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Ohne Lizenz kein Betrieb

Venezuela: Mehrere TV- und Rundfunksender geschlossen

Von André Scheer *

Zwei Fernsehsender und 32 Radiostationen mußten am vergangenen Wochenende in Venezuela ihren Betrieb einstellen. Damit hat die derzeit laufende Kampagne der venezolanischen Regierung zu einer Neuregulierung der Medienlandschaft in dem südamerikanischen Land einen neuen Höhepunkt erreicht. Betreiber dieser kommerziellen Sender verurteilten dies wie üblich als »Angriff auf die Meinungsfreiheit«.

Im Juni hatte die Nationale Kommission für Telekommunikation (Conatel), die für die technischen Anlagen der Rundfunk- und Fernsehsender zuständige Behörde, die Überprüfung der teilweise vor Jahrzehnten erteilten Sendelizenzen auf ihre Gültigkeit hin eingeleitet. Conatel forderte die Lizenzinhaber auf, sich persönlich bei der Behörde zu melden und ihre Sendegenehmigung vorzulegen. 86 und damit fast die Hälfte der auf Mittelwelle aktiven Stationen sowie 154 UKW-Stationen folgten der Aufforderung nicht, und auch 45 lokale Fernsehstationen konnten keinen Lizenzinhaber vorweisen. Teilweise sind die ursprünglichen Inhaber der Lizenzen längst verstorben, womit die Genehmigung erloschen ist. Das aber hatte bislang keinen der Betreiber gekümmert.

Die meisten der betroffenen Sender strahlten keine eigenen Produktionen aus, sondern waren Teil kommerzieller Ketten und übernahmen lediglich das Programm ihrer Zentrale. Das war einer der Auslöser für die Überprüfung. Conatel-Chef Diosdado Cabello, der zugleich Minister für öffentliche Arbeiten und Wohnungsbau ist, wies darauf hin, daß momentan keine Person in Venezuela mehr als fünf Sendelizenzen besitzt, während diese Ketten ihr Programm über Dutzende Sender ausstrahlen. »Die Eigentümer wissen, daß sie sich illegal zwölf, 14, 15 oder sogar 20 Sender angeeignet haben«, kritisierte Cabello. Das sei eine Form von Großgrundbesitz in der Medienlandschaft. Es gehe nicht darum, Sender zu schließen, sondern die Rundfunklandschaft Venezuelas zu demokratisieren.

»Hier wird gesagt, daß wir Lizenzen entziehen, aber das stimmt nicht«, betonte Minister Cabello. »Der Staat holt sich nur die Lizenzen zurück, die mehr als 30 Jahre lang illegal genutzt wurden. Das ist ein Akt der Gerechtigkeit, um dem Volk mehr Macht zu geben.« Die bekannteste von den Maßnahmen der Regierung betroffenen Station ist Circuito Nacional Belfort (CNB). Caballo forderte die Besitzer der Senderkette auf, ein Dokument vorzulegen, in dem ihnen Conatel die Nutzung der Frequenz 102,3 Mhz in Caracas erlaubt.

Ursprünglich war die Lizenz auf eine Rosa Rodríguez de Guiscafre ausgestellt worden, die später offiziell auf die Nutzung der Frequenz verzichtet hatte, als CNB dort begann, sein Programm auszustrahlen. Das kommerzielle Medienunternehmen hatte jedoch nie die für eine Genehmigung nötigen Schritte unternommen. CNB, das dem Unternehmer Nelson Belfort gehört, nutzte bislang insgesamt 51 Sender auf UKW und Mittelwelle und hat seine Tätigkeit nach den Maßnahmen der Conatel auf das Internet verlagert.

Seit dem Amtsantritt von Präsident Hugo Chávez vor zehn Jahren hat die Menge der Rundfunk- und Fernsehsender offiziellen Angaben zufolge deutlich zugenommen. Von 494 UKW-Sendern im Jahr 1998 stieg ihre Zahl auf aktuell 794. Davon sind 472 Privat- und 243 nichtkommerzielle Basissender. Weniger als ein Zehntel der Sender gehört zum staatlichen Radio Nacional de Venezuela. Im Bereich des Fernsehens gab es 1998 29 Privatkanäle und zwei staatliche Sender. Heute sind es 65 private, sechs staatliche und 37 Gemeindesender.

