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Zypernhilfe steht

Euro-Finanzminister verabschieden Rettungspaket trotz weiteren Finanzlochs

Von Hermannus Pfeiffer *

Die Meldungen über das neue Finanzloch im Krisenstaat Zypern lassen Zweifel an der langfristigen Wirksamkeit des Euro-Rettungspaketes aufkommen. Die EU-Finanzminister beschlossen dennoch das Hilfspaket.

Beim Treffen der Finanzminister in Dublin am Freitag sollte es eigentlich nur noch um Einzelheiten des Rettungspakets für Zypern gehen. Doch aus der geplanten Routinesitzung wurde zunächst eine weitere Krisenrunde: Der Inselstaat benötigt nach neuen Angaben 5,5 Milliarden Euro mehr als bisher angenommen. Dennoch verabschiedeten die Finanzminister das geplante Hilfspaket - an der Hilfssumme von zehn Milliarden Euro wurde nichts geändert.

Die Parlamente der Geberländer müssen dem Paket aber noch zustimmen. Darüber gibt es in den Bundestagsparteien Streit. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) geht zwar davon aus, dass das Paket kommende Woche im Parlament verabschiedet werden kann. Der mitgliederstarke Wirtschaftsflügel der CDU/CSU-Fraktion droht dagegen mit einem Nein, sollte Zypern nicht nachweisen, dass es den zusätzlichen Finanzbedarf von 5,5 Milliarden Euro aus eigener Kraft finanzieren kann.

Die SPD hält sich angesichts der neuen Sachlage eine Zustimmung offen. »Wir schauen uns das in Ruhe an und dann müssen wir das in der Fraktionssitzung entscheiden«, hieß es am Freitag in Fraktionskreisen. Noch sei die Lage unüberschaubar. Fakt sei aber, dass bei dem bisher geplanten Paket die meisten Forderungen der SPD wie eine Beteiligung großer Gläubiger erfüllt worden seien.

Zypern hatte sich Ende März mit den Euro-Staaten und dem Internationalen Währungsfonds auf ein dreijähriges Rettungsprogramm geeinigt. »Insofern hat sich die Staatengemeinschaft durchgesetzt«, heißt es in einer Analyse der Commerzbank. Die Devisenmärkte hätten auf die Einigung »wenig reagiert«.

Der permanente Rettungsschirm ESM stellt zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds Kredite im Umfang von bis zu zehn Milliarden Euro zur Verfügung. Diese Mittel dienen zur Finanzierung laufender Staatsausgaben und zur Refinanzierung fälliger Schulden. Die Auszahlung der Kredite erfolgt in vierteljährigen Raten, abhängig von den »Konsolidierungsfortschritten«.

Denn auch diese Rettung gibt es nicht umsonst: Zypern musste zustimmen, seinen Eigenanteil dadurch aufzubringen, dass es die Gläubiger und Aktionäre der beiden großen zypriotischen Banken an den Rettungskosten beteiligt, ohne dass Einlagen mit weniger als 100 000 Euro angetastet werden. Zudem sollen der Öffentliche Dienst schrumpfen, Staatsunternehmen privatisiert und Steuern erhöht werden.

Statt insgesamt 17,5 Milliarden Euro seien aber nun 23 Milliarden Euro nötig, um das Land vor der Pleite zu bewahren, hatte die zyprische Regierung am Donnerstag überraschend mitgeteilt. Ein Sprecher des konservativen Regierungschefs Nicos Anastasiades von der Demokratische Sammlung (DISY) sagte: »Die Zahl liegt fortan bei 23 Milliarden Euro.« Er machte die formell kommunistische Vorgängerregierung Dimitris Christofias von der »Fortschrittspartei des werktätigen Volkes« für die Entwicklung verantwortlich. »Wie sind wir dahin gekommen? Es war die Angst vor Verantwortung und Entscheidungen der vorherigen Regierung«, sagte Anstasiades.

Weil sich Zypern aber erheblich stärker als zunächst vorgesehen mit nun insgesamt 13 Milliarden Euro am Programm beteiligt, ändert sich am Umfang des internationalen Rettungsprogramms von zehn Milliarden Euro nichts. Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank, bewertet die jüngste Entwicklung daher gelassen als »noch neutral«.

