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Menschenrechte sind Frauenrechte – Menschenrechtsbeobachtung ins MINURSO-MANDAT!

Bericht der Initiative "Stärke des Rechts"

Von Axel Goldau *

In der 12. Kalenderwoche haben wir in Berlin
  • eine ganztägige Perspektivdiskussion am 19. März
  • Gespräche mit Abgeordneten des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe im Deutschen Bundestag am 20. März
  • Gespräche mit Mitgliedern der Parlamentsgruppe: Maghreb-Staaten im Deutschen Bundestag sowie ein Gespräch mit einem Mitglied des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Deutschen Bundestag am 21. März
  • und ein weiteres Gespräch mit einem Mitglied des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe im Deutschen Bundestag und eine dreieinhalbstündige öffentliche Abendveranstaltung durchgeführt. Für diese „saharauische Woche“ hatten wir
  • Senia Bachir Abderahman, Univ. Oslo
  • Mamia Mohamed-Fadel Bamba (Maty), Geschäftsführerin der saharauischen Studierendenvereinigung in Spanien (L.E.S.E.E.)
  • Nadjet Hamdi, Vertreterin der Frente Polisario in Österreich und der Slowakei eingeladen.
Greifbares Ergebnis der Perspektivdiskussion am 19. März war ein Brief dieser Gruppe an den Bundes- Außenminister Guido Westerwelle, worin er zu einem eigenen deutschen Resolutionsentwurf im Weltsicherheitsrat aufgefordert wurde, der einen Monitoring- Mechanismus für Menschenrechte im Mandatsgebiet und die Erweiterung der Gruppe der „Freunde der Westsahara“ um einen AU-Staat enthalten soll.

Der Brief wurde am 20. März seinem Parteifreund, Serkan Tören (FDP), im Anschluss das Gespräch überreicht, mit der Bitte, den Brief dem Bundesaußenminister persönlich zu überbringen.

Beim anschließenden Gespräch mit dem Abgeordneten Frank Heinrich (CDU), der der Leiter einer Delegationsreise des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe im Juni 2011 war, machte dieser gegenüber seinen Gästen folgende Zusagen:
  1. Einbringen eines Entschließungsantrags in den Deutschen Bundestag, worin die Bundesregierung aufgefordert wird, sich für die Erweiterung des MINURSO-Mandats um einen Monitoring-Mechanismus für Menschenrechte im Mandatsgebiet einzusetzen.
  2. Vor dem Hintergrund der katastrophalen Versorgungslage wird er sich als Berichterstatter seiner Fraktion für die Wiederaufnahme der bilateralen humanitären Hilfe durch Deutschland einsetzen.
  3. Auf eine Erweiterung der Gruppe „der Freunde der Westsahara“ um ein AUMitglied hinzuwirken.
Die Gespräche wurden von unseren Gästen offensichtlich freudig aufgenommen:

Am 21. März führten unsere Gäste Gespräche mit Mitgliedern der Parlamentariergruppe: Maghreb-Staaten. Der Einladung der Vorsitzenden, Kerstin Tack (SPD) waren lediglich Sybille Pfeiffer (CDU) and Katja Keul (Bündnis 90/ die GRÜNEN) gefolgt.

Senia wies auf die sprachlichen Annäherungen an den völkerrechtswidrigen Kolonisierungsprozess hin: So sei hier häufig lediglich von „einem Problem“ die Rede, nicht aber von „einem Kolonialkonflikt“. Beide Studentinnen erklärten, dass ihnen sämtliche Menschenrechte entzogen seien; sie würden die Menschenrechte nur auf dem Papier kennen.

Im Anschluss fand ein Gespräch mit der entwicklungs-politischen Sprecherin von Bündnis 90/ die GRÜNEN, Ute Koczy, statt. Das Gespräch konzentrierte sich auf Ressourcen-Ausbeutung und regenerative Energien. Über die Dimension des Agrar-Freihandelsabkommen zeigte sich die Politikerin uninformiert. Senia ließ ihr noch am selbigen Abend den WSRW Tomaten-Bericht zukommen.