* Aus: junge Welt, 5. August 2009

Tausende in Venezuela demonstrieren gegen Radio-Schließung

In Venezuela sind mehrere tausend Menschen aus Protest gegen die Schließung von mehr als 30 Rundfunksendern auf die Straße gegangen. Die Demonstranten in der Hauptstadt Caracas und anderen Städten des Landes warfen Staatschef Hugo Chávez am Samstag (1. August) Zensur vor. Die Regierung hatte am Vortag die Schließung von 34 Radio- und TV-Sendern veranlasst.

Mehrere hundert Menschen versammelten sich in Caracas vor der Regulierungsbehörde Conatel, die am Freitag die Schließung von 32 Radiostationen und zwei Fernsehsendern angeordnet hatte. Danach zogen die Demonstranten zu den verbotenen Sendern weiter. In Sprechchören bezeichneten sie Chávez als "Diktator", der die Medien zensiere und die Pressefreiheit unterdrücke. Auch in anderen Städten Venezuelas gab es Proteste gegen das Senderverbot.

Die Sender hätten gesetzliche Auflagen nicht eingehalten, erklärte Conatel-Chef Diosdado Cabello am Freitag zur Begründung. Als Beispiel nannte er ausgelaufene Sendelizenzen. Staatschef Chávez verteidigte die Anordnung am Samstag in einer Fernsehansprache: Seine Regierung habe die Sender "zurück in die Hände des Volkes gelegt und nicht der Bourgeoisie". Die Behörden drohen weiteren 200 Sendern mit der Schließung.

Die für freie Medienberichterstattung eintretende Organisation Espacio Publico warf Chávez vor, kritische und unabhängige Berichte verhindern zu wollen. "Wir sind Zeugen des härtesten Durchgreifens gegen freie Meinungsäußerung", die es in der venezolanischen Demokratie je gegeben habe, erklärte Organsationschef Carlos Correa. Er wies auf einen Gesetzesentwurf der Regierung hin, wonach Journalisten für "Medienverbrechen" ins Gefängnis gesteckt werden sollten. Auch durch andere Regelungen solle die Medienberichterstattung eingeschränkt werden.

Unter Chávez, der vor zehn Jahren sein Amt antrat, gerieten die Medien des Landes zuletzt zunehmend unter Druck. 2007 wurde die Sendelizenz des großen privaten Fernsehsenders RCTV nicht verlängert, der regierungskritisch berichtet hatte. Auch dem Fernsehsender Globovision drohten die Behörden mit der Schließung. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warf Chávez erst kürzlich "Zensur" und "Machtmissbrauch" vor.

Die Anhänger des Präsidenten verteidigen die Einschränkung der Senderechte für Radio und Fernsehen hingegen als "Demokratisierung" der Medien, die bislang von wenigen Eigentümern kontrolliert worden seien. Laut Kommunikationsministerin Blanca Eekhout macht eine "internationale Medienkampagne gegen die venezolanische Revolution" die stärkere Regulierung notwendig.

Nachrichtenagentur AFP, 2. August 2009



Konflikt um neue Medienpolitik in Venezuela

Regulierungsbehörde schließt private 34 Sender. Zahl der privaten Radios in Venezuela stark gestiegen

Von M. Daniljuk **


Caracas. Die Zulassungsbehörde für Radio- und TV-Frequenzen (Conatel) gab am Wochenende bekannt, dass sie 34 privaten Sendern die Frequenz entziehen wird. Grundlage für die Entscheidung sei eine Überprüfung des verwaltungstechnischen und steuerlichen Status der privaten Medienunternehmen. Insgesamt betraf die Überprüfung 285 Radio- und Fernsehsender, von denen keine aktuellen Daten vorlagen. Die meisten der nun von der Schließung bedrohten Unternehmen seien der Aufforderung, aktuelle Unterlagen bei der Conatel einzureichen, nicht nachgekommen. Die letzte derartige Aktualisierung der Zulassungen war in den 1970er Jahren durchgeführt worden. Seitdem haben sich die Besitzverhältnisse vieler Medienunternehmen verändert, ohne dass die Unternehmen entsprechende Veränderungen bei der Regulierungsbehörde gemeldet haben.

