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"Gandhi der Westsahara"

Die Menschenrechtsaktivistin Aminatou Haidar wird mit dem Solidaritätspreis der Stadt Bremen für ihren friedlichen Unabhängigkeitskampf geehrt

Von Jana Frielinghaus *

Seit vielen Jahren kämpft sie für die Unabhängigkeit der seit mehr als 35 Jahren von Marokko annektierte Republik Westsahara: Aminatou Haidar, Präsidentin der Menschenrechtsorganisation ­CODESA (Collectif des Défenseurs Saharaoui de Droit de l’homme). Jetzt soll sie mit dem 13. Solidaritätspreis des Bremer Senats geehrt werden, wie Medien am vergangenen Wochenende berichteten.

Der Preis wird von der Hansestadt seit 1988 alle zwei Jahre verliehen und ist mit 10000 Euro dotiert. Neben dem Preisgeld wird eine Skulptur überreicht, die die Bremer Stadtmusikanten zeigt und »symbolisch für die Kraft des solidarischen Handelns« steht. Geehrt werden nach Angaben der Senatskanzlei Menschen, »die sich in besonderem Maße für Ressourcengerechtigkeit und die Sicherung der Existenzrechte als elementarem Teil der Menschenrechte engagieren«. Haidars Organisation setze sich »konsequent für den Zugang der Sahrauis zu ihren eigenen Ressourcen und gegen Menschenrechtsverletzungen ein«. Sie selbst habe »immer wieder in beispielhafter Weise durch mutige gewaltfreie Aktionen für die Rechte der Sahrauis« und für eine friedliche Lösung des Westsahara-Konflikts gekämpft. Ein Termin für die Verleihung steht noch nicht fest.

Die Westsahara war bis 1975 spanische Kolonie. Nach Abzug der spanischen Truppen besetzte Marokko die an Phosphatvorkommen reiche Region. Die Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario strebt hingegen einen eigenen Staat an und kontrolliert im Osten ein Drittel der Landesfläche. Die UNO verlangt die Durchführung eines Referendums über den endgültigen völkerrechtlichen Status des Gebietes, das von Rabat bis heute blockiert wird.

Aminatou Haidar wird wegen ihres friedlichen Kampfes für Selbstbestimmung auch »Gandhi der Westsahara« genannt. Zuletzt sorgte sie Ende 2009 international für Schlagzeilen. Im November 2009 war sie in den USA mit dem »Civil Courage Prize« geehrt worden. Marokko verweigerte ihr danach die Wiedereinreise und schob sie auf die zu Spanien gehörende Kanareninsel Lanzarote ab. Die damals 43jährige trat daraufhin in einen Hungerstreik, Spanien vermittelte, nachdem sie schwer erkrankte; einen Monat später wurde sie von einem spanischen Militärflugzeug nach El Aaiún gebracht, die Hauptstadt der Westsahara.

Haidar, Jahrgang 1966, ist Literaturwissenschaftlerin und alleinerziehende Mutter zweier Kinder. Als sie sich 1987 an einer Demonstration für ein Referendum beteiligte, wurde sie verhaftet. Gemeinsam mit 17 weiteren Frauen wurde sie vier Jahre lang ohne Anklage oder Gerichtsbeschluß an einem geheimen Ort gefangengehalten und mehrfach gefoltert. 2005 wurde sie zusammen mit anderen Aktivisten erneut verhaftet und dabei durch Stockschläge schwer am Kopf verletzt. Nach Behandlung ihrer Wunden wurde sie drei Tage lang verhört und wegen angeblich gewaltsamer Proteste und Zugehörigkeit zu einer verbotenen Organisation angeklagt. Sie verbüßte eine siebenmonatige Haft in El Aaiún. Entlassen wurde sie, nachdem sich 178 Abgeordnete des Europaparlaments in einer Petition für sie verwandt hatten.

* Aus: junge Welt, Freitag, 12. April 2013


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