Gegenüber dem Parlamentsgebäude befindet sich die Botschaft der Russ. Föderation. Als wir das Gebäude verließen, hatte bereits eine Protestkundgebung gegen die russ. Syrienpolitik begonnen, der sich unsere Gäste spontan anschlossen:

Am Donnerstag, dem 22. März führten unsere Gäste ein Gespräch mit Angelika Graf (SPD), die ebenso der Menschenrechts- Delegation im Juni 2011 angehörte. Hier erfolgte die niederschmetternde Mitteilung, dass es seither nicht gelungen sei, einen fraktions-übergreifenden Entschließungsantrag zur Lage der Menschenrechte im Deutschen Bundestag einzubringen!

In allen Gesprächen hatte vor allem Maty immer wieder darauf hingewiesen, dass die junge Generation das Vertrauen in die Staatengemeinschaft verloren habe. 99% der jungen Generation würden den Waffenstillstand aufkündigen, weil ihnen dieser UNProzess nur geschadet habe. Wenig ermutigend empfanden unsere Gäste die teils offen ausgesprochenen, teils unterschwellig mitschwingenden Äußerungen, was die Saharauis immer auch täten, sie seien auf der Seite der VerliererINNEN: Eine Verhandlungslösung ist nicht in Sicht, weil Marokko ein Unabhängigkeits-Referendum strikt ablehnt; die Aufkündigung des Waffenstillstands würde Marokkos Bemühungen erleichtern, die Saharauis in die Nähe des Terrorismus zu rücken. Dabei hat sich die Staatengemeinschaft mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 zu der Notwendigkeit, "die Menschenrechte durch die Herrschaft des Rechtes zu schützen, damit der Mensch nicht gezwungen wird, als letztes Mittel zum Aufstand gegen Tyrannei und Unterdrückung zu greifen ...", bekannt. Leider ist die Solidarität, ihr Menschenrecht auf Selbstbestimmung gegen das Recht des Stärkeren durchzusetzen, bisher ausgeblieben.

Während des ganzen Tages fanden kleine Demonstrationen statt: Die Woche beendeten wir mit einer öffentliche Abendveranstaltung im „Haus für Menschenrechte und Demokratie“, wobei über die Besonderheiten der Menschenrechtslage für die saharauischen Frauen und die politischen Ziele der jungen Generation referiert und diskutiert wurde.

Ausblick:

Die Gespräche mit den MdBs verliefen ernsthaft und engagiert. Dabei kam die mangelnde Präsenz der „Causa Saharaui“ im Deutschen Bundestag zutage. Unsere zivilgesellschaftliche Lobbyarbeit muss deutlich verstärkt werden und kann nicht dem Vertreter der Frente Polisario in Deutschland alleine überlassen bleiben. Dass parlamentarische und außer-parlamentarische politische Aktivitäten zu Erfolgen führen, zeigt die Entscheidung der deutschen Europa-ParlamentarierINNEN am 14. Dezember 2011 über das Fischereiabkommen. Dem waren intensive Lobbyarbeiten seitens MdB Frank Heinrich (CDU) und seitens WSRW vorausgegangen. Wie wichtig derartige Lobbyarbeiten sind, zeigte die EU-Parlamentsentscheidung am 16. Februar als die große Mehrheit desselben Parlaments einem „Agrar- und Fischereiprodukte- Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Königreich Marokko“ zustimmte, obwohl dieses Abkommen dieselben Mängel wie das zuvor abgelehnte „Fischerei- Partnerschaftsabkommen“ aufweist. Dieser Fehlentscheidung war keine vergleichbare Lobbyarbeit vorausgegangen.

Nächstes Ziel ist eine deutsche Initiative im Weltsicherheitsrat für die Beobachtung und Dokumentation der Lage der Menschenrechte durch die MINURSO. Nach der Veranstaltung haben unsere saharauischen Gäste zusammen mit deutschen AktivistINNen bereits für den 14. April eine gemeinsame Aktion zum MINURSO-Mandat beschlossen:

Das nächste Ziel muss die Anhörung zur Lage der Menschenrechte in Marokko Mitte Mai in Genf sein (UNIVERSAL PERIODIC REVIEW). Bei der letzten Anhörung 2008 wurde die Westsahara nicht erwähnt. Auch hier ist Deutschland gefordert, eine entsprechende Initiative zu ergreifen.

Wir danken "Umverteilen! Stiftung für eine solidarische Welt" für die freundliche Kooperation.

Berlin. 31. März 2012


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