus dem Vorstand. Diese Zahl ist weit übertroffen worden. Damit sei die Abstimmung »ein 100- prozentiger Erfolg«, ließ Chávez verlauten.

Knapp 5000 Bewerber stellten sich zur Wahl für die Kandidatur zu über 300 Ämtern. Vorstellen konnten sich die Anwärter in parteiinternen Foren oder in Fernseh-Diskussionsrunden.

Viele Kandidaturen waren von mehreren bekannten Perönlichkeiten umworben. Im Bundesstaat Carabobo war der viel kritisierte bisherige Gouverneur Luis Felipe Acosta Carlez auf Druck des Parteivorstands nicht angetreten. Fernsehmoderator Mario Silva soll sich nach dem Willen der Basis dort nun um dessen Nachfolge bewerben. Im Nachbarstaat Yaracuy war Gouverneur Carlos Giménez wegen Korruptionsvorwürfen aus der PSUV ausgeschlossen worden und konnte deshalb gar nicht bei den Vorwahlen antreten.

Yaracuy ist zudem einer von acht Staaten, in denen keiner der Anwärter bei den Vorwahlen die erforderliche Mehrheit von über 50 Prozent der Stimmen oder 15 Prozent Vorsprung vor dem Zweitplatzierten erreichte. In solchen Fällen obliegt es dem Parteivorstand, aus den drei Bestplatzierten einen Kandidaten auszuwählen. Bis Ende der Woche will dieser sich festgelegt haben.

In der bisherigen Oppositionshochburg Zulia hatten zwei bekannte Persönlichkeiten ihren Anspruch auf eine Kandidatur angemeldet. Den Kampf um die Nachfolge des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten der Opposition, Manuel Rosales, soll nun der Bürgermeister der Stadt Maracaibo, Giancarlo di Martino, aufnehmen. Ihm unterlag Rodrigo Cabezas, Mitglied im Parteivorstand der PSUV und ehemaliger Finanzminister.

Auch Freddy Bernal, ebenfalls Vorstandsmitglied und bisher Bürgermeister von Caracas, erreichte keine Mehrheit. Er hatte sich für den Gouverneursposten in Vargas beworben. Dort setzte sich aber der ehemalige Verteidigungsminister General a.D. Jorge Garcia Carneiro durch. Bernals Nachfolger als Bürgermeister der Hauptstadt soll nach Meinung der Basis der ehemalige Vizepräsident Jorge Rodríguez werden, der als einer der Väter der erst Anfang März endgültig gegründeten PSUV gilt.

Eines der besten Ergebnisse erzielte der populäre frühere Bildungsminister Aristobulo Istúriz mit knapp 95 Prozent Zustimmung. Der dem linken Flügel zuzurechnende Afrovenezolaner hatte sich um die Kandidatur für das Oberbürgermeisteramt im Hauptstadtbezirk beworben. Bereits bei den Wahlen zum 15-köpfigen Parteivorstand im Frühjahr hatte er das beste Ergebnis erzielt.

Basisvertreter hatten die Vorwahlen als entscheidend für die Entwicklung der Organisation bezeichnet. Nur damit habe man eine Chance, die drohende Niederlage bei den Regionalwahlen abzuwenden. Derzeit hat die Regierungspartei PSUV noch die große Mehrheit der Gouverneurssitze und Bürgermeisterämter inne, doch an vielen Orten herrscht Unzufriedenheit über die Amtsführung der »Chavisten«. Korruption und Misswirtschaft sind auch unter den Mandatsträgern der »bolivarischen Revolution« verbreitet. Durch die nun vollzogene direkte Auswahl der »fähigsten Kandidaten« durch die Basis hofft die PSUV verlorenes Vertrauen in Vertreter des Regierungslagers zurückzugewinnen.

* Aus: Neues Deutschland, 4. Juni 2008


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