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Hausgemacht

Spanien: Rechte Volkspartei PP hat Valencia in den Ruin getrieben. Polizeigewalt soll Arbeiter einschüchtern

Von Gerhard Brückner, Alicante *

In Madrid, Alicante und anderen Städten Spaniens haben am Dienstag abend zahlreiche Menschen gegen die gewaltsame Unterdrückung der Schülerproteste in Valencia demonstriert. Auch international haben die Prügelorgien der Polizei für Aufmerksamkeit gesorgt. Brutal hatten die Beamten auf Jugendliche eingeschlagen, die einem Aufruf ihrer Schülervertretung gefolgt waren und vor den Toren des Lluís-Vives-Gymnasium gegen die Auswirkungen der im Januar verabschiedeten Kürzungen im öffentlichen Dienst protestierten.

Die von der rechten Volkspartei (PP) geführte Regierung der autonomen Region Valencia, die Generalitat, verteidigte hingegen ihre Sparpolitik, obwohl die Kürzungen die öffentlichen Bildungseinrichtungen weit stärker getroffen haben als Privatschulen oder etwa die Katholische Universität in Valencia. Nicht nur neue Investitionen wurden gestrichen. Die öffentlichen Schulen erhalten schon seit geraumer Zeit auch die für das Begleichen ihrer laufenden Kosten notwendigen Mittel erst mit mehreren Monaten Verspätung. So wiesen die staatlichen Universitäten der Region Valencia im Januar in einem Brief an Professoren, Angestellte und Studenten darauf hin, daß die Generalitat nicht erst seit Monaten, sondern bereits seit Jahren ihren Zahlungsverpflichtungen nur unregelmäßig nachkommt. Deshalb sei es ungewiß, ob Ende des Monats die Gehälter bezahlt werden könnten. Im Dezember hatte es bereits einen »Streik der Apotheken« gegeben, weil die Gesundheitsbehörde aufgrund fehlender Liquidität die ausgegebenen Arzneimittel nicht bezahlen konnte.

Im Gesundheitsbereich werden seit Jahren immer mehr Dienstleistungen privatisiert. Ein Beispiel dafür ist die Versorgung psychisch kranker Menschen im Bezirk Alicante. Nach dem Regierungsantritt der PP 1996 wurde sie von Privatunternehmen übernommen. Die ambulanten Hilfsdienste übergab die Generalitat einem gemeinnützigen Verein, der die Subventionen der Regierung benötigt. Da die staatlichen Kassen leer sind, kann dieser Verein seine Dienste mittlerweile nur noch durch Kredite aufrechterhalten. Bei Gesprächen mit Mitarbeitern stellte sich heraus, daß sie seit November keinen Lohn erhalten haben.

Die seit November ebenfalls von der PP gestellte Zentralregierung in Madrid rechtfertigt ihre drastischen Sparmaßnahmen damit, daß das von der Regierung der sozialdemokratischen PSOE hinterlassene Defizit wesentlich höher sei als erwartet. Allerdings verschweigt das Kabinett, daß vor allem die von der eigenen Partei in den autonomen Regionen gestellten Regierungen bis zur Zahlungsunfähigkeit überschuldet sind.

Das gravierendste Beispiel dafür ist die Region Valencia. Von der PP werden hier Steuergelder vorwiegend für unrentable Prestigeobjekte wie den Freizeitpark »Terra Mítica«, einen supermodernen, aber noch immer nicht in Betrieb genommenen Flughafen in Castellón oder teure Großveranstaltungen wie die Formel eins ausgegeben, während für Bildung und Infrastrukturmaßnahmen die Mittel fehlen. Die valencianische Sparkasse Bancaja wurde von den Regierungspolitikern geplündert, die so gewonnenen Mittel an befreundete Unternehmer weitergeleitet. Die Spitze der Regierungspartei ist deshalb seit Jahren in Korruptionsaffären verwickelt, erst vor wenigen Monaten mußte Ministerpräsident Francisco Camps aufgrund einer entsprechenden Anklage zurücktreten.

Anfang Januar wurde die hoffnungslos überschuldete Regierung Valencias von Madrid mit einem Rettungspaket vor der Zahlungsunfähigkeit bewahrt. Mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 4000 Euro ist sie die Region Spaniens mit dem dritthöchsten Defizit, beim Bruttoinlandsprodukt liegt sie allerdings nur auf Platz 12 unter den 17 Regionen des Landes. Per Regierungsdekret wurden deshalb massive Ausgabenkürzungen im öffentlichen Dienst verordnet. Das bedeutete vor allem Lohn- und Gehaltseinbußen für die Arbeiter und Beamten sowie die jetzt zur Eskalation führenden Mittelstreichungen bei Gesundheit, Schulen und Universitäten.

Die Kommunistische Partei der Völker Spaniens (PCPE) bewertet die gewalttätigen Übergriffe der Polizei als Warnung und Einschüchterungsversuch angesichts der zu erwartenden Proteste von Arbeitern und Studenten. Andererseits aber seien sie ein Ausdruck der Krise des kapitalistischen Wirtschaftssystems. »Die Regierung setzt ihren Repressionsapparat zur Verteidigung der neoliberalen Doktrin der Privatisierungen ein, um dem Kapital neue Anlagemöglichkeiten und bessere Profite zu garantieren. Zuerst werden die öffentlichen Schulen kaputt gespart und dann privatisiert«, sagte ein Sprecher der Partei gegenüber jW.

* Aus: junge Welt, 23. Februar 2012


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