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Schwierige Friedensverhandlungen in Zypern

Chefunterhändler George Iacovou gewährt einen Blick hinter die Kulissen der Diplomatie

In Zypern wird gerade Geschichte geschrieben. Am 25. Juli treffen sich die beiden politischen Führer der geteilten Mittelmeerinsel, Dimitris Christofias und Mehmet Ali Talat, um über den Beginn von Friedensverhandlungen zu entscheiden. Die Vorarbeit dafür leisten Arbeitsgruppen, in denen griechische und türkische Zyprer seit drei Monaten die Verhandlungspositionen abklopfen.
George Iacovou, ehemaliger zyprischer Außenminister und Chefunterhändler von Präsident Christofias, erklärt im Gespräch mit Christiane Sternberg, wie es hinter den Kulissen aussieht.
Wir dokumentieren wim Folgenden das Interview aus dem "Neuen Deutschland".



Es gibt neue Hoffnungen, dass sich Zypern bald wieder vereinigt. Wie soll das Kind denn heißen?

Wir haben uns noch nicht festgelegt. Wir könnten es Bundesrepublik Zypern nennen oder Vereinigte Staaten von Zypern oder ganz anders. Wichtig ist, dass wir zwei föderale Teilstaaten haben werden, ein griechisch-zyprisches und ein türkisch-zyprisches Bundesland, mit einer gemeinsamen internationalen Souveränität. Namen sind wirklich unser geringstes Problem. Es gibt weitaus mehr Dinge, über die wir uns einigen müssen.

Wie Entmilitarisierung ...

Es ist aus unserer Sicht unannehmbar, dass türkisches Militär mit 42 000 Mann starker Besetzung auf Zypern stationiert ist.

... oder das Problem der Siedler?

Richtig. Die Türkei importierte seit 1974 rund 160 000 Staatsbürger aus Anatolien, die sie in Nordzypern ansiedelte. Wo sollen diese Leute bleiben? Mittlerweile leben doppelt so viele Türken wie Zyperntürken im Norden der Insel.

Ein besonders sensibles Thema in Zypern ist die Eigentumsfrage.

Die ist unmittelbar mit dem Siedlerproblem verknüpft. Nach der Vertreibung der griechischzyprischen Bevölkerung aus dem Norden wurde ihr Eigentum auch an die türkischen Siedler vergeben. Wenn diesen Menschen gestattet wird zu bleiben, kann also weniger Eigentum zurückgegeben werden und die Entschädigungskosten steigen enorm. Da diese Leute meist arm sind, können sie dieses Eigentum nicht erwerben und die Eigentümer auszahlen. Das ist einer der kompliziertesten Faktoren einer Lösung.

Übrigens wurde in der Vergangenheit immer eine Rückkehr der alten Eigentümer erwogen. Jetzt soll nach dem Willen der türkisch-zyprischen Seite plötzlich nur noch über Entschädigung gesprochen werden.

Geht es nicht auch noch um Gebietsansprüche?

Wir müssen uns über die Gebiete einigen, die den jeweiligen Bundesländern zugesprochen werden sollen. Eine Volksgruppe von 18 Prozent kann nicht 38 Prozent des Territoriums bekommen. Es muss an die rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben werden. Etwa 10 Prozent, so dass ihnen noch 28 Prozent verbleiben. Selbst in den Vorschlägen von Kofi Annan war von 28,5 Prozent die Rede. Jetzt, ich kann das kaum glauben, sagt der türkisch-zyprische Repräsentant in der Arbeitsgruppe, wir geben gar nichts zurück, weil wir ein souveräner Staat sind und ein souveräner Staat nie einen Teil seines nationalen Territoriums abgeben würde.

Wie verläuft die Zusammenarbeit in den bi-kommunalen Arbeitsgruppen?

Schwierig. Zunächst mal haben wir – im Gegensatz zur türkisch-zyprischen Seite – keine Verwaltungsangestellten in die Arbeitsgruppen entsandt, sondern erfahrene Experten. Außerdem bekommen unsere Repräsentanten keine Instruktionen, wie sie die Themen präsentieren sollen. Sie sollen die Ansichten der anderen Seite herausfinden und mit unseren eigenen Positionen abgleichen. Die türkisch-zyprische Seite konnte oft keine eigene Meinung äußern, sondern musste sich erst mit ihren Vorgesetzen absprechen. Das dauert manchmal einige Tage. So kommt keine fruchtbare Diskussion zustande.

Heißt das, das eigentliche Feilschen beginnt erst, wenn sich Christofias und Talat demnächst offiziell an den Verhandlungstisch setzen?

Es ist nun mal nicht möglich, eine Lösung zu finden, ohne Zugeständnisse zu machen. Warum sollten die griechischen Zyprer ihre Souveränität und Legalität teilen, ohne etwas dafür zu bekommen? Darum muss die andere Seite uns Angebote machen. Was wäre der Anreiz für die Zyperngriechen, sich auf ein Abenteuer einzulassen, ohne Territorium zu gewinnen, ohne Eigentum zurückzuerhalten, ohne Entschädigung und ohne Sicherheitsvorkehrungen? Das Prinzip ist so einfach, dass jeder vernünftige Mensch es verstehen muss

* Aus: Neues Deutschland, 23. Juli 2008


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