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Glencore will zugreifen

Hauptsache Milliardengewinne: Aggressiver Schweizer Rohstoffdealer will in der Westsahara nach Öl bohren und behält Konkurrenten im Fusionsvisier

Von Dieter Schubert *

Nicht alle kennen Glencore. Jene, die mit dem Rohstoffhändler zu tun haben, fürchten ihn entweder, profitieren mit ihm gemeinsam oder bekämpfen seine aggressive Strategie. Letztere ist nicht immer von Erfolg gekrönt. Am Donnerstag meldete die Nachrichtenagentur Reuters, dass der Versuch des in der Schweiz ansässigen Multis gescheitert sei, mit den Konkurrenten Rio Tinto Group. zu fusionieren. Gleichzeitig schlägt dem Unternehmen wegen eines Geschäftes mit der Regierung Marokkos wütender Protest von Globalisierungskritikern und Entwicklungsorganisationen entgegen. Glencore hatte mit Rabat einen Deal ausgehandelt, wonach eine Tochterfirma Ölvorkommen an der Küste der Westsahara erschließen darf. Das Gebiet ist von Marokko widerrechtlich annektiert.

Mit Widerspruch kann der im schweizerischen Baar residierende und in der Steueroase Jersey (britischer Kronbesitz) registrierte Konzernriese wohl leben. Absagen ist er weniger gewohnt.

Vor zwei Jahren hatte Glencore mit dem ebenfalls in der Schweiz ansässigen Konkurrenten Xstrata fusioniert, ein offenbar äußerst lukrativer Deal, trotz der dafür aufgewendeten 46 Milliarden Dollar. In der ersten Jahresbilanz nach dem Zusammenschluss wies das Unternehmen einen Gewinn (Ebitda) von 13,1 Milliarden US-Dollar (rund 10,5 Milliarden Euro) aus. Mit Rio Tinto hatten sich die »Schweizer« wohl zunächst zu viel vorgenommen.

Der wie Glencore an der Londoner Börse gelistete Konzern ist neben dem brasilianischen Marktführer Vale weltgrößter Eisenerzförderer. 2008 hatte Rio Tinto bereits den Branchenersten BHP Billiton abgewiesen. Dennoch darf vermutet werden, dass sich Glencore von der Absage nicht entmutigen lassen wird und sicher bald einen neuen Anlauf startet. Sogenanntes organisches Wachstum, also die Vergrößerung von Umsatz und Gewinn aus eigener Kraft, ist für Konzerne an der Weltspitze ohnehin kaum noch eine Option. Größe wird schlicht erkauft – und der Markt zugleich von einem Konkurrenten »bereinigt«.

Das Geschäft mit Marokko verweist auf eine noch dreistere Art von Konzernimperialismus, ist sozusagen Hehlerei auf Spitzenniveau. Das nordafrikanische Königreich hatte 1975 die von Spanien aufgegebene Kolonie Westsahara annektiert. Mit dem »grünen Marsch«, in dessen Verlauf 350.000 Marokkaner einfach das Gebiet besetzten, schuf König Hassan II. Fakten, die bis heute nicht rückgängig gemacht wurden. Trotz UN-Beschlüssen und völkerrechtlicher Ächtung der Aktion hält auch das Regime unter dem Nachfolger Hassans, Mohammed IV., an der Besetzung fest – und beutet nach Kräften die dortigen Rohstoffvorkommen aus. Auch Glencore will davon offenbar »seinen« Anteil.

Zu dessen sachkundigen Kritikern gehört die Schweizer Nichtregierungsorganisation EvB (Erklärung von Bern). In einer Mitteilung wies die Organisation vergangene Woche darauf hin, die Rohstoffhändler hätten offenbar damit gerechnet, dass keiner bei dem Geschäft näher hinschaut. »Die 2013 und 2014 von Marokko an Glencore Production and Exploration (Morocco) Ltd. verkauften Ölbohrlizenzen betreffen die Offshore-Öl-Blocks 'Foum Ognit' und 'Boujdour Shallow'. Gemäß einer Firmenpräsentation sollen sich die beiden Gebiete auf marokkanischem Territorium befinden, was aber nicht stimmt«, heißt es bei EvB.

Zugleich wiesen die Globalisierungskritiker auf die Fragwürdigkeit eines solchen »Vertrages« hin: »Wie alle übrigen Länder erkennt auch die Schweiz den marokkanischen Herrschaftsanspruch (auf die Westsahara, jW) nicht an. Die Exilregierung der Sahrauis hingegen hat die diplomatische Anerkennung von 85 Staaten und der Afrikanischen Union.«

Wie sehr der jetzt aufkommende Protest gegen diesen Deal Glencore beeindrucken wird, bleibt abzuwarten. Laut EvB hatte ein anderes Unternehmen bereits einmal auf derartige Proteste reagiert: »2010 verurteilten acht Parlamentarier in einem offenen Brief an Ameropa (ein anderer Schweizer Handelskonzern, jW) dessen Phosphatimporte in die Schweiz, woraufhin der Basler Rohstoffhändler diese gestoppt hat.«

Wenn das bei Glencore anders sein sollte, hat das auch mit dem Selbstverständnis der Großaktionäre und Topmanager zu tun. Der Weltkonzern hatte keinerlei Hemmungen, den wegen der Katastrophe auf der Ölplattform »Deep Water Horizon« gefeuerten Chef des britischen Multis BP, Tony Hayward, wenig später zum Kopf des Verwaltungsrates zu küren. Im April 2010 war die Plattform im Golf von Mexiko explodiert. Elf Menschen starben, geschätzt 100.000 Fass (Barrel, je 159 Liter) liefen ins Meer und verpesteten die Umwelt. Wer einen solchen Chefaufseher hat, wird vermutlich recht »robust« mit solchen Kleinigkeiten, wie dem Völkerrecht umgehen. Und was die Sarhauis dazu sagen (»Die eine Hälfte der Bevölkerung lebt inzwischen in algerischen Flüchtlingslagern«, so die EvB), scheint den Konzernoberen ohnehin egal. Für Ende des laufenden Jahres sind erste Probebohrungen geplant.

* Aus: junge Welt, Freitag, 7. November 2014


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