Den Zyperngriechen schwimmen die Felle davon
Bei den Verhandlungen zur Wiedervereinigung der Insel sitzt ab heute ein türkisch-zyprischer Nationalist mit am Tisch
Von Christiane Sternberg, Nikosia *
Bis Ende 2010 sollte eine Lösung des seit 36 Jahren schwelenden
Zypernproblems gefunden sein. Mit solcher Absichtserklärung gehen die
Friedensverhandlungen in Nikosia an diesem Mittwoch in eine neue Runde.
Ziel der Gespräche ist es, einen Vereinigungsplan für die seit 1974
geteilte Insel zu vereinbaren. Allerdings verspricht die neue Besetzung
am Verhandlungstisch keine schnelle Lösung. Dem kommunistischen
Präsidenten der Republik Zypern, Dimitris Christofias, sitzt künftig der
türkisch-zyprische Hardliner Dervis Eroglu von der nationalistischen
Partei der Nationalen Einheit (UBP) gegenüber.
Zusammen mit dem Präsidentenamt Nordzyperns übernahm Eroglu nach seiner
Wahl am 18. April auch die Rolle des Führers der Verhandlungen mit dem
Süden. Er sicherte zu, bisherige Vereinbarungen zu akzeptieren. In drei
der insgesamt sechs Verhandlungskapitel wurde bei den Gesprächen in den
vergangenen 18 Monaten jedoch noch keine Einigung erzielt. Und die
bergen noch genügend politischen Sprengstoff: Gebietsansprüche,
Sicherheit und Eigentum.
Eroglu fordert für die angestrebte Bundesrepublik Zypern zwei starke
föderale Teilstaaten statt einer mächtigen Zentralregierung, um die
Stellung der Zyperntürken im Norden der Insel zu festigen. Ferner
besteht er darauf, dass die Türkei weiterhin als Garantiemacht wirken
darf. Seine Stoßrichtung wird aus Ankara vorgegeben. Der türkische
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan befürwortet zwar öffentlich eine
Lösung des Zypernproblems, das als größte Hürde für einen EU-Beitritt
der Türkei gilt. Aber durch eine starre Haltung in Grundsatzfragen
provoziert er die Ablehnung der türkisch-zyprischen Vorschläge durch die
Zyperngriechen.
Ein wichtiger Schachzug ist Eroglus Streben, die wirtschaftliche
Isolation der international nicht anerkannten Türkischen Republik
Nordzypern aufzubrechen. Rückendeckung bekommt er womöglich vom
Europäischen Parlament, das jetzt über eine seit 2004 bestehende
Verordnung zum Direkthandel zwischen der EU und Nordzypern entscheiden
soll. Hebt die Union ihre Handelsbeschränkungen gegenüber Nordzypern
auf, verspricht die Türkei im Gegenzug, die eigenen Häfen und Flughäfen
für das EU-Mitgliedsland Zypern zu öffnen. Dies hatte die Türkei bisher
verweigert. Änderte sie ihre Haltung, sähe sich die EU in der Lage, in
den Beitrittsgesprächen mit Ankara weitere Kapitel aufzuschlagen.
Die Aussicht auf eine Beendigung der Wirtschaftsblockade stärkt Eroglus
Verhandlungsposition. Selbst bei ihrem leidenschaftlichsten Anliegen
werden die Zyperngriechen Kompromisse machen müssen. Über Jahrzehnte
versprach man den Griechen, die bei der türkischen Invasion 1974 aus dem
Norden vertrieben wurden, dass sie ihre Heimat eines Tages wieder
vollständig in Besitz nehmen können würden. Sogar ihr Flüchtlingsstatus
wird weiter vererbt und berechtigt männliche Nachfahren zu staatlicher
Unterstützung bei Hochzeiten und Hausbau. Letztendlich werden sich die
Betroffenen jedoch mit Entschädigungszahlungen begnügen müssen. Der
griechisch-zyprische Grundbesitz macht etwa 80 Prozent Nordzyperns aus
und ist inzwischen unauflösbar mit den Immobiliengeschäften in- und
ausländischer Investoren verflochten.
Für die Zyperngriechen leert sich das Füllhorn der Zugeständnisse. Der
von ihnen 2004 abgelehnte Plan des damaligen UNO-Generalsekretärs Kofi
Annan enthielt wesentlich mehr Konzessionen, als sie je wieder bekommen
werden. Die Entwicklung arbeitet gegen sie. Sie haben die Wahl, bei den
Verhandlungen entweder unangenehmen Forderungen Eroglus zuzustimmen oder
den Tisch zu verlassen. Zu dem Preis, dass sie als Schuldige für das
Scheitern einer Wiedervereinigung in die Geschichte Zyperns eingehen.
* Aus: Neues Deutschland, 26. Mai 2010
Zurück zur Zypern-Seite
Zur Türkei-Seite
Zurück zur Homepage