Schwerer wiegen dagegen die Zweifel an der langfristigen Tragfähigkeit des Konzepts: Nach Einschätzung der EU-Kommission wird die zyprische Staatsschuld von 86,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im vergangenen Jahr auf 109 Prozent in diesem Jahr steigen. Weitere Anstiege werden bis 2015 auf dann 126,3 Prozent erwartet. Erst danach soll der Schuldenberg bis 2020 auf 104 Prozent abschmelzen. Als langfristig tragfähig gelten unter Ökonomen aber höchstens 90 Prozent.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 13. April 2013


Zypern ist nicht Japan

Von Hermannus Pfeiffer **

Zypern spart. Und doch fällt das Land aus dem bisherigen Euro-Krisenkanon: Erstmals werden Gläubiger und Anteilseigner der Banken sowie Inhaber von größeren Einlagen zu Kasse gebeten. Doch nun soll das kleine Land weitere Milliarden aus sich herauspressen. An den schamlosen Dumpingsteuern für Konzerne und Finanzanlagen wird die konservative Regierung aber nichts ändern - ebenso wenig wie es der Pleitestaat Irland tut. Wir ahnen, wer die Zeche stattdessen zahlen soll.

Und zwar auch noch umsonst: Sozialabbau und der Verkauf des Tafelsilbers können keinesfalls ausreichen, um mittelfristig eine tragfähige Verschuldung hinzukriegen. Selbst die optimistischen Prognosen der EU-Kommission weisen für 2020 mit einer Schuldenquote von über 100 Prozent einen unhaltbaren Zustand aus. Oder doch nicht unhaltbar?

Die Staatsverschuldung in Japan liegt bei fast 250 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Trotzdem hat sich die Wirtschaft Nippons nach der Natur- und Atomkatastrophe erholt. Dazu haben nicht zuletzt staatliche Ausgabenprogramme auf Pump beigetragen, welche die binnenwirtschaftliche Nachfrage stützen. Zukünftig wird Japans Zentralbank noch massiver neue staatliche Schulden finanzieren. Diese Finanzierung durch die Notenpresse ist volkswirtschaftlich umstritten. Der entscheidende Vorteil Japans ist aber, dass es über ein tragfähiges Geschäftsmodell für seine Realwirtschaft verfügt. Zypern nicht. Und dagegen hilft kein Sparen.

** Aus: neues deutschland, Samstag, 13. April 2013


Pressing gegen Zypern

Von wegen Rettung: Euro-Finanzminister suchen nach mehr Geld auf der Insel. In EU und Währungsraum stauen sich indes immer größere Probleme

Von Rainer Rupp ***


Die Gelassenheit der Euro-Finanzminister ist Show. Bei ihrem Treffen in der irischen Hauptstadt Dublin am Freitag konnte das Getue jedenfalls nicht über die katastrophale Schieflage in Währungsraum und EU hinwegtäuschen. Währungskommissar Olli Rehn mußte am Mittwoch eingestehen, daß 13 der 27 EU-Mitgliedsländer derzeit mit schweren Ungleichgewichten zu kämpfen haben. Vor einer Vertiefung der ökonomischen Probleme hat er insbesondere mit Blick auf Frankreich, Italien und Spanien gewarnt, ganz zu schweigen von Zypern, Portugal und Slowenien. Vor allem Slowenien müsse dringend Maßnahmen ergreifen, um das Risiko einer weiteren Destabilisierung der Euro-Zone zu vermindern, betonte Rehn.

Sündenbock Slowenien

Slowenien, das mit seiner Staatsverschuldung im Vergleich zu allen anderen EU-Ländern hervorragend dasteht, an erster Stelle der Problemfälle zu nennen, das ist befremdlich. Durch diese alarmistische Stimmungsmache wird es für die »Schweiz des Balkan« erheblich teurer, oder gar unmöglich, an den Kapitalmärkten die zur Sanierung seines Bankensystems nötigen 1,5 bis drei Milliarden Euro zu bekommen. Die EU versucht mit dieser hinterhältigen Taktik offensichtlich, das kleine Land, in dem der Bankensektor noch in staatlicher Hand ist und wo es auf sozialer Ebene noch viele Überbleibsel aus sozialistischen Zeiten gibt, unter die Fuchtel der Troika (EU, Europäische Zentralbank, EZB und Internationaler Währungsfonds IWF) zu zwingen. Das würde – siehe Zypern – mit dem Verlust der nationalen Souveränität und der radikalen Privatisierung der Wirtschaft verbunden sein. Dabei bahnen sich im Kern der Euro-Zone weit größere Probleme an.

