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Venezuela vor kurzem und hartem Wahlkampf

Nicolás Maduro kann mit über 50 Prozent der Stimmen rechnen

Von Harald Neuber, Caracas *

Venezuelas Oppositionsführer Henrique Capriles, mehrfacher Wahlverlierer, kopiert im Kampf um die Nachfolge von Präsident Hugo Chávez dessen Lager. Das wird ihn aber sehr wahrscheinlich auch nicht zum Staatsoberhaupt machen.

Einige Tage vor dem offiziellen Beginn der Kampagne für die Präsidentschaftswahl am 14. April spitzt sich der Ton in der Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition deutlich zu. Der Kandidat der regierenden Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV), Nicolás Maduro, hat der Opposition erneut vorgeworfen, die wirtschaftlichen Probleme des Landes durch Devisenspekulation zu verstärken. Damit sei die »Bourgeoisie«, wie Maduro das gegnerische Lager nennt, maßgeblich für die Probleme der Wirtschaft verantwortlich. Henrique Capriles, der erneut für das rechtsgerichtete Bündnis MUD antritt, konterte: Maduro sei ein »Lügner, der weiterregieren will«.

Knapp drei Wochen vor dem Wahltermin bleibt dem 40-jährigen Capriles nur der Angriff. Selbst nach einer Meinungserhebung des tendenziell regierungskritischen Umfrageinstituts »Datanálisis« liegt der 49-jährige Maduro mit 53,1 Prozent gegenüber 35,6 Prozent für Capriles deutlich in Führung. Der Opposition gelingt es also auch nach dem Tod von Präsident Hugo Chávez am 5. März nicht, das Ruder herumzureißen. Der Chavismus hat eine stabile Basis in der sozial benachteiligten Bevölkerungsmehrheit und bei einem bedeutenden Teil der Mittelschicht. Diese Befürworter des Transformationsprozesses, der sogenannten Bolivarischen Revolution, sehen in der Wahl zugleich eine Abstimmung über das politische Projekt. Verstärkt wird diese Haltung dadurch, dass der gesamte Wahlkampf auf Hugo Chávez und die »Verteidigung der Revolution« ausgerichtet ist.

Die Strategie Capriles' liegt in der Imitation. Zur Verwunderung politischer Freunde und Gegner präsentiert er sich auf einmal fortschrittlich. Während sich Maduro nach einer Zählung der Oppositionspresse täglich über 200 Mal auf den verstorbenen Chávez beruft, kopiert Capriles den politischen Diskurs der Chavisten. Sein Wahlkampfteam - in Venezuela »Kommando« genannt und üblicherweise mit einem schmissigen Namen versehen - nannte er nach dem Nationalhelden »Kommando Simón Bolívar«. Sein Wahlspruch »Hay un Camino« (Es gibt einen Weg) erinnert an die Reden von Chávez, der immer wieder vom »Weg der Revolution« gesprochen hatte. Auch die Begriffe »Volk« und »Vaterland« tauchen jetzt regelmäßig in den Reden des rechten Herausforderers auf, der seinen Wandel in einem Interview mit der Tageszeitung »El Universal« deutlich machte: »Im Geist bin ich nun ein progressiver Anführer.«

Maduro ficht das nicht an. Bei einer Fernsehdebatte mit rund 100 Künstlern und Intellektuellen aus aller Welt, die zu einem Solidaritätskongress nach Caracas gekommen waren, gab sich der ehemalige Gewerkschafter Anfang der Woche entspannt. Ebenso wie früher Chávez bot er den Zuschauern die Möglichkeit zur Teilnahme über den Kurznachrichtendienst Twitter. Dabei las er auch die kritischen Nachrichten vor. So wurde er aufgefordert, »nicht nur in den eigenen Medien aufzutreten, sondern auch in oppositionellen Medien«. Damit habe er kein Problem, entgegnete Maduro, er würde sogar zum extrem regierungskritischen Fernsehsender »Globovisión« gehen. »Die haben da mehr Probleme als ich«, fügte er an, »denn demnächst müssten sie mich als Präsidenten einladen«.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 28. März 2013


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