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Chávez läßt Strom sparen

Südamerika leidet unter Dürre, Wasserkraftwerke fallen aus. Venezuelas Regierung setzt auf Energieeffizienz und modernisiert das System

Von Maxim Graubner, Caracas *

Venezuelas Präsident macht den Anfang: Hugo Chávez kündigte an, daß der Präsidentenpalast Miraflores seinen Energieverbrauch um 50 Prozent reduzieren werde. Damit will der Linkspolitiker ein Zeichen setzen und einen Beitrag zur Bekämpfung der derzeit immer wieder vorkommenden Stromausfälle leisten. In der Hauptstadt Caracas treten diese nur vereinzelt in unterschiedlichen Stadtteilen auf, im westlichen Mérida und anderen Städten des Landes wird der Strom allerdings derzeit regelmäßig für ein bis zwei Stunden in den Abendstunden unterbrochen.

Verbrauch zu hoch

Es gibt zu wenig Regen in Südamerika, der Kontinent leidet unter einer anhaltenden Dürre. Neben Auswirkungen auf die Landwirtschaft ist auch die Stromversorgung betroffen. Besonders Venezuela bekommt dadurch erhebliche Probleme - der meiste Strom des Landes kommt aus Wasserkraftwerken. Diese können bei niedrigen Wasserständen in Stauseen und Flüssen nicht die volle Leistung erbringen.

Chávez rief daher seine Landsleute zum Energiesparen auf. Eine großangelegte Kampagne soll nun die Bevölkerung sensibilisieren. 20 Prozent weniger Verbrauch, so das ehrgeizige Ziel der Regierung. Derzeit steht Venezuela an der Spitze beim Pro-Kopf Energieverbrauch in Lateinamerika. Der stark gewachsene Lebensstandard der Venezolaner durch beständiges Wirtschaftswachstum und umfangreiche Sozialprogramme hat auch den Stromverbrauch in die Höhe getrieben.

Wie schon 2007 werden jetzt Millionen Energiesparlampen kostenlos verteilt. Zudem wurde ein Importstopp für Stromfresser wie ineffiziente Klimaanlagen eingeführt. Dazu verspricht sich die Regierung eine Verbesserung der Lage durch neue Stromtarife. Vielverbraucher müssen zukünftig mit Zusatzkosten rechnen und Haushalte, die ihren Energieverbrauch im Vergleich zum durchschnittlichen Jahresverbrauch verringern, müssen die aktuelle Rechnung nicht bezahlen.

Auch die Privatwirtschaft soll seinen Anteil zur Sicherung der Energieversorgung beitragen. Vizepräsident Ramón Carrizales appellierte an diese, ihren Energieverbrauch zu reduzierten, sowie eigene Kapazitäten mittels dezentraler Gas-, Öl- oder Solaranlagen aufzubauen. Dafür notwendige Importe wurden von Steuern befreit. Treibstoff wird von der Regierung kostenlos zur Verfügung gestellt. Doch der Vizepräsident beließ es nicht dabei. Wer dem Appell nicht folge, könne verstaatlicht werden, deutete Carrizales an und wandte sich direkt an die größten privaten Energienutzer im Land: die Polar-Gruppe sowie die Betreiber der riesigen Einkaufszentren.

Überkapazitäten im Privatsektor müßten zudem in das nationale Verteilungsnetz eingespeist werden. Geschehe dies nicht, so ist das neue Elektrizitätsministerium ermächtigt, private Stromanlagen zu beschlagnahmen, um »sie in den Dienst der Bevölkerung zu stellen«, sagte Präsident Chávez. Mittels kurzfristiger Investitionen von umgerechnet über 120 Millionen Euro (413 Millionen Bolivares Fuertes) will die Regierung außerdem die Fertigstellung von staatlichen Entwicklungsprojekten im Energiesektor beschleunigen. Damit solle die Gesamtleistung bereits bis Anfang 2010 um knapp zehn Prozent angehoben werden. Seit Chávez' Amtsantritt 1999 wurden die Kapazitäten bereits um 40 Prozent erhöht, doch auch der Bedarf von Wirtschaft und Privathaushalten stieg gleichermaßen, betonte Energieminister Rafael Ramírez.

Mehr Kraftwerke

Bis 2014 will die Regierung die Kapazitäten nochmal um fast 50 Prozent erhöhen. In den vergangenen Jahren wurden Dutzende Kraftwerksprojekte angestoßen. Moderne Gaskraftwerke und weitere Wasserkraftwerke sowie Solaranlagen sind im Bau oder geplant. Doch die Fertigstellung dauert oft länger als erhofft, dem Management des 2007 geschaffenen nationalen Staatskonzerns (CORPOELEC) wurde zudem aus den eigenen Reihen Mißwirtschaft vorgeworfen. Die Gewerkschaft der Elektrizitätsarbeiter beklagte immer wieder die Unfähigkeit der Unternehmensleitung.

Chávez kündigte an, daß eine Beteiligung der Gewerkschaft an den Konzernentscheidungen eingeleitet werde, um eine bessere Kontrolle des Managements zu gewährleisten - eine alte Forderung der Arbeiter. Ein erstes Zeichen des Präsidenten in diese Richtung war die Ernennung von Angel Rodríguez zum Elektrizitätsminister und damit auch zum neuen Chef von CORPOELEC. Rodríguez ist ein bekannter Gewerkschafter aus der Bewegung des Präsidenten. Zuletzt leitete er als Abgeordneter im Parlament die Energiekommission.

* Aus: junge Welt, 13. November 2009


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