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Präsidentensohn verhaftet

Zentralafrika: Korruption der Oberschicht und bittere Armut der Massen

Von Thomas Berger *

Es ist eher selten, daß die Zentralafrikanische Republik (ZAR) Schlagzeilen macht. Präsident Francois Bozize hat in der vergangenen Woche seinen eigenen Sohn Kevin festnehmen lassen, weil dieser eine Hotelrechnung nicht beglichen hat. Die Verbindlichkeiten des Filius in der Fünf-Sterne-Unterkunft in der Hauptstadt Bangui, meldet die französische Nachrichtenagentur AFP, sollen sich auf stolze 12000 Euro für Zimmerpreis, Service und Verpflegung belaufen. Zunächst soll auch der Hotelmanager kurzzeitig mit in Haft genommen worden sein, bis sich die Vorwürfe gegen Kevin Bozize offenbar als begründet erwiesen.

Der Streit um die offene Hotelrechnung des prominentesten Sohnes im Lande wirft ein bezeichnendes Licht auf den bitterarmen und politisch instabilen Staat im Herzen Afrikas. Bozize senior ist zwar seit 2003 an der Macht und hat sich im Präsidentenamt zuletzt im vergangenen Jahr durch Wahlen bestätigen lassen. Wieweit dieser und der vorhergehende Urnengang aber wenigstens dem absoluten Minimum an demokratischen Erfordernissen genügen, darüber gehen die Meinungen auseinander. Zudem gelangte der Exgeneral selbst nur durch einen Putsch ins Amt, als er vor neun Jahren das damalige Staatsoberhaupt Ange-Felix Patassé stürzte. Diesem, der wiederum 1982 einen gescheiterten Coup anführte und 1991 durch Wahl Staatschef wurde, diente Bozize bis 2001 als Generalstabschef – dann kam es zum Bruch, als Bozizes Loyalität in Frage gestellt und er abgesetzt wurde. Er floh außer Landes und attackierte mit einer Rebellengruppe im Folgejahr zunächst mehrfach erfolglos die Hauptstadt.

Die meisten Einwohner der ZAR plagen jedoch ganz andere Sorgen. Zwar hatte im August dieses Jahres mit der Konvention der Patrioten für Gerechtigkeit und Frieden (CPJP) die letzte der großen Rebellenbewegungen mit der Regierung Frieden geschlossen, nachdem vier andere Organisationen, die das Bozize-Regime vorher mit Waffengewalt bekämpften, schon 2008 solche Vereinbarungen geschlossen hatten. Von einem stabilen Frieden kann aber noch immer keine Rede sein. Zudem gibt es in mehreren Landesteilen kriminelle Banden, die die lokale Bevölkerung terrorisieren. An der Korruption, gegen die auch die CPJP nach eigener Aussage kämpfen wollte, hat sich ebenfalls wenig geändert. Selbst für afrikanische Verhältnisse gilt die ZAR sogar in entwicklungspolitischen Fachkreisen seit langem als beinahe hoffnungsloser Fall. Wer es von den Einwohnern überhaupt zu höherer Bildung schafft, wandert später meist ab – einer der Gründe, warum es beispielsweise einen Mangel an qualifiziertem medizinischem Personal gibt. Dabei ist das Land an sich keineswegs arm, kann Lagerstätten an Diamanten vorweisen, auch Kaffee, Baumwolle und Edelhölzer sind wichtige Exportprodukte.

Die Masse der viereinhalb Millionen Zentralafrikaner lebt in bitterster Armut. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei lediglich 48 Jahren für Männer und 51 Jahren für Frauen, das Pro-Kopf-Einkommen kommt im statistischen Mittel nicht über 470 US-Dollar hinaus. Mit den 12000 Euro, die Kevin Bozize an Hotelschulden angehäuft hat, könnte eine Großfamilie mehr als ein ganzes Jahr nicht nur dem Hunger entgehen, sondern gut leben

* Aus: junge Welt, Dienstag, 13. November 2012


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