Am Samstag (1. August) demonstrierten dutzende Oppositionsanhänger vor einem der betroffenen Sender, der Radiostation CNB 102.3 FM. Deren Direktor, Belfort Yibirin, hatte die Entscheidung der Conatel öffentlich angefochten und verwies am Rande der Kundgebung auf Unterlagen, die beweisen würden, dass die Verwaltungsentscheidung gegen seinen Sender unrechtmäßig sei. Man habe die erforderlichen Unterlagen mehrmals eingereicht. Die Conatel widersprach dieser Darstellung heute. Minister Cabello präsentierte öffentlich die Zulassungsurkunde der umstrittenen Frequenz aus dem Jahr 1983 und verwies darauf, dass sie auf eine andere Person als Belfort Yibirin ausgestellt sei, der dem Gesetz zufolge der Anmelder sein müsse. Weiterhin bestand Cabello darauf, dass der Direktor von CNB anders als behauptet der Conatel keine Nachweise über die Gültigkeit und die Rechtmäßigkeit der von ihm genutzten Frequenz vorgelegt habe.

Die venezolanische Regierung hatte die Inventur der vergebenen Frequenzen von Anfang an damit begründet, dass der Anteil der von Privatunternehmen genutzten Frequenzen weiter reduziert werden soll. Der Direktor der Regulierungsbehörde, Diosdado Cabello, hatte Anfang Juli einen Bericht über die Entwicklung der Frequenzvergabe vorgelegt. Danach wurden seit Amtsantritt der Regierung Chávez vor 10 Jahren landesweit 240 UKW-Frequenzen an alternative und kommunitäre Radios vergeben. Damit hat sich der Anteil der von Privatunternehmen verwerteten UKW-Frequenzen um 30 Prozent reduziert - von 97 Prozent um Jahr 1998 auf 57 Prozent im Juli 2009. Allerdings ist die Gesamtzahl der Rundfunksender im gleichen Zeitraum rasant gestiegen: Während 1998 erst 300 UkW-Frequenzen an Radios vergeben waren, sind es heute 794 Kanäle. So ist unter der Regierung Chávez auch die Zahl der zugelassenen privaten Radiosender um landesweit 191 Sender auf heute insgesamt 472 gestiegen.

** Aus: Portal Amerika21.de, 3. August 2009; www.amerika21.de

Unter Kontrolle

Die Regierung Venezuelas hat am Montag die Besetzung von Kaffeeröstereien zweier Unternehmen angeordnet. Auf diese Weise solle »die Versorgung des venezolanischen Volkes« mit Kaffee gesichert werden, sagte Landwirtschaftsminister Elías Jaua im staatlichen Fernsehen. Die Regierung beschuldigt die Firmen Fama de America und Café Madrid, durch Betrug und die Ausnutzung einer Monopolstellung für einen Kaffeemangel verantwortlich zu sein. Verbandsangaben zufolge ist die Produktion in Venezuela seit 1998 um rund ein Drittel eingebrochen.

Die Produktionsstätten beider Unternehmen sollen für drei Monate unter staatlicher Kontrolle bleiben. In dieser Zeit will die Regierung die Bücher eingehend prüfen. »Sollte wir bei der Prüfung belegen können, daß die Firmen Kaffee geschmuggelt oder zurückgehalten haben, oder sollten wir unlauteres oder monopolistisches Verhalten feststellen können, könnten wir zu einer Verstaatlichung schreiten«, sagte Jaua. (AFP/jW)

*** Aus: junge Welt, 5. August 2009




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