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Alles spricht für Maduro

Chávez' Stellvertreter liegt in den Umfragen klar vorn

Von Malte Daniljuk, Caracas *

Venezuelas Wahlkampf geht in die Endphase. Regierung und Opposition versprechen gleichermaßen höhere Löhne und mehr Wohnungen. Favorit Nicolás Maduro ließ sich gestern auf seiner Abschlusskundgebung in der Hauptstadt Caracas feiern.

Der Wahlkampf war kurz, aber intensiv: Zwei Wochen überzogen die beiden großen politischen Lager Venezuelas das Land mit Großkundgebungen. Sämtliche Straßen in Caracas stehen im Zeichen der Wahlen. Während an den Laternenmasten die blauen Plakate für den Herausforderer Henrique Capriles werben, hinterließ der Straßenwahlkampf der Chávez-Unterstützer vor allem an Mauern und Häuserwänden seine Spuren: Selbstgemalte Porträts des sozialistischen Kandidaten Nicolás Maduro und gesprayte Parolen bedecken alle zuvor freien Flächen.

Lucía Chámaco, die in den vergangenen Tagen Wahlkampf für die sozialistische Partei im Armenviertel Petare machte, ist überzeugt, dass der ehemalige Außenminister Maduro die Wahlen klar gewinnen wird. »Capriles ist ein Bürgersöhnchen. Diese Leute behandeln uns immer noch völlig respektlos. Die gleichen 30 Prozent, die immer die Opposition wählen, werden auch diesmal für ihn stimmen«, sagt die 32-jährige Sozialarbeiterin gegenüber dem »neuen deutschland« voraus. Die großen Meinungsforschungsinstitute schätzen die Stimmung ähnlich ein. Nach letzten Umfragen liegt Maduro mit einem Abstand von 18 bis 20 Prozent vor dem Herausforderer, der im Oktober bereits Hugo Chávez um knapp zehn Prozentpunkte unterlegen war. Daher wird die Frage eher sein, wie hoch der Vorsprung des Sozialisten ausfällt.

Die Opposition setzte wie schon im Herbst 2012 alles darauf, verunsicherte Chávez-Anhänger abzuwerben. Capriles taufte sein Wahlkampfteam nach dem Nationalheiligen Simón Bolívar und verlegte seine größten Veranstaltungen in die Zentren der bolivarianischen Bewegung. Er vermied jede Kritik an dem verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez, von dem er sogar zahlreiche Redewendungen übernahm. »Wir sind die Kinder von Bolívar« oder »Jetzt schlägt die Stunde des Volkes« waren typische Aufmacher seiner Auftritte. Unter den traditionellen Anhängern scheint ihm dieses Verwechslungsspiel nicht geschadet zu haben: Am vergangenen Sonntag konnte die Opposition ihre erfolgreichste Veranstaltung in der Geschichte des Landes vermelden: Mehrere 100 000 Menschen kamen zur Kundgebung auf der Avenida Bolívar in Caracas.

Der ehemalige Außenminister und Gewerkschafter Nicolás Maduro steht vor allem für die Fortführung der Politik von Hugo Chávez. Gleichzeitig thematisierte er offensiv die zahlreichen Probleme, die die Bevölkerung inzwischen als die dringendsten wahrnimmt. So kündigte er für den Fall seines Wahlsiegs ein Sondergesetz gegen Korruption an und versprach, sich intensiv dem Problem der ebenfalls hohen Gewaltkriminalität zu widmen. Darüber hinaus jedoch setzt das Team der Vereinigten Sozialistischen Partei (PSUV) auf Kontinuität: Als Wahlprogramm stellte Maduro kurzerhand den »Plan des Vaterlandes« vor, mit dem Hugo Chávez im Juni des vergangenen Jahres erfolgreich für seine Wiederwahl angetreten war. Im Mittelpunkt der weiteren Politik sollen die Ausweitung der öffentlichen Kontrolle in der Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie die lateinamerikanische Integration stehen.

Dabei kann Nicolás Maduro bei der Mehrheit der Bevölkerung darauf zählen, dass sich die Menschen mit ihm identifizieren. Der ehemalige Gewerkschafter wuchs im kämpferischen Armenviertel »23 de Enero« auf. Die persönlichen Angriffe des Herausforderers, der Maduro während der gesamten Kampagne herablassend duzte und mit »chico« (Junge) anredete, dürfte eine Identifizierung der unteren sozialen Schichten mit dem voraussichtlichen Wahlsieger sogar befördert haben. Ein ähnlich unbeabsichtigter Effekt könnte der Opposition daraus erwachsen, dass einige ihrer Sprecher in den vergangenen Tagen erneut versuchten, Transparenz und Unabhängigkeit des Nationalen Wahlrates (CNE) infrage zu stellen. Bei vergangenen Wahlen hatte die Befürchtung, die Opposition werde das demokratische Votum nicht anerkennen, eine enorme mobilisierende Wirkung auf die chavistische Basis.

Bei den Wahlen am 7. Oktober 2012 wurde eine Wahlbeteiligung von 81 Prozent erreicht. Die Neuwahlen nun sind nötig geworden, weil Präsident Hugo Chávez, der mit großem Vorsprung als Staatsoberhaupt bestätigt worden war, Anfang März einer Krebs-Erkrankung erlag. Die chavistische Basis ist auch diesen Sonntag gefordert, um die Fortsetzung der Bolivarianischen Revolution in die zu sichern.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 12. April 2013


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