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Venezuelas Regierung will den Dialog

Opposition verweigert Teilnahme an Friedenskonferenz / Botschafter kritisiert Destabilisierungsversuche

Von Martin Ling *

Die Arbeit ruht am Donnerstag und Freitag im unruhigen Venezuela. Präsident Nicolás Maduro hat dies aus Anlass des 25. Jahrestages des Militärmassakers in Caracas verfügt.

»Der Caracazo markierte ein Ende und einen Anfang.« So charakterisierte Hugo Chávez wenige Wochen vor seinem Tod 2013 das Ereignis vor 25 Jahren, das sich am heutigen Donnerstag jährt. Damals hatte der neoliberal gewendete sozialdemokratische Präsident Carlos Andrés Pérez einen Aufstand gegen seine vom Internationalen Währungsfonds empfohlene Sparpolitik militärisch niederschlagen lassen. Das Massaker kostete weit über 1000 Demonstranten das Leben.

Dem an Windpocken erkrankten Offizier Chávez blieb ein Einsatz damals erspart. Doch der »Caracazo« war sein politisches Erweckungserlebnis, das nach dem gescheiterten Putsch 1992 und dem Wahlsieg 1998 in die bolivarianische Revolution mündete. Diese bolivarianische Revolution steht seit dem Tode von Chávez am 5. März 2013 unter Druck – und derzeit mehr denn je. Seit drei Wochen halten die Proteste gegen die Regierung des Chávez-Nachfolgers Nicolás Maduro an. Mindestens ein Dutzend Tote gab es bisher schon zu beklagen, auch wenn die Umstände nicht geklärt sind.

Die bisherigen Versuche Maduros, die Lage wieder zu beruhigen, sind nicht weit gediehen. Der »Nationalen Konferenz des Friedens« am Mittwoch blieb sein einstiger Gegner bei den Präsidentschaftswahlen fern. Die Erklärung von Henrique Capriles: »Ich gehe nicht hin. Ich gehöre doch nicht zum Orchester der Titanic, das so lange spielt, bis das Schiff untergeht. Nicolás, mich wirst du nicht benutzen.« Dabei hatte Capriles im Januar nach Monaten des Verweigerns Maduro als Präsidenten anerkannt und den Marsch der Opposition zum Tag der Jugend am 12. Februar ausdrücklich nicht unterstützt, weil er ein Blutbad befürchtete. Es gab Tote, zum Glück kein Blutbad, aber das Land kommt seither nicht zur Ruhe.

Für den Botschafter Venezuelas in Deutschland, Rodrigo Oswaldo Chaves Samudio, war die Entwicklung in Venezuela Anlass genug, am Mittwoch zu einer Pressekonferenz in Berlin einzuladen, sekundiert von der bolivianischen Botschafterin Elizabeth Salguero Carrillo und dem ecuadorianischen Missionschef Jorge Jurado.

Botschafter Chaves räumte umstandslos ein, dass die von den Demonstranten monierten Probleme – Unterversorgung, Unsicherheit und hohe Inflation – Realität seien. An einer Lösung arbeite die Regierung. Doch er ließ keinen Zweifel daran, dass radikale Vertreter der Opposition wie der inzwischen inhaftierte Leopoldo López mit finanzieller Unterstützung aus den USA eine Destabilisierung in eigener Sache betrieben, weil sie auf demokratischem Wege keine Erfolgsaussichten hätten. Dabei könne doch auf der Grundlage der unter Chávez verabschiedeten Verfassung gegen jeden Amtsträger, den Präsidenten eingeschlossen, nach der Hälfte seiner Amtszeit ein Abberufungsreferendum anberaumt werden. »Die venezolanische Regierung will den Dialog«, sagte Chaves. Die Opposition schlägt ihn offensichtlich aus. Das birgt Zündstoff.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 27. Februar 2014


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