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"Die Zyprer müssen sich entscheiden"

Der UN-Beauftragte Alexander Downer zum Stand der Gespräche auf der Insel *


Zypern ist seit dem Einmarsch der türkischen Armee 1974 geteilt. Vorausgegangen waren ein Putsch und Kämpfe zwischen griechisch-zyprischen und türkisch-zyprischen Bewohnern. Zur Befriedung war schon 1964 ein UNO-Kontingent auf die Insel entsandt worden. Bis heute patrouillieren die Blauhelme im Niemandsland zwischen beiden Seiten. Die UNO versucht seit Jahren, zwischen Zyperngriechen und Zyperntürken zu vermitteln. Mit Alexander Downer, Zypern-Sonderbeauftragter der UNO, sprach in Nikosia für das Neue Deutschland (ND) Christiane Sternberg.

ND: UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon hat den griechisch-zyprischen Präsidenten Dimitris Chris-tofias und dessen türkisch-zyprischen Konterpart Dervis Eroglu heute zu einem Treffen nach Genf eingeladen, um sich über den Stand der Friedensverhandlungen zu informieren. Welche Neuigkeiten haben die beiden vorzuweisen?

Aus unserer Sicht läuft es ziemlich gut. Es gibt wirkliche Fortschritte, speziell zu den Themen Wirtschaft, EU-Angelegenheiten, Regierungsführung und Machtaufteilung in einem künftigen gemeinsamen Staat. Aber zu konkreten Ergebnissen müssen sich die beiden selbst äußern. Wir sind nicht Teil des Politiksystems in Zypern

Worin genau besteht denn Ihre Aufgabe während der Verhandlungen?

Ich nehme an den Treffen der Verhandlungsführer teil, vermittle hier und da, versuche aber, mich nicht einzumischen. Außerhalb der Treffen verbringe ich viel Zeit damit, mit Herrn Christofias und Herrn Eroglu oder ihren Beauftragten über die Haltung der Seiten zu bestimmten Themen zu reden. Ich koordiniere das Engagement der UNO in Zypern, was unter anderem bedeutet, Sachverständige hierher zu bringen und sie bei ihrem Dialog mit den griechischen und den türkischen Zyprern zu unterstützen.

Dürfen Sie Vorschläge machen?

Wir versuchen möglichst zu vermeiden, dass wir in die politische Debatte in Zypern hineingezogen werden. Wir sind hier, um die Verhandlungsführer zu unterstützen, soweit sie unsere Hilfe annehmen möchten. Wir lösen nicht das Zypernproblem für sie, aber wir reden mit beiden Parteien ziemlich deutlich. Daher wissen wir mehr über die Ansichten der jeweils anderen Seite als sie selbst. Es gibt also viele Wege, wie ich helfen kann, die Qualität der Kommunikation zu verbessern.

Ist es normal, dass diese Art der Friedensverhandlungen keinen Zeitrahmen hat?

Das hängt immer von den jeweiligen Umständen ab. Wir akzeptieren die Bitte der Zyperngriechen, die Verhandlungen zeitlich nicht einzugrenzen. Das wichtigste ist die Dynamik des Prozesses. Wenn es die nicht gibt, sind es nur Gespräche um der Gespräche willen. Dann wird ein politisches Spiel daraus, in das die Vereinten Nationen nicht verwickelt sein sollten.

Angenommen, wir würden ein bestimmtes Datum ansetzen, zu dem alles geklärt sein muss, und am Abend vorher gibt es noch immer offene Fragen – sollte man dann die Verhandlungen für gescheitert erklären? Ich denke, ein exaktes Datum ist keine so gute Idee. Besser ist es, die Dynamik aufrechtzuerhalten.

Wäre nicht ein Treffen mit den anderen betroffenen Parteien des Konflikts vorteilhaft? Griechenland, die Türkei und Großbritannien sind seit der Gründung der Republik Zypern 1960 Garantiemächte für die Unabhängigkeit der Insel.

Es wird an einem gewissen Punkt der Verhandlungen notwendig sein, sie einzubeziehen. Nämlich dann, wenn es um das Thema Sicherheit geht. Hier wird die Frage berührt, was mit den Verträgen über Allianzen und Garantien passieren soll. Die Zyperngriechen und Griechenland lehnen Bürgschaften und Garantiemächte ab. Die Zyperntürken und die Türkei wollen sie beibehalten. Ich denke, die Zyperngriechen, mehr als die Zyperntürken, haben das Gefühl, dass Zyperns Schicksal im Laufe der Zeit von anderen bestimmt wurde, und das wollen sie für die Zukunft vermeiden.

Glauben Sie, dass die Zyprer nach 47 Jahren Trennung bereit sind, ohne UNO-Truppen zu leben?

Sollte es zu einer endgültigen Teilung der Insel kommen, zu einer Etablierung zweier separater Staaten, dann würde die UNO wohl entscheiden, dass es hier nichts mehr für sie zu tun gibt. Aber wenn die Verhandlungen erfolgreich in Richtung Föderation verlaufen, dann ist unsere Anwesenheit erwünscht, um den Zyprern durch die Übergangsphase zu helfen.

Es gibt da schon einige Gespräche zwischen beiden Seiten darüber, in welchem Umfang die Vereinten Nationen involviert bleiben sollten. Keiner von ihnen ist interessiert daran, dass die UNO einfach so abmarschiert, wenn sie sich geeinigt haben. Das ist der große Moment der Wahrheit – Föderation oder Teilung. Die Zyprer müssen sich entscheiden!

* Aus: Neues Deutschland, 26. Januar 2011


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