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Letzte Chance für zyprische Föderation

Merkel lobt in Nikosia Präsidenten / UNO fordert Aktionsplan bis Monatsende

Von Christiane Sternberg, Nikosia *

Der Prozess der Wiedervereinigung in Zypern stockt abermals. Nun sollen die Vertreter der Zyperngriechen und des türkischen Nordteils der Insel bis Ende Januar einen Aktionsplan zur Überwindung der Streitpunkte vorlegen.

»Willkommen!« titelten zyprische Zeitungen am Dienstag (11. Jan.)zum Empfang von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Es war der erste Besuch eines deutschen Regierungschefs auf der geteilten Insel. Frau Merkel sicherte Unterstützung bei den zyprischen Friedensverhandlungen zu und lobte den griechisch-zyprischen Präsidenten Dimitris Christofias von der Linkspartei AKEL für sein »hohes Maß an Kompromissbereitschaft, was von der anderen Seite bislang leider noch nicht so erwidert wurde«. Darauf reagierte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan mit scharfen Worten: Merkel wisse offenbar nicht, dass die türkische Seite im Jahr 2004 einem UN-Lösungsplan zugestimmt habe, der jedoch von den Zyperngriechen abgelehnt wurde, sagte Erdogan nach türkischen Presseberichten vom Mittwoch (12. Jan.).

Die Führer der griechischen und der türkischen Zyprer sind in ihrer seit September 2008 andauernden Verhandlungsrunde in eine Sackgasse geraten. Den Plan für das Zusammenleben in einer wiedervereinten Bundesrepublik Zypern haben sie in sechs Verhandlungskapitel aufgegliedert. Bei drei Themen gibt es weitgehend Übereinstimmung: Regierungsführung und Machtteilung, Wirtschaft und EU-Angelegenheiten. Über andere Fragen können sich die beiden Seiten seit Monaten nicht einigen: Sind äußere Sicherheitsgarantien für das Funktionieren des ethnisch gemischten Staates erforderlich? Wie wird das Territorium auf zwei Bundesländer verteilt? Sollen die Vertriebenen von 1974 ihr Land zurückerhalten oder entschädigt werden?

Hinter den Kulissen dieser zähen Verhandlungen schwelt die Auseinandersetzung zwischen der Republik Zypern und der Türkei. »Aische go home!« – mit diesen Worten forderte der griechisch-zyprische Präsident Christofias erst kürzlich wieder den Abzug der türkischen Besatzungsarmee aus dem Norden der Insel. Seine Anspielung bezieht sich auf den Codenamen für die türkische Invasion von 1974: »Aische fährt in den Urlaub«. Fast 37 Jahre später sind immer noch 40 000 Soldaten in Nordzypern stationiert. Wenn Ankara die Truppen abziehe, so Christofias, sei eine Wiedervereinigung des geteilten Zyperns innerhalb seiner Amtsperiode bis 2013 möglich.

Der türkische Ministerpräsident Erdogan hält dagegen, zuerst solle die Europäische Kommission der international nicht anerkannten Türkischen Republik Nordzypern den versprochenen Direkthandel mit der EU gestatten. Das wiederum käme nach Ansicht der Zyperngriechen einer Anerkennung des abtrünnigen Territoriums als Staatsgebilde gleich. Eine hartnäckige Pattsituation, die das Bemühen um die Wiedervereinigung Zyperns bremst.

Die Zypernfrage ist keine nationale Angelegenheit, sondern vor allem eine europäische. Der türkische EU-Beitrittsprozess ist seit 2006 ins Stocken geraten, weil Ankara die Republik Zypern und damit einen EU-Mitgliedsstaat nicht anerkennt und ihm den Zugang zu seinen See- und Flughäfen verwehrt. Das gestörte Verhältnis zwischen den beiden Staaten wirkt sich jedoch nicht nur auf den Handel aus, sondern zieht noch größere Kreise. Bei ihrem Arbeitsbesuch in Nikosia mahnte Angela Merkel: »Der Vereinigungsprozess ist nicht nur wichtig für Zypern, sondern auch für die Zusammenarbeit zwischen NATO und der europäischen Sicherheitspolitik.«

Die Zeit der ergebnislosen Verhandlungsmarathons um die Einheit Zyperns scheint allerdings vorbei zu sein. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte die beiden Volksgruppenführer auf, bis Ende Januar einen Aktionsplan zur Überwindung der hartnäckigsten Streitpunkte vorzuweisen. Die Alternative zur Wiedervereinigung heißt endgültige Teilung. Der UNO-Sonderbotschafter für Zypern, Alexander Downer, sagte gegenüber ND: »Das ist wahrscheinlich die letzte Chance, eine bizonale und bikommunale Föderation zu bilden. Wenn es diesmal nicht gelingt, ist es wohl keinen neuen Versuch wert.«

* Aus: Neues Deutschland, 13. Januar 2011


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