Mit den Niederlanden geraten derzeit die fünftgrößte Wirtschaft der Euro-Zone und ihre Banken immer stärker in den Krisensog. Ursache ist eine geplatzte Spekulationsblase auf dem Immobilienmarkt. Der lange als grundsolide geltender EU-Nettozahler rangiert mit seiner Gesamtverschuldung im Währungsgebiet an der Spitze. Die Banken haben ausstehende Hypothekenkredite in Höhe von 650 Milliarden Euro, von denen ein rapide wachsender Teil faul (also potentiell uneinbringlich) wird. Die private US-Nachrichtenagentur Lignet (in der u.a. ehemalige Mitglieder der US-Geheimdienste arbeiten) wagte am Mittwoch sogar die Aussage, daß der Zusammenbruch der niederländischen Immobilienpreise die Voraussetzungen für das Übergreifen der EU-Staatsschuldenkrise auf Kerneuropa zu schaffen scheint – und damit alle deutschen Versuche zur Erhaltung des Euro untergraben würde.

Ärger in Portugal

Die Entscheidung des portugiesischen Verfassungsgerichts, die von der Regierung in Lissabon auf Druck der Troika eingeführten Kürzungen der Löhne und Renten der öffentlichen Bediensteten zu kassieren, ist ein schwerer Rückschlag für die »Euro-Retter«. Nun plant die Regierung, den Bediensteten für einen Monat im Jahr statt Geld einen Schuldschein zu zahlen. »Letztlich werde der Troika nichts anderes übrigbleiben, als die Defizitgrenze für Portugals Haushalt zu lockern und den Zeitraum für die Rückzahlung der Euro-Hilfskredite zu strecken«, beurteilt Lignet die Lage. In dem Beitrag wurde unterstrichen, daß »derartige Zugeständnisse die Verhandlungen über aktuelle und zukünftige Rettungspaket mit anderen Mitgliedern der Euro-Zone erschweren werden«.

Um das »Rettungspaket« für Zypern ging es auch beim Treffen der Finanzminister. Und – Überraschung – die Inselrepublik braucht statt der ursprünglich veranschlagten 17,5 Milliarden gut 23 Milliarden Euro. Davon sollen neun aus dem Euro-Rettungsfonds ESM und eine vom IWF kommen, die restlichen 13 Milliarden Euro von Zypern selbst. Woher der zusätzliche Bedarf kommt, wird nicht erklärt. Wahrscheinlich ist es viel mehr Großanlegern gelungen, ihr Geld rechtzeitig ins Ausland zu schaffen als bisher angenommen. Im Umkehrschluß heißt das, die Summe zu konfiszierender privater Bankeinlagen wird womöglich höher ausfallen und die »unantastbare« 100000-Euro-Grenze bei Guthaben könnte in Gefahr geraten.

Zyperns Zukunft wird in einem vom 9. April datierten 16seitigen Dokument der Euro-Gruppe erörtert, das jW vorliegt. Es ist eine konsequente Fortsetzung der Erpressung und Opfer ist die arbeitende Bevölkerung des Inselstaates. Unter Punkt zehn heißt es, das zyprische Bruttoinlandsprodukt werde 2013 und 2014 insgesamt um 12,5 Prozent schrumpfen, um dann 2015 und 2016 um 1,1 und 1,9 Prozent zu wachsen. Solche Voodoo-Wachstumsprognosen hatte die Troika u.a. auch für Griechenland gemacht. Dort ist die Arbeitslosigkeit – von der im Papier zu Zypern kaum die Rede ist – im Januar um 1,7 Prozentpunkte auf den Rekordstand von 27,2 Prozent und die Jugendarbeitslosigkeit auf 59,3 Prozent gestiegen.

*** Aus: junge welt, Samstag, 13. April 2013


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