Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Schon wieder gerettet

Zypern-Erpressung oder Einsicht in die Notwendigkeit: Troika bringt renitenten Kleinstaat auf Kurs. Banken sollen gerupft, Großanleger teilenteignet werden

Von Klaus Fischer *

Diesmal war es keine Routine: Nach einer neuerlichen Marathonrunde in Brüssel glaubt die Troika, Zypern tatsächlich vor dem Staatsbankrott bewahren zu können. In der Nacht zum Montag hatte die diesmal als Quadriga auftretende Führungstruppe (EU-Kommission, Euro-Finanzminister, Internationaler Währungsfonds und Europäische Zentralbank) dem Kleinstaat beträchtliche Opfergaben abgerungen – und das unter Einsatz robuster Mittel.

Um seinen »Eigenanteil« an der Rettung finanzieren zu können, muß Nikosia den Bankensektor rupfen. Anleger großer Geldbeträge auf den Konten der Inselbanken werden teilweise enteignet, deren Besitzer ebenfalls zur Kasse gebeten. Das Geschäftsmodell »Steueroase« scheint beendet. Sieben Milliarden Euro wird das kleine Land aufbringen müssen, bei einer Jahreswirtschaftsleistung von etwa 17 Milliarden Euro ist das ein ziemlicher Brocken. Erst wenn diese Auflage erfüllt ist, gibt Brüssel zehn Milliarden Euro an Hilfskrediten dazu. Die einzige gute Nachricht: Kleinanleger sollen verschont werden.

Kaum waren die lange Zeit renitenten Vertreter Nikosias eingeknickt, freuten sich die Euro-Gewaltigen kurz darüber, daß sie ihr Lieblingsprojekt vollständig erhalten konnten. Es machen tatsächlich immer noch 17 Staaten mit beim Euro-Verbund. Allerdings war der Preis diesmal besonders hoch. Es soll auch »Großen« an den Kragen bzw. den Geldbeutel gehen, essentielle Rechte des Kapitals, wie dessen »freier Verkehr«, werden vorübergehend beschnitten. Die zweitgrößte Bank Laiki wird wohl abgewickelt, die Nummer eins Bank of Cyprus verkleinert. Kunden mit Einlagen von mehr als 100000 Euro müßten mit erheblichen Verlusten rechnen, hieß es.

Übermäßiges Vertrauen von »Investoren« darf man demnächst als Euro-Banker wohl auch nicht erwarten. Besondere Sorge macht man sich in Brüssel und Berlin jedoch wegen eines möglichen Ansturms auf die zyprischen Banken. Die Wiedereröffnung der Institute müsse mit Umsicht geschehen, mahnte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Berlin. Die Geldhäuser sind seit mehr als einer Woche geschlossen. Ob sie wie geplant tatsächlich bereits an diesem Dienstag wieder öffnen werden, war zunächst unklar.

Der Druck war zuletzt wohl zu groß auf die noch unerfahrene zyprische Führungsriege. Keine Einigung bis Montag hätte bedeutet, die EZB stellt die Geldversorgung der Banken ein, die sie bisher routinemäßig aufrechterhalten hatte. Spätestens dann wäre es zu einem Infarkt des Wirtschaftskreislaufes der Mittelmeerrepublik gekommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel gab sich erleichtert. Sie sei in die Verhandlungen eingebunden gewesen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Auch die Spekulanten/Investoren reagierten entspannt. Der deutsche Aktienindex legte deutlich zu. Wann der Bundestag sich mit dem Rettungspaket befaßt, ist noch offen.

