Banken besetzen
Andalusische Gewerkschaft kündigt weitere Aktionen gegen Krisenverursacher an
Von André Scheer *
Andalusiens Landarbeiter wollen weitere Ländereien besetzen und auch auf das in der vergangenen Woche von der Guardia Civil geräumte Landgut Las Turquillas zurückkehren. Zudem sollen jedoch auch Banken besetzt werden, »denn diese sind die Verantwortlichen der Krise«, kündigte der linke Parlamentsabgeordnete Juan Manuel Sánchez Gordillo am Montag im Gespräch mit dem Fernsehsender Telecinco an. Der Aktivist der für ihre radikalen Aktionen bekannten Andalusischen Arbeitergewerkschaft (SAT) und Bürgermeister der Ortschaft Marinaleda forderte, die Schulden der spanischen Finanzinstitute, »die zu 75 Prozent private Schulden der Banken sind«, nicht mit öffentlichen Geldern zu bezahlen. Zudem sei es nichts anderes als »Wucher und bewaffneter Raubüberfall«, daß die europäischen Privatinstitute von der Europäischen Zentralbank Geld zu einem Zinssatz von 0,75 Prozent erwerben könnten, das sie dann »innerhalb von fünf Sekunden« zu 6,5 Prozent verzinst an den spanischen Staat weiterverkaufen.
In der vergangenen Woche hatten Aktivisten der SAT in Arcos de la Frontera und Écija in Geschäften der Einzelhandelsmultis Carrefour und Mercadona Grundnahrungsmittel »enteignet«, um diese an arme Familien weiterzugeben. Sieben Teilnehmer der Aktion wurden deshalb in den folgenden Tagen wegen »gewaltsamen Raubüberfalls« von der Polizei festgenommen, mittlerweile jedoch gegen Auflagen auf freien Fuß gesetzt. Am Montag stellte die Polizei im Rathaus von Marinaleda auch Sánchez Gordillo eine Gerichtsvorladung zu. Dieser hatte in Écija an der Aktion teilgenommen, ohne jedoch selbst den Laden zu betreten. Die Vorladung jedoch ist offensichtlich illegal. Wegen ihrer strafrechtlichen Immunität kann nur der Oberste Gerichtshof Andalusiens Ermittlungen gegen Parlamentsabgeordnete aufnehmen und diese vorladen. Das sei nicht erfolgt, erklärten Sprecher der Instanz gegenüber der Tageszeitung Diario de Navarra. Sánchez Gordillo hat bereits öffentlich angekündigt, der Vorladung nicht Folge leisten zu wollen. Zugleich bot er jedoch an, auf seinen besonderen Schutz als Parlamentarier zu verzichten. Ihm solle wie jedem normalen Bürger der Prozeß gemacht werden, und wenn er ins Gefängnis müsse, sei das für ihn »eine Ehre«. Wer sich Revolutionär nenne, so Sánchez Gordillo, müsse »der erste im Kampf und der letzte beim Genuß von Privilegien sein«. Tatsächlich kann er jedoch nicht von sich aus auf die im andalusischen Autonomiestatut festgeschriebene Immunität verzichten, sofern er nicht von seinem Mandat zurücktritt.
Unterdessen dementierten Vertreter des spanischen Allgemeinen Arbeiterunion (UGT) und des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) gegenüber jW Medienberichte, wonach ein in mehreren Ländern gleichzeitig stattfindender Generalstreik vorbereitet werde. »Es gibt derzeit keine Diskussion über einen europaweiten Generalstreik im Oktober«, betonte EGB-Pressesprecherin Patricia Grillo auf Nachfrage. Das spanische Internetportal Cuarto Poder hatte zuvor unter Berufung auf Elías Eliopoulos vom griechischen Gewerkschaftsbund ADEDY berichtet, die Organisationen aus Griechenland, Italien, Spanien, Portugal und Zypern wollten entweder am 15. September – am Rande der von den spanischen Gewerkschaften organisierten Großdemonstration in Madrid – oder am 28. September, wenn eine ähnliche Aktion in Rom geplant ist, ein Abkommen unterzeichnen, das eine gleichzeitige Aktion in den wichtigsten Städten aller Länder oder einen bis zu 48 Stunden dauernden grenzüberschreitenden Generalstreik vorsieht.
* Aus: junge Welt, Mittwoch, 15. August 2012
Zurück zur Spanien-Seite
Zurück zur Homepage