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Schüsse im Wahlkampf

Venezuela: Gewalttätige Auseinandersetzungen bei Kundgebung der Opposition. Chávez bleibt Favorit *

Venezuelas Innenminister Tareck El Aissami hat am Montag (5. März) der Opposition des südamerikanischen Landes vorgeworfen, im Präsidentschaftswahlkampf auf eine »Agenda der Destabilisierung« zu setzen. Dazu gehörten das Verbreiten von Gerüchten und Falschinformationen, etwa um den Gesundheitszustand des Präsidenten oder eine angeblich bevorstehende Verstaatlichung von Privatbanken. »Unsere Opposition ist nicht konstruktiv, sondern eine Schöpfung der Medien mit dem Ziel der Rückkehr zum Neoliberalismus und zu den Privatisierungen, was bedeuten würde, alle in den vergangenen 13 Jahren erzielten sozialen Errungenschaften aufzugeben.«

Anlaß für die Äußerungen des Ministers waren schwere Auseinandersetzungen zwischen Oppositionellen und Regierungsanhängern am Sonntag in San José de Cotiza, einem bevölkerungsreichen Viertel der Hauptstadt Caracas. Der Präsidentschaftskandidat der Opposition, Henrique Capriles Radonski hatte in dem Viertel einen »Rundgang« veranstaltet, ohne diesen zuvor mit den Behörden zu koordinieren. Dies sei jedoch normalerweise üblich, um genau solche Zwischenfälle zu verhindern, kritisierte El Aissami. Statt mit den zuständigen Stellen zu sprechen, habe sich Capriles Radonski von bewaffneten, aber in Zivil gekleideten Polizisten aus dem von ihm regierten Bundesstaat Miranda begleiten lassen. Von diesem Begleitschutz seien die gewalttätigen Zwischenfälle provoziert worden. »Sie haben eine Show abgezogen, um ihre Veranstaltung zu einer Nachricht zu machen«, erklärte der Minister. Er kündigte an, die Urheber der Krawalle müßten sich vor Gericht verantworten, »egal, welcher politischen Richtung sie angehören«.

Die Opposition macht die regierende Vereinte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) für die Auseinandersetzungen verantwortlich, bei denen offenbar auch Schüsse abgegeben worden waren und Angaben der Generalstaatsanwaltschaft zufolge ein Mann verletzt wurde. Capriles schrieb über den Kurznachrichtendienst Twitter, die Angreifer seien auf Motorrädern gekommen. Demgegenüber gab PSUV-Vizechef Diosdado Cabello den Regierungsgegnern die Schuld an der entstandenen Situation. Die Opposition stelle ihre »geringen Kenntnisse« der Verhältnisse auf der Straße unter Beweis.

Trotz seiner Erkrankung bleibt Venezuelas Präsident Hugo Chávez Favorit für die Wahlen am 7. Oktober. Am Montag (Ortszeit) veröffentlichte das Meinungsforschungsinstitut Hinterlaces die Ergebnisse einer neuen Umfrage. Demnach habe sich die Zahl der Venezolaner, die die Amtsführung des Staatschefs positiv beurteilen, auf 66 Prozent erhöht. 52 Prozent der Befragten erklärten, für Chávez stimmen zu wollen, nur 34 Prozent präferierten Henrique Capriles.

Am Wochenende hatte der Amtsinhaber in einer Fernsehansprache bestätigt, daß der in der vergangenen Woche in Havanna entfernte Tumor ebenfalls bösartig gewesen sei. Damit müsse er sich erneut einer Strahlentherapie unterziehen, kündigte er an.

(PL/AVN/AFP/jW)

* Aus: junge Welt, 7. März 2012


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