Verärgert ist Rußland. Ministerpräsident Dmitri Medwedew nannte die geplanten Abgaben auf Bankguthaben über 100000 Euro »Plünderung«. Das könne Auswirkungen auf den Bankensektor weltweit haben, sagte er russischen Medienberichten zufolge. Privatpersonen und Unternehmen des Landes haben Medienberichten zufolge hohe Summen auf der Mittelmeerinsel deponiert.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 26. März 2013


Ohne Perspektive

Entscheidung über Zypern

Von Andreas Wehr **


Der für Zypern beschlossene »Rettungsplan« wird nun auch dieses Land auf den Weg nach unten schicken, dorthin, wo sich die anderen Defizitländer bereits befinden. Zugleich wird Zypern trotz der Hilfen für seine Banken als Finanzplatz ausfallen.

Falsch war bereits der ganze Ansatz: Zyperns Regierung suchte bei den übrigen Euro-Ländern um eine Finanzierung, ein Bail-out für seine angeschlagenen Banken, nach. So wie die Islands und Irlands hatten auch sie das ganz große Rad drehen wollen. Gestützt wurde dies von einer Politik, die mit allen Mitteln Geld von außen anzog: Mit hohen Zinsen, extrem niedrigen Unternehmenssteuern und einer laxen Handhabung der Geldwäscheregelung.

Island, das ein ähnliches Modell hatte, trennte sich 2008 mit einem klaren Schnitt davon. Die Spekulationsbanken wurden verstaatlicht und abgewickelt. An ihre Stelle traten neue, die die kleinen Sparer übernahmen. Die großen, aus der EU stammenden institutionellen Anleger gingen hingegen leer aus. Island konnte sich dies erlauben, da es nicht der EU angehört. Als Finanzplatz ist das Land seitdem aber Geschichte, viele Isländer verloren zudem ihr Erspartes. Die Insel mußte sich mühsam auf ihre traditionellen Stärken, auf Fischerei, Landwirtschaft und Tourismus, besinnen. Zumindest wächst seit 2009 seine Wirtschaft wieder.

Irland ging den umgekehrten Weg. Es hielt an seinem überdimensionierten Bankensystem fest. Die unverkäuflich gewordenen Immobilien wurden von einer Bad Bank übernommen. Mit Hilfe eines von den Euro-Ländern finanzierten Bail-outs wurde den Banken der Forderungsausfall ersetzt. Die Besitzer und Gläubiger der Finanzhäuser, vor allem die aus Deutschland und Großbritannien, waren zufrieden. Allerdings sprang die Staatsschuld Irlands auf Rekordhöhe. Es wird Jahrzehnte dauern, bis die Lasten abgetragen sein werden.

Der nun für Zypern gewählte Weg vereint die Nachteile beider Vorgehensweisen. Am überdimensionierten Bankensystem wird grundsätzlich festgehalten, indem es mit einem Bail-out von über zehn Milliarden Euro über Wasser gehalten wird. Das Land zahlt für diesen »Rettungsschirm« mit rigiden Kürzungen und Privatisierungen. Der wirtschaftliche Ruin der Realwirtschaft Zyperns ist somit vorgezeichnet. Da die ausländischen Einleger bei den Banken aber nicht aus Kerneuropa, sondern vor allem aus Rußland stammen, sollen sie bei Einlagen oberhalb von 100000 Euro an den Verlusten beteiligt werden. Eine der angeschlagenen Banken wird sogar abgewickelt bzw. mit einer anderen fusioniert. Mit solchen Maßnahmen wird das Vertrauen in den Finanzplatz Zypern zerstört. Absehbar ist ein riesiger Kapitalabfluß, an dem auch die vorübergehende Aussetzung des freien Kapitalverkehrs nichts ändern kann. Als günstiger Finanzplatz taugt Zypern künftig nicht mehr. Nach der Brüsseler Entscheidungsnacht bleibt das Land ohne jede Perspektive.

** Andreas Wehr ist Autor des ­Buches »Die Europäische Union«. Siehe: www.andreas-wehr.eu

Aus: junge Welt, Dienstag, 26. März 2013 (Gastkommentar)



Zurück zur Zypern-Seite

Zurück zur Homepage